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Urteil im Insolenzrecht

BFH v. 28.02.2011 – VII B 224/​10

Über­prü­fung eines Insol­venz­an­tra­ges durch das Finanzgericht

Sach­ver­halt

Ein Antrag des Finanz­amts auf Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens kann beim Finanz­ge­richt im Wege des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes (einst­wei­li­ge Anord­nung nach § 114 FGO) über­prüft wer­den. Im vor­lie­gen­den Fall hat­te der Schuld­ner eine Raten­zah­lungs­ver­ein­ba­rung nicht eingehalten. 

(vgl BFH v. 28.02.2011 – VII B 224/​10)

Die Ent­schei­dung

I. Der Antrag­stel­ler und Beschwer­de­geg­ner (Antrag­stel­ler) erzielt Ein­künf­te aus einer gewerb­li­chen Zim­mer­ver­mie­tung. Auf­grund von Ein­kom­men- und Umsatz­steu­er­rück­stän­den, die im Jahr 2009 57.472,19 EUR betru­gen, brach­te der Antrags­geg­ner und Beschwer­de­füh­rer (das Finanz­amt –FA–) meh­re­re Pfän­dungs- und Ein­zie­hungs­ver­fü­gun­gen aus, die jedoch ins Lee­re gin­gen. Wei­te­re Voll­stre­ckungs­mög­lich­kei­ten ver­moch­te das FA trotz dies­be­züg­li­cher Nach­for­schun­gen nicht aus­fin­dig zu machen. Zunächst vor­ge­nom­me­ne Sach­pfän­dun­gen wur­den in der Fol­ge­zeit wie­der auf­ge­ho­ben. Am 19. Janu­ar 2010 traf der Antrag­stel­ler mit dem FA eine Raten­zah­lungs­ver­ein­ba­rung. Danach soll­te er den Zah­lungs­pflich­ten hin­sicht­lich neu fest­ge­setz­ter Ein­kom­men­steu­er-Vor­aus­zah­lun­gen nach­kom­men und die Umsatz­steu­er nach ord­nungs­ge­mä­ßer Buch­hal­tung quar­tals­wei­se zeit­nah beglei­chen. Zudem soll­te er alle vier­zehn Tage Raten in Höhe von 1.000 EUR leis­ten und eine eides­statt­li­che Ver­si­che­rung abge­ben. Die gefor­der­te Ver­si­che­rung gab der Antrag­stel­ler am 1. Febru­ar 2010 ab, jedoch ergab sich dar­aus kein wesent­li­ches pfänd­ba­res Vermögen.

Zum 21. Juli 2010 betru­gen die Rück­stän­de noch 42.548,39 EUR. Nach einem Ver­merk der Voll­stre­ckungs­stel­le hat­te der Antrag­stel­ler die ver­ein­bar­ten vier­zehn­tä­gi­gen Raten unab­ge­spro­chen auf einen Betrag von 500 EUR redu­ziert. Eine Redu­zie­rung der Raten­hö­he lehn­te das FA ab; den dage­gen ein­ge­leg­ten Ein­spruch wies es als unbe­grün­det zurück. In der Ein­spruchs­ent­schei­dung gab es zu erken­nen, dass eine Aus­set­zung der Voll­zie­hung nach § 258 der Abga­ben­ord­nung (AO) nicht in Betracht kom­me. Den Rück­kaufs­wert einer Lebens­ver­si­che­rung –die aus dem Ver­mö­gens­ver­zeich­nis nicht ersicht­lich war– nahm das FA mit einem Betrag von 500 EUR an. Zudem erkann­te das FA, dass zuguns­ten des Antrag­stel­lers noch ein Schmer­zens­geld­an­spruch bestehen könn­te. Am 22. Juli 2010 stell­te das FA beim Amts­ge­richt den Antrag auf Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens über das Ver­mö­gen des Antrag­stel­lers. In der Anhö­rung wies die­ser dar­auf hin, dass die Gewinn­ermitt­lung für 2007 kei­ne Ver­lus­te aus­wei­se und zur Her­ab­set­zung der Ein­kom­men­steu­er 2007 und einem Erstat­tungs­an­spruch füh­ren wer­de. Fer­ner sei im Rah­men eines Ein­spruchs­ver­fah­rens die Ein­kom­men­steu­er für 2008 her­ab­zu­set­zen. Im August 2010 setz­te das FA die Voll­zie­hung hin­sicht­lich der Ein­kom­men­steu­er 2007 in Höhe eines Teil­be­trags von 8.552,64 EUR aus.

Gegen den Antrag auf Insol­venz­er­öff­nung begehr­te der Antrag­stel­ler vor dem Finanz­ge­richt (FG) einst­wei­li­gen Rechts­schutz nach § 114 Abs. 1 der Finanz­ge­richts­ord­nung (FGO). Die­ses ver­pflich­te­te das FA, den Antrag auf Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens zurück­zu­neh­men. Nach der mit dem FA getrof­fe­nen Ver­ein­ba­rung, die nicht wider­ru­fen wor­den sei, sei der Antrag­stel­ler im Zeit­punkt der Antrag­stel­lung mit ins­ge­samt drei Raten, d.h. mit ins­ge­samt 3.000 EUR, im Rück­stand gewe­sen. Die gerin­ge Höhe die­ses Betra­ges las­se die Voll­stre­ckungs­maß­nah­me als ermes­sens­feh­ler­haft erschei­nen. Dar­über hin­aus habe der Antrag­stel­ler im Zeit­raum von Mai bis August 2010 wei­te­re Raten in Höhe von monat­lich 1.000 EUR geleis­tet. Somit kön­ne nicht von einer Zah­lungs­un­fä­hig­keit des Antrag­stel­lers aus­ge­gan­gen wer­den. Wei­te­re Gläu­bi­ger sei­en nicht bekannt. Sei­nen Antrag habe das FA nicht auf den Insol­venz­grund der Über­schul­dung gestützt (§ 19 der Insol­venz­ord­nung –InsO–). Aus­füh­run­gen zur Über­schul­dung, die im Übri­gen nicht ange­nom­men wer­den kön­ne, habe es nicht gemacht. Im Streit­fall lie­ge ein Anord­nungs­grund nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO vor, der auch die Vor­weg­nah­me der Ent­schei­dung in der Haupt­sa­che recht­fer­ti­ge, denn nach Eröff­nung eines Insol­venz­ver­fah­rens schei­de eine Rück­nah­me des Eröff­nungs­an­trags aus.

Mit sei­ner vom FG zuge­las­se­nen Beschwer­de begehrt das FA die Auf­he­bung der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung und die Ableh­nung des Antrags des Antrag­stel­lers. Ent­ge­gen der Rechts­an­sicht des FG habe das FA sei­ne Ent­schei­dung ermes­sens­ge­recht getrof­fen. Die bis zum 31. August 2010 befris­te­te Raten­zah­lungs­ver­ein­ba­rung habe die Fäl­lig­keit der Steu­er­for­de­run­gen nicht berührt. Eines Wider­rufs habe es inso­weit nicht bedurft. Rück­stän­dig sei­en nicht nur die nicht ent­rich­te­ten Raten, son­dern die gesam­ten Steu­er­for­de­run­gen gewe­sen. Zu Recht sei das FA von der Zah­lungs­un­fä­hig­keit des Antrag­stel­lers aus­ge­gan­gen. Mit einer zeit­na­hen Til­gung der For­de­run­gen habe nicht gerech­net wer­den kön­nen. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs (BGH) sei regel­mä­ßig von einer Zah­lungs­un­fä­hig­keit i.S. des § 17 Abs. 2 InsO aus­zu­ge­hen, wenn der Schuld­ner nicht in der Lage sei, inner­halb von drei Wochen 90 % sei­ner fäl­li­gen Ver­bind­lich­kei­ten zu erfül­len. Zudem habe das FG, ohne dies­be­züg­lich nähe­re Fest­stel­lun­gen zu tref­fen, eine dro­hen­de Exis­tenz­ver­nich­tung des Antrag­stel­lers unterstellt.

Der Antrag­stel­ler ist der Beschwer­de ent­ge­gen­ge­tre­ten. Er führt aus, dass das FA das Aus­lau­fen der Frist der Raten­zah­lungs­ver­ein­ba­rung nicht abge­war­tet, son­dern den Antrag auf Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens bereits am 22. Juli 2010 gestellt habe. Zudem sei das vom FA im Ent­wurf vor­ge­leg­te Schrei­ben vom 5. Febru­ar 2010 bis­her nicht zuge­gan­gen. Im Bescheid vom 2. Novem­ber 2010 habe das FA selbst bestä­tigt, dass die ver­ein­bar­ten Raten bezahlt wor­den sei­en. Aus­weis­lich der betriebs­wirt­schaft­li­chen Aus­wer­tung vom Sep­tem­ber 2010 habe der Antrag­stel­ler Raten­zah­lun­gen bis zum Exis­tenz­mi­ni­mum erbracht. Ohne Anga­be von Grün­den habe das FA eine Redu­zie­rung der Raten abge­lehnt. Durch Zah­lung der ver­ein­bar­ten Raten und Abga­be der eides­statt­li­chen Ver­si­che­rung habe der Antrag­stel­ler die mit dem FA getrof­fe­ne Ver­ein­ba­rung erfüllt. Unrich­tig sei die zur Begrün­dung des Antrags auf Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens auf­ge­stell­te Behaup­tung, dass der Voll­stre­ckungs­schuld­ner sei­nen steu­er­li­chen Zah­lungs­ver­pflich­tun­gen nicht nach­kom­me. Vor­aus­sicht­lich sei er in der Lage, sei­ne Steu­er­schul­den in ver­blei­ben­der Höhe von zur­zeit 15.300 EUR inner­halb von 12 Mona­ten zu til­gen. Das FA sei der ein­zi­ge Gläu­bi­ger. In sei­nem Schrift­satz vom 17. Febru­ar 2011 hat der Antrag­stel­ler mit­ge­teilt, dass der vom Insol­venz­ge­richt beauf­tra­ge Gut­ach­ter die Ansicht ver­tritt, dass eine das Insol­venz­ver­fah­ren decken­de Mas­se vor­han­den und der Insol­venz­grund des § 17 InsO gege­ben sei. Vor­aus­sicht­lich wer­de der Betrieb vom Insol­venz­ver­wal­ter freigegeben.

Grün­de
II. Die Beschwer­de ist begrün­det. Nach der gebo­te­nen und aus­rei­chen­den sum­ma­ri­schen Prü­fung der Sach- und Rechts­la­ge gelangt der beschlie­ßen­de Senat zu dem Schluss, dass das FG dem FA zu Unrecht die Ver­pflich­tung auf­er­legt hat, den Antrag auf Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens zurück­zu­neh­men. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des FG erweist sich die getrof­fe­ne Voll­stre­ckungs­maß­nah­me als ermessensfehlerfrei.

  1. Die Ent­schei­dung des FA, die Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens über das Ver­mö­gen eines Steu­er­schuld­ners zu bean­tra­gen, ist eine Ermes­sens­ent­schei­dung, die gemäß § 102 FGO von den Gerich­ten nur dar­auf­hin über­prüft wer­den kann, ob die Gren­zen des Ermes­sens über­schrit­ten sind oder von dem Ermes­sen in einer dem Zweck der Ermäch­ti­gung nicht ent­spre­chen­den Wei­se Gebrauch gemacht wor­den ist (vgl. Senats­be­schluss vom 12. Dezem­ber 2003 VII B 265/​01, BFH/​NV 2004, 464). Der Antrag auf Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens kann gestellt wer­den, wenn dem FA ein Anspruch zusteht, der ihm im Insol­venz­ver­fah­ren die Stel­lung eines Insol­venz­gläu­bi­gers ver­mit­telt, und wenn ein Insol­venz­grund vor­liegt. Posi­ti­ver Anhalts­punk­te für das Vor­han­den­sein einer die Kos­ten des Ver­fah­rens decken­den Mas­se bedarf es nicht. Aller­dings darf ein sol­cher Antrag nicht rechts­miss­bräuch­lich und aus sach­frem­den Erwä­gun­gen gestellt wer­den. Dies ist z.B. dann anzu­neh­men, wenn das FA ledig­lich die Ver­nich­tung der wirt­schaft­li­chen Exis­tenz des Voll­stre­ckungs­schuld­ners bezweckt (Senats­be­schluss vom 23. Juli 1985 VII B 29/​85, BFH/​NV 1986, 41).

Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­fi­nanz­hofs (BFH) han­delt es sich bei dem durch das FA gestell­ten Insol­venz­an­trag nicht um einen Ver­wal­tungs­akt (Beer­mann in Hübschmann/​Hepp/​Spitaler, § 251 AO Rz 107), so dass als vor­läu­fi­ger Rechts­schutz eine einst­wei­li­ge Anord­nung nach § 114 FGO in Betracht kommt (zur Kon­kurs­ord­nung vgl. Senats­be­schluss vom 26. April 1988 VII B 176/​87, BFH/​NV 1988, 762). Dabei hat sich die Prü­fung des Gerichts auf die Erfolgs­aus­sich­ten des Antrag­stel­lers im Haupt­sa­che­ver­fah­ren zu erstre­cken. Im Fal­le einer Leis­tungs­kla­ge auf Rück­nah­me des Antrags auf Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens ist nach Ansicht der Instanz­ge­rich­te auf den Zeit­punkt der Sach- und Rechts­la­ge zum Zeit­punkt der finanz­ge­richt­li­chen Ent­schei­dung abzu­stel­len (Urteil des FG des Saar­lan­des vom 17. März 2004 1 K 437/​02, Ent­schei­dun­gen der Finanz­ge­rich­te –EFG– 2004, 1021; Ent­schei­dung des FG Ber­lin vom 21. Sep­tem­ber 2004 7 K 7182/​04, EFG 2005, 11, und Loo­se in Tipke/​Kruse, Abga­ben­ord­nung, Finanz­ge­richts­ord­nung, § 251 AO Rz 22; offen­ge­las­sen im Senats­be­schluss vom 26. Febru­ar 2007 VII B 98/​06, BFH/​NV 2007, 1270). Die­se Fra­ge bedarf im Streit­fall jedoch kei­ner abschlie­ßen­den Klä­rung, weil der Eröff­nungs­grund des § 17 Abs. 1 InsO auch bereits im Zeit­punkt der Stel­lung des Insol­venz­an­trags vorlag.

  1. Zu Unrecht ist das FG davon aus­ge­gan­gen, dass das FA wegen der noch nicht aus­ge­lau­fe­nen Raten­zah­lungs­ver­ein­ba­rung gehin­dert gewe­sen sei, den Insol­venz­an­trag zu stel­len. Die Ver­ein­ba­rung war wegen Nicht­ein­hal­tung sei­tens des Antrag­stel­lers gegen­stands­los gewor­den, so dass sie nicht hat­te förm­lich wider­ru­fen wer­den müs­sen. Das FA muss­te die Beträ­ge nicht wie­der fäl­lig stel­len, nach­dem der Antrag­stel­ler mit der zunächst pünkt­li­chen Raten­zah­lung in Rück­stand gera­ten war. Aus­weis­lich des Pro­to­kolls über die Bespre­chung an Amts­stel­le ist eine Aus­set­zung der Voll­zie­hung zunächst nicht gewährt wor­den. Viel­mehr wur­de die Voll­stre­ckung ledig­lich ruhend gestellt und vom Ver­hal­ten des Voll­stre­ckungs­schuld­ners abhän­gig gemacht. Zudem hat das FA mit Schrei­ben vom 6. Mai 2010 die bean­trag­te Redu­zie­rung der Raten­hö­he abge­lehnt und den dage­gen erho­be­nen Ein­spruch als unbe­grün­det zurück­ge­wie­sen. Der Ein­spruchs­ent­schei­dung vom 13. Juli 2010 muss­te der Antrag­stel­ler ent­neh­men, dass eine Aus­set­zung der Voll­stre­ckung nicht mehr in Betracht kam. Danach konn­te er von einer Geneh­mi­gung zur Fort­set­zung der Raten­zah­lun­gen nicht mehr aus­ge­hen und muss­te mit der umge­hen­den Ein­lei­tung von Voll­stre­ckungs­maß­nah­men rechnen.

Nach sum­ma­ri­scher Betrach­tung der Sach- und Rechts­la­ge konn­te das FA auch von einer Zah­lungs­un­fä­hig­keit des Antrag­stel­lers aus­ge­hen (§ 17 Abs. 1 und 2 InsO). Aus­weis­lich der Akten hat der Antrag­stel­ler zwar in den Mona­ten Janu­ar bis April 2010 die Raten in der ver­ein­bar­ten Höhe von 2.000 EUR gezahlt, jedoch die Zah­lun­gen bis August 2010 von zunächst 1.000 EUR auf 500 EUR zurück­ge­führt. Den Antrag vom 20. Juli 2010 auf ent­spre­chen­de Redu­zie­rung der Raten hat das FA abge­lehnt. Zu die­sem Zeit­punkt belie­fen sich die Steu­er­rück­stän­de auf 42.548,39 EUR. Aus­weis­lich der im Rah­men der Abga­be der eides­statt­li­chen Ver­si­che­rung vor­ge­leg­ten Ver­mö­gens­auf­stel­lung war ver­wert­ba­res Ver­mö­gen nicht vor­han­den, so dass wei­te­re Voll­stre­ckungs­ver­su­che aus­sichts­los erschie­nen. Zwar hat sich der Antrag­stel­ler auf einen für ihn güns­ti­gen Aus­gang der anhän­gi­gen Ein­spruchs­ver­fah­ren beru­fen, doch bestehen nach dem Vor­brin­gen des FA selbst unter Berück­sich­ti­gung der inzwi­schen abge­schlos­se­nen Ver­fah­ren Abga­ben­rück­stän­de in Höhe von 34.264,61 EUR. Dass eine Beglei­chung der Steu­er­schul­den in abseh­ba­rer Zeit zu erwar­ten ist, hat der Antrag­stel­ler ledig­lich behaup­tet, ohne dies jedoch sub­stan­ti­iert zu bele­gen. Bei die­sem Befund ist ein Anord­nungs­an­spruch nicht ersicht­lich. Da bereits aus die­sem Grund der Antrag des Antrag­stel­lers zurück­zu­wei­sen ist, kann es dahin­ge­stellt blei­ben, ob ein Anord­nungs­grund gege­ben ist.

  1. Im Übri­gen ist nicht erkenn­bar, dass das FA den Antrag auf Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens mit dem Ziel der Exis­tenz­ver­nich­tung rechts­miss­bräuch­lich gestellt hat. Dabei ist zu berück­sich­ti­gen, dass das pri­mä­re Ziel eines Insol­venz­ver­fah­rens nicht die Zer­schla­gung von Ver­mö­gens­wer­ten ist, son­dern die Schul­den­be­rei­ni­gung zur Fort­set­zung unter­neh­me­ri­scher Betä­ti­gung. Soweit sich der Antrag­stel­ler im erst­in­stanz­li­chen Ver­fah­ren dar­auf beru­fen hat, dass eine Abwei­sung des Insol­venz­an­trags man­gels Mas­se wahr­schein­lich sei, wird auch dadurch der Anord­nungs­an­spruch nicht hin­rei­chend belegt. Die zuver­läs­si­ge Fest­stel­lung des Ver­mö­gens des Schuld­ners obliegt dem Insol­venz­ge­richt (vgl. Senats­ent­schei­dung vom 12. Dezem­ber 2005 VII R 63/​04, BFH/​NV 2006, 900). Wie der Antrag­stel­ler nun­mehr selbst vor­trägt, ist nach Auf­fas­sung des vom Insol­venz­ge­richt bestell­ten Gut­ach­ters eine das Ver­fah­ren decken­de Mas­se vor­han­den. Auch ist eine Frei­ga­be des Betriebs mit dem Ziel sei­ner Fort­füh­rung nicht aus­ge­schlos­sen, so dass eine Ver­nich­tung der Exis­tenz des Antrag­stel­lers nicht unab­weis­bar erscheint.

Stel­lung­nah­me

Ein Insol­venz­an­trag des Finanz­am­tes ist des­halb zuläs­sig, weil die Raten­zah­lungs­ver­ein­ba­rung durch die Nicht­zah­lung gegen­stands­los gewor­den ist und das FA die Beträ­ge nicht wie­der fäl­lig stel­len muss­te. Da das FA auch kei­ne Aus­set­zung der Voll­zie­hung gewährt hat­te, war der Insol­venz­an­trag zulässig.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zum Insol­venz­an­trag erhal­ten Sie hier: Insol­venz­an­trag.

Gerichtsurteil

Nicht­be­die­nen des Zeiterfassungsgerätes

Nach dem LAG Hamm ist der Miss­brauch von Zeit­er­fas­sungs­ge­rä­ten geeig­net, den Aus­spruch einer frist­lo­sen Kün­di­gung zu recht­fer­ti­gen, ohne dass es dar­auf ankommt, ob hier­in zugleich ein straf­recht­lich rele­van­ter Betrug zu sehen ist.
LAG Hamm 22.07.2010 – 8 Sa 319/​10

Gerichtsurteil

Beein­träch­ti­gung der Gläubigerinteressen

Der BGH hat­te über einen Fall der Ver­sa­gung der Rest­schuld­be­frei­ung wegen Ver­let­zung der Mit­wir­kungs­ob­lie­gen­hei­ten gem. §§ 296 I, 295 I Nr. 3 InsO zu ent­schei­den. Der Schuld­ner hat­te sei­ne der Pfän­dung unter­lie­gen­den Beträ­ge aus sei­nem Ein­kom­men nicht an den Treu­hän­der abge­führt. Nach dem BGH war dem Schuld­ner auf Antrag die Rest­schuld­be­frei­ung zu ver­sa­gen, auch wenn die pfänd­ba­ren Beträ­gen nur für die  Ver­fah­rens­kos­ten ver­wen­det wor­den wären.
Der Schuld­ner hät­te sich “ret­ten” kön­nen, wenn er die Beträ­ge recht­zei­tig an den Treu­hän­der abge­führt hät­te. Da dies jedoch erst nach Auf­de­ckung erfolg­te, half ihm die spä­te­re Zah­lung nicht.
BGH 14.04.2011 – IX ZA 51/​10

Gerichtsurteil

Betriebs­kos­ten­nach­zah­lung in der Insolvenz

Der BGH hat ent­schie­den, dass die Betriebs­kos­ten­nach­for­de­rung des Ver­mie­ters in der Insol­venz des Mie­ters für einen Abrech­nungs­zeit­raum vor Insol­venz­er­öff­nung eine ein­fa­che Insol­venz­for­de­rung dar­stellt, wenn der Ver­mie­ter erst nach der Insol­venz­er­öff­nung  oder nach dem Wirk­sam­wer­den der Ent­haf­tungs­er­klä­rung des Insol­venz­ver­wal­ters gem. § 109 I S. 2 InsO abge­rech­net hat.
BGH 13.04.2011 – VIII ZR 295/​1

BAG zum Gel­tungs­be­reich der Kleinbetriebsklausel

Nach 23 Abs. 1 des Kün­di­gungs­schutz­ge­set­zes genie­ßen Arbeit­neh­mer in Betrie­ben, in denen in der Regel nur zehn oder weni­ger Arbeit­neh­mer beschäf­tigt sind, kei­nen Kün­di­gungs­schutz. Die dar­in lie­gen­de Ungleich­be­hand­lung zwi­schen Arbeit­neh­mern grö­ße­rer und klei­ne­rer Betrie­be ver­stößt nicht gegen Art. 3 GG. Sie ist sach­lich gerecht­fer­tigt, weil Klein­be­trie­be typi­scher­wei­se durch enge per­sön­li­che Zusam­men­ar- beit, gerin­ge­re Finanz­aus­stat­tung und einen Man­gel an Ver­wal­tungs­ka­pa­zi­tät geprägt sind. Auch wenn ein Unter­neh­mer meh­re­re Klein­be­trie­be unter­hält, wer­den die Zah­len der dort Beschäf­tig­ten nicht auto­ma­tisch zusam­men­ge­rech­net, wenn es sich tat­säch­lich um orga­ni­sa­to­risch hin­rei­chend ver­selbst­stän­dig­te Ein­hei­ten und des­halb um selbst­stän­di­ge Betrie­be han­delt. Es ist aber sicher­zu­stel­len, dass damit aus dem Gel­tungs­be­reich des Geset­zes nicht auch Ein­hei­ten grö­ße­rer Unter­neh­men her­aus­fal­len, auf die die typi­schen Merk­ma­le des Klein­be­triebs (enge per­sön­li­che Zusam­men­ar­beit etc.) nicht zutref­fen. Das wie­der­um ist nicht stets schon dann der Fall, wenn dem Betrieb auch nur eines die­ser typi­schen Merk­ma­le fehlt. Maß­ge­bend sind viel­mehr die Umstän­de des Einzelfalls.

 

Die Beklag­te beschäf­tig­te an ihrem Sitz in Leip­zig min­des­tens acht, an ihrem Stand­ort Ham­burg sechs Arbeit­neh­mer. Im Janu­ar 2006 setz­te sie in Ham­burg einen vor Ort mit­ar­bei­ten­den Betriebs­lei­ter ein, den sie—wie sie behaup­tet hat—bevollmächtigte, dort Ein­stel­lun­gen und Ent­las- sun­gen vor­zu­neh­men. Der Klä­ger war in der Betriebs­stät­te Ham­burg seit 1990 als Haus­meis­ter und Haus­tech­ni­ker tätig. Ein ver­gleich­ba­rer Arbeit­neh­mer wur­de im Jahr 2003 ein­ge­stellt, ist deut­lich jün­ger als der Klä­ger und—anders als dieser—keiner Per­son zum Unter­halt ver­pflich­tet. Im März 2006 kün­dig­te die Beklag­te das Arbeits­ver­hält­nis mit dem Klä­ger unter Beru­fung auf betrieb­li­che Grün­de. Die Vor­in­stan­zen haben der Kla­ge wegen unzu­rei­chen­der Sozi­al­aus­wahl statt­ge­ge­ben. Das LAG hat das Kün­di­gungs­schutz­ge­setz für anwend­bar gehal­ten, weil die Kapi- tal­aus­stat­tung der Beklag­ten nicht gering gewe­sen sei und ihr Geschäfts­füh­rer in Ham­burg nicht mit­ge­ar­bei­tet habe. Die Revi­si­on der Beklag­ten war vor dem Zwei­ten Senat des BAG erfolg­reich. Sie führ­te zur Zurück­ver­wei­sung der Sache an das LAG. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Vor­in­stan­zen ist es im Streit­fall nicht aus ver­fas­sungs­recht­li­chen Grün­den gebo­ten, bei­de Betriebs­tät­ten auch dann als ein­heit­li­chen Betrieb im kün­di­gungs­schutz­recht­li­chen Sin­ne anzu­se­hen, wenn sie orga­ni­sa­to­risch selbst­stän­dig sind. Ob dies zutrifft, bedarf wei­te­rer Fest­stel­lun­gen durch das LAG.

BAG, Urt. v. 28.10.2010—2 AZR 392/​08—Pres­se­mit­tei­lung des BAG Nr. 83/​10

 

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