Urteil im Insolenzrecht

AG Nor­der­stedt, Beschl. vom 15.9.2022 – 66 IN 90/​19

Die Ent­schei­dung

Der Antrag des Schuld­ners vom 30.08.2022 auf Frei­ga­be der Ener­gie­preis­pau­scha­le wird zurückgewiesen.

Grün­de

Mit Beschluss vom 01.08.2019 wur­de über das Ver­mö­gen des Schuld­ners das Insol­venz­ver­fah­ren eröff­net. Die­ses ist bis­lang nicht been­det worden.

Mit Antrag vom 30.08.2022, ein­ge­gan­gen am 01.09.2022, hat der als ange­stell­ter Zahn­arzt täti­ge Schuld­ner (s. letz­ter Bericht des Insol­venz­ver­wal­ters) die Frei­ga­be der Ener­gie­preis­pau­scha­le in Höhe von 300,- € bean­tragt. Die­se sei auf­grund der Zweck­be­stim­mung (Min­de­rung der Belas­tun­gen durch die gestie­ge­nen Ener­gie­kos­ten) gem. § 851 ZPO unpfänd­bar. Er ver­wies auf die Recht­spre­chung des BGH zur Unpfänd­bar­keit der staat­li­chen Coro­na-Hil­fen (BGH 10.03.2021, VII ZB 24/​20).

Des Wei­te­ren benö­ti­ge er die Zah­lung drin­gend, um sein Exis­tenz­mi­ni­mum zu sichern, sodass ein Anspruch auf Frei­ga­be gem. § 765a ZPO bestehe.

Der Insol­venz­ver­wal­ter wur­de gehört und hat kei­ne Stel­lung­nah­me abge­ge­ben. Der Schuld­ner hat trotz Auf­for­de­rung weder die Daten sei­nes aktu­el­len Arbeit­ge­bers noch einen Nach­weis erbracht, dass er die Ener­gie­preis­pau­scha­le aus­ge­zahlt bekom­men soll. Auch hat er trotz Auf­for­de­rung kei­ne Begrün­dung für sei­nen auf § 765a ZPO gestütz­ten Antrag geliefert.

Der Antrag des Schuld­ners ist daher schon man­gels Glaub­haft­ma­chung und man­gels nöti­gem Vor­trag zurückzuweisen.

In der Sache geht das Insol­venz­ge­richt aber auch davon aus, dass die Ener­gie­preis­pau­scha­le pfänd­bar ist, sodass der Antrag auch bei wei­te­rem Schuld­ner­vor­trag bzw. wei­te­rer Glaub­haft­ma­chung grund­sätz­lich zurück­zu­wei­sen ist.

Die gesetz­li­chen Rege­lun­gen zur Ener­gie­preis­pau­scha­le fin­den sich in den §§ 112 ff. EStG. Sie beträgt ein­ma­lig 300,- €, § 112 Abs.2 EStG. Der Aus­zah­lungs­an­spruch ent­steht grund­sätz­lich am 01. Sep­tem­ber 2022, § 114 EStG und wird an Arbeit­neh­mer grund­sätz­lich (es gibt Aus­nah­men: §§ 117 Abs.1 S.2, Abs.3 S. 3 EStG, wes­halb es nötig ist, dass der Schuld­ner den tat­säch­li­chen Bezug glaub­haft macht) durch den Arbeit­ge­ber in die­sem Monat aus­ge­zahlt, wobei der Betrag aus dem ein­zu­be­hal­ten­den Lohn­steu­er­be­trag zu ent­neh­men ist, § 117 Abs.2 S.2 EStG. Sie unter­liegt grund­sätz­lich der Besteue­rung, § 119 EStG, und die für Steu­er­ver­gü­tun­gen gel­ten­den Vor­schrif­ten der Abga­ben­ord­nung sind ent­spre­chend anzu­wen­den, § 120 Abs.1 EStG.

Rege­lun­gen zur (Un-) Pfänd­bar­keit der Ener­gie­preis­pau­scha­le hat der Gesetz­ge­ber nicht geschaf­fen, was nach Wahr­neh­mung des Gerichts in der Voll­stre­ckungs­pra­xis zu spür­ba­rer Unsi­cher­heit bei Schuld­nern, deren Bera­tern, Arbeit­ge­bern und deren Bera­tern sowie bei Insol­venz­ver­wal­tern führt. Auch lässt sich nach Ein­schät­zung des Gerichts aus dem Geset­zes­ent­ste­hungs­vor­gang (insb. BT.-Drucks. 20/​1765) kei­ne Befas­sung mit der Fra­ge der (Un-) Pfänd­bar­keit der Ener­gie­preis­pau­scha­le entnehmen.

Das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um (Home­page, FAQ-Bereich zur Ener­gie­preis­pau­scha­le, Stand 31.08.2022) geht davon aus, dass es sich bei der Ener­gie­preis­pau­scha­le nicht um Arbeits­lohn han­delt und des­we­gen auch nicht der Lohn­pfän­dung unter­fällt. Dem ver­mag sich das Insol­venz­ge­richt anzuschließen.

Zwar ent­stammt die Zah­lung fak­tisch der Brut­to-Lohn­zah­lung des Arbeit­ge­bers. Da sie steu­er­recht­lich aber der ein­zu­be­hal­ten­den Lohn­steu­er zu ent­neh­men ist (§ 117 Abs.2 S.2 EStG), ist sie nicht dem Lohn­be­reich, son­dern dem steu­er­li­chen Bereich zuge­ord­net. Dass die Ener­gie­preis­pau­scha­le nicht als Arbeits­lohn betrach­tet wird, ist daher nach­voll­zieh­bar. Daher unter­fällt sie nach Ansicht des Gerichts auch nicht der Lohnpfändung.

Das hilft aber nur bedingt wei­ter. Zwar besteht hier­mit Klar­heit für eine im Rah­men der Ein­zel­zwangs­voll­stre­ckung aus­ge­brach­te Lohn­pfän­dung, die also kei­ne Abfüh­rungs­pflicht des Dritt­schuld­ners an den Gläu­bi­ger auslöst.

Auch wenn sich nach der Been­di­gung eines Insol­venz­ver­fah­rens die Wohl­ver­hal­tens­pha­se anschließt, in der der Insol­venz­be­schlag ent­fal­len und im Wesent­li­chen nur noch auf­grund der Abtre­tungs­er­klä­rung pfänd­ba­re Lohn­be­stand­tei­le des Schuld­ners an den Treu­hän­der abzu­füh­ren sind, dürf­te nach Ansicht des Gerichts mit­hin aus den­sel­ben Grün­den kei­ne Abfüh­rungs­pflicht mehr bestehen.

Anders ist das nach hie­si­ger Ansicht aber im eröff­ne­ten Insol­venz­ver­fah­ren zu beur­tei­len. Hier umfasst der Insol­venz­be­schlag gem. § 35 Abs.1, 36 Abs.1 InsO alle – auch künf­ti­gen – pfänd­ba­ren Beträ­ge. Die Fra­ge der (Un-) Pfänd­bar­keit der Ener­gie­preis­pau­scha­le wird zudem auch Voll­stre­ckungs­ge­rich­te im Rah­men von Kon­to­frei­ga­be­an­trä­gen beschäf­ti­gen, wenn die Ener­gie­preis­pau­scha­le auf das Pfän­dungs­schutz­kon­to von Schuld­nern aus­ge­zahlt wur­de und dort der vor­ge­merk­te unpfänd­ba­re P‑Kon­to-Betrag über­schrit­ten wird.

Zunächst ist nach Ansicht des Gerichts fest­zu­hal­ten, dass die §§ (36 Abs.1, 4 InsO i.V.m.) 850 ff ZPO kei­ne Anwen­dung fin­den dürf­ten, weil die­se Vor­schrif­ten grund­sätz­lich vor­aus­set­zen, dass Arbeits­ein­kom­men des Schuld­ners vor­liegt. So las­sen sich ins­be­son­de­re aus den §§ 850 a (auch kein Fall der dar­in genann­ten Bei­hil­fen) und f ZPO kei­ne Frei­ga­be­mög­lich­kei­ten herleiten.

Auch § 850i ZPO fin­det nach Ansicht des Gerichts kei­ne Anwen­dung. Die­ser lässt zwar auch Frei­ga­ben bezüg­lich sol­cher Ein­nah­men des Schuld­ners zu, die kein Arbeits­ein­kom­men sind, setzt aber vor­aus, dass die Ein­nah­men vom Schuld­ner eigen­stän­dig, etwa aus kapi­ta­lis­ti­scher Tätig­keit, also durch Han­deln des Schuld­ners erwirt­schaf­tet wer­den. So soll­te der Schuld­ner moti­viert wer­den, Ein­künf­te sel­ber zu erzie­len (z.B. BGH, 26.06.2014, IX ZB 88/​13). Die Ener­gie­preis­pau­scha­le wird jedoch ohne jeg­li­ches Zutun des Schuld­ners aus­ge­zahlt, mit­hin nicht vom Schuld­ner “erwirt­schaf­tet”.

§ 850i ZPO stellt letzt­lich auch auf einen frei­zu­ge­ben­den Betrag ab, der dem ent­spricht, was dem Schuld­ner bei lau­fen­dem Arbeits- oder Dienst­lohn zustün­de. Emp­fän­ger der Ener­gie­preis­pau­scha­le haben aber schon ein regu­lä­res Ein­kom­men (so auch vor­lie­gend der als Zahn­arzt ange­stell­te Schuld­ner), sodass für ergän­zen­de Frei­ga­ben nach § 850i ZPO kein Raum bestehen dürf­te, jeden­falls nicht grundsätzlich.

Nach Ansicht des Gerichts kommt die Ener­gie­preis­pau­scha­le auf­grund der gesetz­li­chen Aus­ge­stal­tung am ehes­ten einer (vor­zei­ti­gen) Steu­er­erstat­tung gleich. Der Staat ver­zich­tet auf einen Lohn­steu­er­an­teil, wodurch eine Aus­zah­lung an den Bür­ger gene­riert wer­den kann. Steu­er­erstat­tungs­an­sprü­che sind gem. § 46 Abs.1 AO grund­sätz­lich pfänd­bar. Auch die­se Betrach­tung führt daher zu der Annah­me, dass die Ener­gie­preis­pau­scha­le pfänd­bar ist.

Frag­lich ist, ob eine Unpfänd­bar­keit gem. § 851 ZPO ange­nom­men wer­den kann.

Nach § 851 Abs.1 ZPO ist eine For­de­rung nur pfänd­bar, wenn sie über­trag­bar ist. Damit ver­weist die Norm unter ande­rem auf § 399 BGB. Danach kann eine For­de­rung nicht abge­tre­ten wer­den, wenn die Leis­tung an einen ande­ren als den ursprüng­li­chen Gläu­bi­ger nicht ohne Ver­än­de­rung ihres Inhalts erfol­gen kann. Hier­zu gehö­ren zweck­ge­bun­de­ne For­de­run­gen, soweit der Zweck­bin­dung ein schutz­wür­di­ges Inter­es­se zugrun­de liegt (BGH, 10.03.2021, VII ZB 24/​20).

Für den Fall der staat­li­chen Coro­na-Hil­fe hat der BGH (BGH, 10.03.2021, VII ZB 24/​20) das Vor­lie­gen die­ser Vor­aus­set­zun­gen ange­nom­men. Die­se die­ne nach den Aus­füh­run­gen des BGH zur Abmil­de­rung der finan­zi­el­len Not­la­gen des betrof­fe­nen Unter­neh­mens bzw. des Selb­stän­di­gen im Zusam­men­hang mit der COVID-19-Pan­de­mie. Sie soll­te jedoch nicht lau­fen­den Lebens­un­ter­halt abde­cken, son­dern insb. Liqui­di­täts­eng­päs­se, die seit dem 01.03.2020 im Zusam­men­hang mit der COVID-19-Pan­de­mie ent­stan­den sind, über­brü­cken. Aus­drück­lich nicht erfasst waren wirt­schaft­li­che Schwie­rig­kei­ten oder Liqui­di­täts­eng­päs­se, die vor dem 01.03.2020 ent­stan­den waren. Die Mit­tel waren nach BGH zur Finan­zie­rung von Ver­bind­lich­kei­ten für fort­lau­fen­de erwerbs­mä­ßi­ge Sach- und Finanz­aus­ga­ben vor­ge­se­hen. Der Zah­lungs­emp­fän­ger hat­te dabei auch die zweck­ent­spre­chen­de Ver­wen­dung zu ver­ant­wor­ten und wäre sogar zur Rück­zah­lung ver­pflich­tet, wenn die Vor­aus­set­zun­gen der Bewil­li­gung nicht vor­ge­le­gen haben.

In den Coro­na-Sofort­hil­fe-Bewil­li­gungs­be­schei­den, die das hier ent­schei­den­de Gericht bis­lang gese­hen hat, war zudem auch eine Rege­lung ent­hal­ten, die Abtre­tung und (Ver-) Pfän­dung der Coro­na-Sofort­hil­fe ausschloss.

Mit die­ser Sach­la­ge ist der Fall der Zah­lung der Ener­gie­preis­pau­scha­le nicht vergleichbar.

Es ist nach Ansicht des Gerichts schon nicht ganz klar, wel­chen Zweck die Ener­gie­preis­pau­scha­le ver­folgt. Nach sub­jek­ti­vem Ein­druck des Gerichts sug­ge­rie­ren die Wort­wahl (“Ener­gie­preis­pau­scha­le”) und auch die media­le Bericht­erstat­tung zwar den Zweck, gestie­ge­ne Ener­gie­kos­ten abzu­mil­dern. Auch ist die Ener­gie­preis­pau­scha­le Teil des Steu­er­ent­las­tungs­ge­set­zes 2022, das insg. Ent­las­tun­gen wegen erheb­li­cher Preis­er­hö­hun­gen im Ener­gie­be­reich her­bei­füh­ren woll­te (BT.-Drucks. 20/​1765, S.1). Kon­kret zur Ener­gie­preis­pau­scha­le wird der Zweck aller­dings “nur” noch als Aus­gleich für die kurz­fris­tig und dras­tisch gestie­ge­nen erwerbs­be­ding­ten Wege­auf­wen­dun­gen von Arbeit­neh­mern defi­niert (BT.-Drucks. 20/​1765, S. 23).

Neben die­ser Unklar­heit, wel­chen genau­en Zweck die Ener­gie­preis­pau­scha­le ver­folgt, ist weder an irgend­ei­ner Stel­le die Abtre­tung oder (Ver-) Pfän­dung aus­ge­schlos­sen wor­den noch ist die Ein­setz­bar­keit der Mit­tel wie im Fal­le der Coro­na-Sofort­hil­fe beschränkt wor­den. Im Gegen­teil, es steht dem Schuld­ner frei zu ent­schei­den, wofür er die Ener­gie­preis­pau­scha­le aus­gibt. Er kann sich z.B. dazu ent­schei­den, sie in Alt­schul­den, Din­ge des täg­li­chen Bedarfs oder aber auch Luxus­gü­ter zu inves­tie­ren. Es gibt kei­ne Beschrän­kung und auch kei­ne Rück­zah­lungs­ver­pflich­tung bei nicht zweck­ent­spre­chen­dem Gebrauch.

Eine Zweck­bin­dung im Sin­ne des § 851 Abs.1 ZPO ver­mag das Gericht daher nicht zu erken­nen, sodass eine Unpfänd­bar­keit gem. § 851 ZPO aus­schei­det (so auch Wip­per­fürth, ZIn­sO 2022, S.1665 (1667); Ahrens, NJW-Spe­zi­al 2022, 341).

Über­legt wer­den kann noch, ob es sich bei der Ener­gie­preis­pau­scha­le um eine Sozi­al­leis­tung han­delt, die gem. § 54 SGB I (teil­wei­se) unpfänd­bar sein könn­te. Zumin­dest geht das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um davon aus, dass es sich um eine Sozi­al­leis­tung han­de­le (Home­page, FAQ-Bereich zur Ener­gie­preis­pau­scha­le, Stand 31.08.2022 a.E.). Die­se Auf­fas­sung teilt das Gericht jedoch nicht.

Genau genom­men han­delt es sich bei der Ener­gie­preis­pau­scha­le ja noch nicht ein­mal um eine Zah­lung, son­dern um einen Steu­er­ver­zicht. Sie ist auch nicht im SGB gere­gelt, wo Sozi­al­leis­tun­gen vor­ran­gig gere­gelt wer­den, § 1 Abs.1 S.1 SGB I. § 54 SGB I kann sich nach Ansicht des Gerichts grund­sätz­lich auch nur auf im SGB gere­gel­te Sozi­al­leis­tun­gen bezie­hen (abge­se­hen von den in § 54 SGB I selbst gere­gel­ten Aus­nah­me­fäl­len). Dass gem. § 54 Abs.2 SGB I die Pfän­dung bei dem als Zahn­arzt ange­stell­ten Schuld­ner vor­lie­gend nicht der Bil­lig­keit ent­spricht, ist zudem auch nicht ersichtlich.

Mit der Ener­gie­preis­pau­scha­le ist auch kei­ner­lei Bedürf­tig­keits­prü­fung oder Rück­zah­lungs­ver­pflich­tung ver­bun­den. Das spricht nach hie­si­ger Ansicht eben­falls gegen die Annah­me, es han­de­le sich um eine Sozialleistung.

Auch scheint sich der Gesetz­ge­ber nach Ansicht des Gerichts selbst von der Ein­grup­pie­rung als Sozi­al­leis­tung abge­grenzt zu haben. Die Rege­lung des § 122 EStG sah er als erfor­der­lich an, damit die mit der Zah­lung der Ener­gie­preis­pau­scha­le inten­dier­te Wir­kung bei Emp­fän­gern von Sozi­al­leis­tun­gen erzielt wird (BT.-Drucks. 20/​1765, S. 26). Zu Emp­fän­gern von Sozi­al­leis­tun­gen – so ver­steht es das Gericht – zählt der Gesetz­ge­ber also nicht die­je­ni­gen, die nur eine Ener­gie­preis­pau­scha­le erhalten.

Zwar ist auch Kin­der­geld nicht im Sozi­al­ge­setz­buch gere­gelt (§§ 62 ff. EStG). Dort fin­det sich dann aber eine geson­der­te Rege­lung zur (Un-) Pfänd­bar­keit der Leis­tung, § 76 EStG. In die­sem Zusam­men­hang ist auch fest­zu­stel­len, dass zwei im sel­ben Gesetz gere­gel­te Leis­tun­gen (Kin­der­geld /​ Ener­gie­preis­pau­scha­le) exis­tie­ren. Bei einer der bei­den gibt es eine kon­kre­te Pfän­dungs­re­ge­lung, bei der ande­ren nicht. Auch das spricht nach Ansicht des Gerichts dafür, von der Pfänd­bar­keit der Ener­gie­preis­pau­scha­le auszugehen.

Ob der Gesetz­ge­ber ganz bewusst kei­ne Unpfänd­bar­keit der Ener­gie­preis­pau­scha­le ange­ord­net hat, lässt sich mit den vor­han­de­nen Mate­ria­li­en nach Ansicht des Gerichts nicht auf­klä­ren. Aus­schlie­ßen lässt sich das aber auch nicht. Mög­li­cher­wei­se woll­te der Gesetz­ge­ber lie­ber Gläu­bi­ger als Schuld­ner ent­las­ten, die ja den­sel­ben Preis­stei­ge­run­gen aus­ge­setzt sind und auch auf die Ein­zie­hung ihrer Außen­stän­de ange­wie­sen sein kön­nen. Mög­lich erscheint auch, dass der Gesetz­ge­ber auch die Schul­den­be­glei­chung als Ent­las­tung der Bür­ger ansah.

Nach Allem muss daher nach hier ver­tre­te­ner Ansicht von der Pfänd­bar­keit der Ener­gie­preis­pau­scha­le aus­ge­gan­gen werden.

Letzt­lich könn­te maxi­mal bei Vor­lie­gen der Vor­aus­set­zun­gen des § 765a ZPO eine Voll­stre­ckung ein­ge­schränkt wer­den, wor­auf sich der Schuld­ner vor­lie­gend in sei­nem Antrag auch beru­fen hat. Hier sind jedoch hohe Hür­den zu über­win­den, weil § 765a ZPO nicht per se dafür gedacht ist, der Insol­venz­mas­se zuste­hen­de Beträ­ge zu ent­zie­hen. Auch wären in die­sem Rah­men die Gläu­bi­ger­belan­ge zu berück­sich­ti­gen, bei denen sich die erhöh­ten Ener­gie­kos­ten ja eben­falls nie­der­schla­gen. Vor­lie­gend hat der Schuld­ner inso­weit aber kei­nen Vor­trag gelie­fert, sodass eine Frei­ga­be nach § 765a ZPO hier auch nicht bewil­ligt wer­den kann. Es drängt sich auch nicht auf, dass der Schuld­ner als ange­stell­ter Zahn­arzt sei­ne Exis­tenz nicht sichern kann.

Urteil im Insolenzrecht

BGH, Beschluss vom 7. Sep­tem­ber 2022 – VII ZB 38/​21

Antrag auf Kon­kre­ti­sie­rung einer Aus­kunft nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO!

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BGH, Beschluss vom 7. Sep­tem­ber 2022 – VII ZB 38/​21

Die Ent­schei­dung

Tenor

Ein Antrag des Gläu­bi­gers an das Voll­stre­ckungs­ge­richt auf Kon­kre­ti­sie­rung der von dem Schuld­ner nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO zu ertei­len­den Aus­kunft in dem (Pfän­dungs- und) Über­wei­sungs­be­schluss oder einem die­sen ergän­zen­den Beschluss ist unzulässig.

Der VII. Zivil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat am 7. Sep­tem­ber 2022 durch die Rich­ter Half­mei­er, Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jur­ge­leit sowie die Rich­te­rin­nen Bor­ris und Dr. Brenneisen

beschlos­sen:

Die Rechts­be­schwer­de der Gläu­bi­ge­rin gegen den Beschluss des Land­ge­richts Ber­lin – Zivil­kam­mer 51 – vom 15. Juni 2021 wird auf ihre Kos­ten zurückgewiesen.

Grün­de:

[1] I. Die Gläu­bi­ge­rin betreibt gegen die Schuld­ne­rin die Zwangs­voll­stre­ckung aus einem Kos­ten­fest­set­zungs­be­schluss und der voll­streck­ba­ren Aus­fer­ti­gung eines Tabel­len­aus­zugs nach § 201 Abs. 2 InsO. Auf Antrag der Gläu­bi­ge­rin erließ das Amts­ge­richt – Voll­stre­ckungs­ge­richt – am 21. Okto­ber 2020 einen Pfän­dungs- und Über­wei­sungs­be­schluss, mit dem die fäl­li­gen und künf­tig fäl­li­gen Ansprü­che der Schuld­ne­rin gegen den Dritt­schuld­ner “aus Anwaltsvertrag/​Geschäftsbesorgungsvertrag” sowie Scha­dens­er­satz­an­sprü­che der Schuld­ne­rin aus Anwalts­haf­tung gepfän­det und der Gläu­bi­ge­rin zur Ein­zie­hung über­wie­sen wurden.

[2 ] Mit Schrei­ben vom 18. Janu­ar 2021 hat die Gläu­bi­ge­rin bean­tragt, den Pfän­dungs- und Über­wei­sungs­be­schluss um eine “Anord­nung nach § 836 Abs. 3 ZPO” zu ergän­zen, wonach die Schuld­ne­rin gegen­über dem zustän­di­gen Gerichts­voll­zie­her von der Gläu­bi­ge­rin im Ein­zel­nen vor­ge­ge­be­ne Fra­gen betref­fend die gepfän­de­ten, gegen den Dritt­schuld­ner gerich­te­ten Ansprü­che zu beant­wor­ten und ihre Anga­ben an Eides statt zu ver­si­chern habe. Das Amts­ge­richt – Voll­stre­ckungs­ge­richt – hat den Antrag abge­lehnt. Die hier­ge­gen ein­ge­leg­te Erin­ne­rung der Gläu­bi­ge­rin hat das Amts­ge­richt zurück­ge­wie­sen. Auch ihre gegen die­se Ent­schei­dung erho­be­ne sofor­ti­ge Beschwer­de ist ohne Erfolg geblie­ben. Mit der vom Beschwer­de­ge­richt zuge­las­se­nen Rechts­be­schwer­de ver­folgt die Gläu­bi­ge­rin ihr Anlie­gen weiter.

[3] II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statt­haf­te und auch im Übri­gen zuläs­si­ge Rechts­be­schwer­de ist nicht begründet.

[4] 1. Das Beschwer­de­ge­richt hat, soweit für das Rechts­be­schwer­de­ver­fah­ren von Inter­es­se aus­ge­führt, der Pfän­dungs- und Über­wei­sungs­be­schluss kön­ne nicht um eine Anord­nung ergänzt wer­den, durch die klar­ge­stellt wer­de, wel­che kon­kre­ten Aus­künf­te der Gerichts­voll­zie­her von der Schuld­ne­rin zur Gel­tend­ma­chung der gegen den Dritt­schuld­ner gerich­te­ten For­de­rung ein­zu­ho­len habe.

[5] Kom­me der Schuld­ner sei­ner Aus­kunfts­ver­pflich­tung nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO gegen­über dem Gläu­bi­ger nicht nach, kön­ne die­ser bei dem zustän­di­gen Gerichts­voll­zie­her bean­tra­gen, dass der Schuld­ner die Aus­kunft zu Pro­to­koll des Gerichts­voll­zie­hers erklä­re und an Eides statt ver­si­che­re. Eine Not­wen­dig­keit, den Aus­kunfts­an­spruch des Gläu­bi­gers in dem Pfän­dungs- und Über­wei­sungs­be­schluss voll­streck­bar aus­zu­wei­sen, bestehe nicht. Der Anspruch sei gesetz­li­che Fol­ge der Pfän­dung und Über­wei­sung der For­de­rung und wer­de durch deren kla­re und bestimm­te Beschrei­bung im Pfän­dungs- und Über­wei­sungs­be­schluss gegen­ständ­lich begrenzt und hin­rei­chend bestimmt bezeich­net. Dies gel­te unge­ach­tet des­sen, dass der Gläu­bi­ger gegen­über dem zustän­di­gen Gerichts­voll­zie­her Fra­gen benen­nen kön­ne, deren Beant­wor­tung in sei­nem beson­de­ren Inter­es­se liege.

[6] Soweit das Voll­stre­ckungs­ge­richt nach höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung auf Antrag des Gläu­bi­gers in dem das Haupt­recht pfän­den­den Beschluss die Mit­pfän­dung von Neben­rech­ten klar­stel­lend aus­spre­chen kön­ne, gel­te dies nicht glei­cher­ma­ßen für den Aus­kunfts­an­spruch. Zur Bewir­kung der Her­aus­ga­be von Urkun­den im Wege der Zwangs­voll­stre­ckung sei deren hin­rei­chend bestimm­te Bezeich­nung erfor­der­lich. Die Aus­kunfts­pflicht sei dage­gen durch die kla­re Bezeich­nung der gepfän­de­ten For­de­rung aus­rei­chend bestimmt. Inso­weit erlei­de der Gläu­bi­ger kei­nen Nach­teil. Wei­ge­re sich der Gerichts­voll­zie­her, die von dem Gläu­bi­ger gefor­der­ten Aus­künf­te bei dem Schuld­ner ein­zu­ho­len, kön­ne der Gläu­bi­ger Erin­ne­rung nach § 766 ZPO einlegen.

[7] 2. Das hält recht­li­cher Über­prü­fung stand.

[8] a) Nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist der Schuld­ner auf Grund der Über­wei­sung einer angeb­lich bestehen­den For­de­rung ver­pflich­tet, dem Gläu­bi­ger die zur Gel­tend­ma­chung der For­de­rung nöti­ge Aus­kunft zu ertei­len und die ihm über die For­de­rung vor­han­de­nen Urkun­den her­aus­zu­ge­ben. Die Vor­schrift soll dem Gläu­bi­ger die Ein­zie­hung der For­de­rung beim Dritt­schuld­ner erleich­tern. Die Aus­kunfts- und Her­aus­ga­be­pflicht dient sei­nem Inter­es­se, die zur Durch­set­zung der For­de­rung not­wen­di­gen Infor­ma­tio­nen zu erhal­ten. Der Gläu­bi­ger soll in die Lage ver­setzt wer­den, die Aus­sich­ten einer Dritt­schuld­ner­kla­ge zu über­prü­fen und not­falls eine sol­che exakt bezif­fern kön­nen. Unnö­ti­ge und risi­ko­be­haf­te­te Dritt­schuld­ner­kla­gen sol­len ver­mie­den wer­den (vgl. BGH, Beschluss vom

9. Febru­ar 2012 – VII ZB 49/​10 Rn. 7, BGHZ 192, 314; Beschluss vom

21. Febru­ar 2013 – VII ZB 59/​10 Rn. 5 m.w.N., MDR 2013, 548). Die Aus­kunfts­pflicht bezieht sich auf alle für die Ein­zie­hung der über­wie­se­nen For­de­rung erheb­li­chen Ein­zel­hei­ten, wie etwa Tat­sa­chen zum Grund oder zur Berech­nung der Höhe der For­de­rung oder zur Ent­kräf­tung von Ein­wen­dun­gen des Dritt­schuld­ners. Inhalt und Umfang die­ser Pflicht rich­ten sich inso­weit nach den jewei­li­gen Umstän­den des Ein­zel­falls (Musielak/​Voit/​Flockenhaus, ZPO, 19. Aufl., § 836 Rn. 6; Zöller/​Herget, ZPO, 34. Aufl., § 836 Rn. 10).

[9] b) Zu Recht sind die Vor­in­stan­zen davon aus­ge­gan­gen, dass das Voll­stre­ckungs­ge­richt nicht befugt ist, den Inhalt und Umfang der den Schuld­ner tref­fen­den Aus­kunfts­ver­pflich­tung nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO auf Antrag des Gläu­bi­gers durch Aus­kunfts- oder Offen­ba­rungs­an­ord­nun­gen in dem Über­wei­sungs­be­schluss oder einem die­sen ergän­zen­den Beschluss fest­zu­le­gen. Die Ent­schei­dung, ob eine von dem Gläu­bi­ger begehr­te Aus­kunft zur Gel­tend­ma­chung der For­de­rung gegen­über dem Dritt­schuld­ner nötig ist, obliegt nach dem Gesetz dem Gerichts­voll­zie­her. Der Antrag der Gläu­bi­ge­rin an das Voll­stre­ckungs­ge­richt, den Pfän­dungs- und Über­wei­sungs­be­schluss um einen an den Schuld­ner gerich­te­ten Fra­gen­ka­ta­log zu ergän­zen, ist des­halb unzu­läs­sig (Zöller/​Herget, ZPO, 34. Aufl., § 836 Rn. 15; Stöber/​Rellermeyer, For­de­rungs­pfän­dung, 17. Aufl., B. 264; Stö­ber, MDR 2001, 301, 303, 305; Wer­ten­bruch, DGVZ 2001, 65, 66; Schuschke/​Plücker in Schuschke/​Walker/​Kessen/​Thole, ZPO, 7. Aufl., § 836 Rn. 7, 16 f.; a.A. LG Ver­den, Beschluss vom 31. Mai 2002 – 1 T 54/​02, Jur­Bü­ro 2004, 499; Hor­nung, RPfle­ger 1998, 381, 400; Behr, Jur­Bü­ro 2004, 499, 501; Hint­zen in: Wolf/​Hintzen, Hand­buch der Mobi­li­ar­voll­stre­ckung, 2. Aufl., Teil E Kap A Rn. 58; Steder in: Kel­ler, Hand­buch Zwangs­voll­stre­ckungs­recht, 2013, A. Pfän­dung von For­de­run­gen – All­ge­mein Rn. 347).

[10] aa) Gemäß § 836 Abs. 3 Satz 2 ZPO hat ein Schuld­ner, der sei­ner Aus­kunfts­ver­pflich­tung nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO gegen­über dem Gläu­bi­ger nicht nach­kommt, die Aus­kunft auf Antrag des Gläu­bi­gers zu Pro­to­koll zu geben und sei­ne Anga­ben an Eides statt zu ver­si­chern. Die­ses Ver­fah­ren zur Erlan­gung der nöti­gen Aus­künf­te des Schuld­ners ist im Zuge der 2. Zwangs­voll­stre­ckungs­rechts­no­vel­le (Zwei­tes Gesetz zur Ände­rung zwangs­voll­stre­ckungs­recht­li­cher Vor­schrif­ten vom 17. Dezem­ber 1997, BGBl. I S. 3039 ff.) ein­ge­führt wor­den, um dem Gläu­bi­ger bei Mei­dung eines zeit- und kos­ten­in­ten­si­ven Kla­ge­ver­fah­rens eine beschleu­nig­te Durch­set­zung sei­nes Aus­kunfts­an­spruchs im Rah­men der Zwangs­voll­stre­ckung zu ermög­li­chen (vgl. BT-Drucks. 13/​341, S. 11, 35 zu § 836 Abs. 3 Satz 2 ZPO i.d.F. vom 17. Dezem­ber 1997). Durch das Gesetz zur Reform der Sach­auf­klä­rung in der Zwangs­voll­stre­ckung vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2258) ist die­ses Ver­fah­ren an die zeit­gleich Gesetz gewor­de­nen Vor­schrif­ten betref­fend die Abga­be der Ver­mö­gens­aus­kunft des Schuld­ners (§§ 802a ff. ZPO) ange­passt wor­den, im Kern aber unver­än­dert geblie­ben (vgl. BT-Drucks. 16/​10069, S. 35). Zustän­dig für die Pro­to­kol­lie­rung der Aus­künf­te des Schuld­ners und die sich dar­an anschlie­ßen­de Abnah­me der eides­statt­li­chen Ver­si­che­rung ist nach § 836 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 802e ZPO der Gerichts­voll­zie­her. Die­ser hat nach § 836 Abs. 3 Satz 2 ZPO dar­über zu befin­den, ob eine von dem Gläu­bi­ger begehr­te Aus­kunft zur Gel­tend­ma­chung der über­wie­se­nen For­de­rung im Sin­ne von § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO nötig ist oder nicht (vgl. Wer­ten­bruch, DGVZ 2001, 65, 66 zu § 836 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. §§ 899 ff. ZPO i.d.F. vom 17. Dezem­ber 1997; im Ergeb­nis eben­so: David, MDR 2000, 195, 196 f.; Schuschke/​Plücker in Schuschke/​Walker/​Kessen/​Thole, ZPO, 7. Aufl., § 836 Rn. 17).

[11] Die­se Prü­fung kann erst – nach Erlass des Pfän­dungs- und Über­wei­sungs­be­schlus­ses – auf der Grund­la­ge der Aus­kunft des Schuld­ners zum Bestehen der gepfän­de­ten und über­wie­se­nen angeb­li­chen For­de­rung erfol­gen. Erklärt der Schuld­ner bei­spiels­wei­se, dass die­se For­de­rung nicht besteht, kön­nen sich – je nach den Umstän­den – wei­ter­ge­hen­de Fra­gen erüb­ri­gen. Dem Voll­stre­ckungs­ge­richt, das mit dem Erlass des Pfän­dungs- und Über­wei­sungs­be­schlus­ses erst die Grund­la­ge für den Aus­kunfts­an­spruch nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO schafft und den Schuld­ner vor der Pfän­dung grund­sätz­lich nicht anhört (§ 834 ZPO), ist unbe­kannt, wie sich der Schuld­ner zum Bestehen der angeb­li­chen For­de­rung äußern wird. Es könn­te des­halb nur hypo­the­ti­sche Fra­gen for­mu­lie­ren, deren Bedeu­tung unge­wiss ist. Gera­de das hat der Gesetz­ge­ber nicht gewollt. Er hat viel­mehr ein pra­xis­na­hes Ver­fah­ren geschaf­fen, in dem der Gerichts­voll­zie­her im Rah­men der Pro­to­kol­lie­rung und Abga­be der eides­statt­li­chen Ver­si­che­rung fle­xi­bel und sach­ge­recht auf die Erklä­run­gen des Schuld­ners reagie­ren kann.

[12] Eine Zustän­dig­keit des Voll­stre­ckungs­ge­richts in die­sem Zusam­men­hang wider­sprä­che zudem dem erklär­ten Ziel des Gesetz­ge­bers der 2. Zwangs­voll­stre­ckungs­rechts­no­vel­le, durch die Ver­la­ge­rung von Kom­pe­ten­zen auf die Gerichts­voll­zie­her eine Ent­las­tung der Voll­stre­ckungs­ge­rich­te her­bei­zu­füh­ren (vgl. BT-Drucks. 13/​341, S. 12 f.).

[13] bb) Soweit die Rechts­be­schwer­de meint, es sei gebo­ten, die zur Gel­tend­ma­chung der gepfän­de­ten For­de­rung nöti­gen Aus­künf­te in den Über­wei­sungs­be­schluss oder in einen die­sen ergän­zen­den Beschluss auf­zu­neh­men, um dem Gläu­bi­ger die zwangs­wei­se Durch­set­zung der Aus­kunfts­ver­pflich­tung in dem Ver­fah­ren nach § 836 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu ermög­li­chen, ist die­ser Ein­wand ange­sichts der Sys­te­ma­tik und Zustän­dig­keits­ver­tei­lung des Geset­zes und der sich dar­aus erge­ben­den Kom­pe­ten­zen des Gerichts­voll­zie­hers unbe­grün­det; er ist zudem inhalt­lich unzutreffend:

[14] (1) Die Aus­kunfts­ver­pflich­tung des Schuld­ners nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist – wie das Beschwer­de­ge­richt zu Recht aus­führt – unmit­tel­ba­re gesetz­li­che Fol­ge einer wirk­sa­men Über­wei­sung der gegen den Dritt­schuld­ner gerich­te­ten For­de­rung (vgl. Stö­ber, MDR 2001, 301, 303). Der erlas­se­ne Über­wei­sungs­be­schluss belegt für die­sen Fall, dass dem Gläu­bi­ger hin­sicht­lich der über­wie­se­nen For­de­rung ein ent­spre­chen­der Aus­kunfts­an­spruch gegen den Schuld­ner zusteht, und bil­det neben dem gegen den Schuld­ner gerich­te­ten Voll­stre­ckungs­ti­tel als “ergän­zen­der Titel” die Grund­la­ge für die Durch­set­zung die­ses Anspruchs (vgl. BT-Drucks. 13/​341, S. 35; BT-Drucks. 16/​10069, S. 35; vgl. auch Stö­ber, MDR 2001, 301, 303).

[15] Auch bedarf es für die zwangs­wei­se Durch­set­zung der Aus­kunfts­ver­pflich­tung des Schuld­ners nach § 836 Abs. 3 Satz 2 ZPO kei­ner inhalt­li­chen Prä­zi­sie­rung der zu ertei­len­den Aus­künf­te in dem Über­wei­sungs­be­schluss. Der Aus­kunfts­an­spruch bezieht sich auf die von der Über­wei­sung erfass­te For­de­rung des Schuld­ners gegen den Dritt­schuld­ner. Die­se For­de­rung ist in dem Über­wei­sungs­be­schluss – eben­so wie in dem zugrun­de­lie­gen­den Pfän­dungs­be­schluss – so bestimmt zu bezeich­nen, dass fest­steht, wel­cher Anspruch Gegen­stand der Zwangs­voll­stre­ckung ist (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 25. März 2010 – VII ZB 11/​08 Rn. 9 m.w.N., Jur­Bü­ro 2010, 440 zu Pfän­dungs­be­schlüs­sen). Wird die­sem Erfor­der­nis Rech­nung getra­gen, ist der Gegen­stand der Aus­kunfts­pflicht nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO hin­rei­chend bestimmt (vgl. Stö­ber, MDR 2001, 301, 302, 304).

[16] (2) Zudem besteht kein prak­ti­sches Bedürf­nis für eine “dekla­ra­to­ri­sche” Benen­nung der nöti­gen Aus­künf­te in einem Über­wei­sungs­be­schluss, um dem Gerichts­voll­zie­her eine Ori­en­tie­rungs­hil­fe zu geben (sie­he II. 2. b) aa)).

[17] Es steht dem Gläu­bi­ger, der von dem Schuld­ner die zur Gel­tend­ma­chung der gegen den Dritt­schuld­ner gerich­te­ten For­de­rung nöti­gen Aus­künf­te nicht erhält, außer­dem frei, bei Beauf­tra­gung des Gerichts­voll­zie­hers mit der Durch­füh­rung des Ver­fah­rens nach § 836 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Fra­gen auf­zu­lis­ten, die sei­nes Erach­tens für die Durch­set­zung der über­wie­se­nen For­de­rung erfor­der­lich sind (vgl. David, MDR 2000, 195 f.; HK-ZV/­Bendt­sen, 4. Aufl., § 836 Rn. 20). Zusätz­lich kann er – wie sich aus § 836 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 802f Abs. 4 Satz 2, § 802i Abs. 1 Satz 3 ZPO ergibt – grund­sätz­lich an dem Ter­min zur Abga­be der Aus­kunft und eides­statt­li­chen Ver­si­che­rung durch den Schuld­ner teil­neh­men und dar­auf hin­wir­ken, dass die­ser dem Gerichts­voll­zie­her die aus Sicht des Gläu­bi­gers nöti­gen Aus­künf­te erteilt.

[18] cc) Schließ­lich kann ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Rechts­be­schwer­de aus der Recht­spre­chung des Senats, wonach die von dem Schuld­ner nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO her­aus­zu­ge­ben­den Urkun­den über die über­wie­se­ne For­de­rung auf Ver­lan­gen des Gläu­bi­gers in dem Über­wei­sungs­be­schluss im Ein­zel­nen zu bezeich­nen sind (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2006 – VII ZB 142/​05 Rn. 9, MDR 2007, 50; Beschluss vom 9. Febru­ar 2012 – VII ZB 49/​10 Rn. 19, BGHZ 192, 314; Beschluss vom 21. Febru­ar 2013 – VII ZB 59/​10 Rn. 10, MDR 2013, 548), nicht abge­lei­tet wer­den, dass Ent­spre­chen­des auch für die von dem Schuld­ner an den Gläu­bi­ger zu ertei­len­de Aus­kunft zu gel­ten habe.

[19] Die von der Rechts­be­schwer­de in Bezug genom­me­ne Recht­spre­chung des Senats fin­det ihre Recht­fer­ti­gung dar­in, dass der Her­aus­ga­be­an­spruch des Gläu­bi­gers nach § 836 Abs. 3 Satz 5 i.V.m. § 883 ZPO zu voll­stre­cken ist, sofern der Schuld­ner dem Gläu­bi­ger her­aus­zu­ge­ben­den Urkun­den nicht frei­wil­lig über­gibt. Für die Voll­stre­ckung eines auf bestimm­te Urkun­den gerich­te­ten Her­aus­ga­be­an­spruchs nach § 883 Abs. 1 ZPO ist im Grund­satz aner­kannt, dass sich aus dem der Voll­stre­ckung zugrun­de lie­gen­den Titel im Ein­zel­nen erge­ben muss, wel­che Urkun­den her­aus­zu­ge­ben sind, da es nicht dem Voll­stre­ckungs­or­gan über­las­sen blei­ben kann, aus einer Viel­zahl von im Gewahr­sam des Schuld­ners befind­li­chen Schrift­stü­cken die­je­ni­gen her­aus­zu­su­chen, die von dem titu­lier­ten Leis­tungs­an­spruch des Gläu­bi­gers umfasst sind (vgl. BGH, Urteil vom 26. Janu­ar 1983 – IVb ZR 355/​81, MDR 1983, 650, juris Rn. 10 f.; OLG Cel­le, Beschluss vom 4. April 2014 – 4 W 55/​14, MDR 2014, 1170, juris Rn. 5). Dies erfor­dert es, die von dem Schuld­ner nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO her­aus­zu­ge­ben­den Unter­la­gen in dem Über­wei­sungs­be­schluss im Ein­zel­nen zu benen­nen. Die­se Grund­sät­ze las­sen sich auf den hier maß­geb­li­chen Sach­ver­halt nicht über­tra­gen, da der Aus­kunfts­an­spruch des Gläu­bi­gers aus § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO in dem Ver­fah­ren auf Abga­be einer eides­statt­li­chen Ver­si­che­rung nach § 836 Abs. 3 Satz 2 bis 4 ZPO zwangs­wei­se durch­zu­set­zen ist, in des­sen Rah­men – wie dar­ge­legt (sie­he II. 2. b) aa)) – der Gerichts­voll­zie­her – vor­be­halt­lich einer gericht­li­chen Über­prü­fung – in ähn­li­cher Wei­se wie im Fall von § 802c Abs. 2

Satz 2 ZPO dar­über zu befin­den hat, wel­che Aus­künf­te im Zwei­fel zur Gel­tend­ma­chung der For­de­rung des Gläu­bi­gers erfor­der­lich sind.

[20] III. Die Kos­ten­ent­schei­dung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Urteil im Insolenzrecht

Insol­venz­an­trag und Über­sen­dung durch Rechtsanwalt

Wie ein Insol­venz­an­trag rich­tig ein­ge­reicht wird!

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Sach­ver­halt

AG Essen, Beschluss vom 24.5.2022 – 163 IK 66/​22

Die Ent­schei­dung

Tenor
Der sofor­ti­gen Beschwer­de wird nicht abge­hol­fen und die Akte dem Land­ge­richt Essen zur Ent­schei­dung vorgelegt.

Grün­de
Die Beschwer­de ist zuläs­sig, ins­be­son­de­re form­ge­recht ein­ge­legt wor­den. Schließ­lich ist die Beschwer­de­schrift mit einer ein­fa­chen Signa­tur, in Form der Namens­wie­der­ga­be am Ende der Beschwer­de­schrift, und auf einem siche­ren Über­tra­gungs­weg über­mit­telt worden.

Sie ist jedoch unbe­grün­det. Auch nach erneu­ter Prü­fung der Sach- und Rechts­la­ge hält das Gericht an sei­ner Auf­fas­sung fest. Der Schuld­ner ver­kennt, dass allein die Ein­rei­chung auf einem siche­ren Über­mitt­lungs­weg nicht aus­rei­chend ist. Viel­mehr bedarf es gemäß § 130a Abs. 3 ZPO zusätz­lich einer ein­fa­chen Signa­tur (vgl. BGH, Beschluss vom 08.05.2019 – XII ZB 8/​19; OLG Olden­burg, Beschluss vom 09.12.2020 – 6 W 68/​20; AG Ham­burg, Beschluss vom 21.02.2022 – 67h IN 29/​22), wor­an es hier aber wei­ter­hin fehlt.

Im Übri­gen wird auf den ange­foch­te­nen Beschluss Bezug genommen.

Schließ­lich ver­mag der Schuld­ner auch unter Beach­tung der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung zum Aus­druck eines per Email über­sand­ten PDFs nicht zu reüs­sie­ren (vgl. BGH, Beschluss vom 08.05.2019 – XII ZB 8/​19; Beschluss vom 18.03.2015 – XII 424/​14). Nach die­ser Recht­spre­chung fehlt es zwar an einem Zugang des Schrift­sat­zes gemäß § 130a Abs. 5 ZPO, jedoch erfolgt der Zugang sobald bei dem Gericht ein Aus­druck der den voll­stän­di­gen Schrift­satz ent­hal­ten­den PDF-Datei vor­liegt. Die­ser Aus­druck erfüllt schließ­lich die Schrift­form (vgl. BGH, Beschluss vom 08.05.2019 – XII ZB 8/​19). Indes hat der Gesetz­ge­ber zum 01.01.2022 eine Pflicht für Rechts­an­wäl­te zur Über­mitt­lung von Anträ­gen und Erklä­run­gen als elek­tro­ni­sches Doku­ment in § 130d ZPO kodi­fi­ziert. Dar­aus ergibt sich, dass es im Fal­le eines unwirk­sa­men Ein­gangs i.S.v. § 130a Abs. 5 ZPO nicht zu einem wirk­sa­men Ein­gang durch den Aus­druck des elek­tro­ni­schen Doku­men­tes kommt. Schließ­lich ist für den Rechts­an­walt gemäß § 130d ZPO aus­schließ­lich die elek­tro­ni­sche Über­mitt­lung von Schrift­sät­zen zugelassen.

Eine ande­re Beur­tei­lung ergibt sich auch nicht dar­aus, dass hier der Schuld­ner – wel­cher in der Kom­mu­ni­ka­ti­on mit dem Gericht nicht den Restrik­tio­nen der §§ 130d, 130a ZPO unter­liegt – den Antrag selbst unter­schrie­ben hat. Hier fun­giert der Bevoll­mäch­tig­te des Schuld­ners schon nicht als rei­ner Bote. Der Bevoll­mäch­tig­te hat den Schuld­ner außer­ge­richt­lich und nun­mehr auch gegen­über dem Gericht ver­tre­ten und unter Vor­la­ge der Voll­macht den Antrag ein­ge­reicht. Aus dem Wort­laut des § 130d ZPO ergibt sich, dass nicht nur die durch einen Rechts­an­walt selbst gestell­ten Anträ­ge den Restrik­tio­nen der §§ 130d, 130a ZPO unter­lie­gen, son­dern auch die Anträ­ge des Voll­macht­ge­bers die durch einen Rechts­an­walt dem Gericht über­mit­telt wer­den (vgl. auch Laro­che, NZI 2022, 382 Anm. zu AG Ham­burg, Beschluss vom 21.02.2022 – 67h IN 29/​22).

Soweit der Schuld­ner die Ver­let­zung recht­li­chen Gehörs rügt, ist dem jeden­falls durch das Abhil­fe­ver­fah­ren genü­ge getan.

Stel­lung­nah­me

Urteil im Insolenzrecht

Erzwin­gungs­haft im eröff­ne­ten Insolvenzverfahren

Die Fall­kon­stel­la­ti­on

Das Land­ge­richt Stutt­gart hat sich mit der Fra­ge befasst, ob im Buß­geld­ver­fah­ren eine Erzwin­gungs­haft gemäß § 96 Abs. 1 OWiG zuläs­sig ist, wenn das Insol­venz­ver­fah­ren über das Ver­mö­gen des Betrof­fe­nen eröff­net wor­den ist.

LG Stutt­gart, Beschl. v. 10.06.2020 – 9 Qs 29/​20

Umstrit­te­ne Fra­ge der Erzwin­guns­haft im Insolvenzverfahren

Nach der Ent­schei­dung des Land­ge­richts Stutt­gart ist die Voll­stre­ckung eines Buß­geld­be­schei­des im lau­fen­den Insol­venz­ver­fah­ren gemäß den §§ 89 Abs. 1, 294 Absatz 1 InsO unzu­läs­sig, da das Voll­stre­ckungs­ver­bot des §§ 89 Absatz 1 InsO die Voll­stre­ckung vor Insol­venz­er­öff­nung ent­stan­de­ner Buß­geld­for­de­run­gen mit umfasst. Die Auf­fas­sung des Land­ge­richts Stutt­gart ist, dass § 96 OWiG kei­ne gegen­über insol­venz­recht­li­chen Nor­men vor­ran­gi­ge Son­der­re­ge­lung dar­stellt. Die Zulas­sung der Voll­stre­ckung von vor Insol­venz­er­öff­nung voll­streck­bar gewor­de­nen Geld­bu­ßen gemäß § 96 OWiG läuft daher dem Wort­laut, der Sys­te­ma­tik und der Ziel­set­zung des Geset­zes zuwi­der. Denn § 96 OWiG ist eine Zwangs­voll­stre­ckungs­maß­nah­me im Sin­ne des §§ 89 InsO, kein Beu­ge­mit­tel zur Erzwin­gung der Zah­lung einer Geldbuße.

Ergeb­nis

Die Fra­ge ist umstrit­ten. Das Land­ge­richt Stutt­gart folgt mit sei­ner Ent­schei­dung zahl­rei­chen ande­ren Gerich­ten (vgl. z.B. Land­ge­richt Duis­burg, Beschluss vom 04.06.2014). Zahl­rei­che Stim­men in der Lite­ra­tur und Recht­spre­chung (vgl. Land­ge­richt Pots­dam, in NZI 2016, 652) spre­chen sich jedoch dage­gen aus und sehen in der Erzwin­gungs­haft kei­ne Maß­nah­me der Zwangs­voll­stre­ckung. Folgt man die­ser Rechts­auf­fas­sung wäre im lau­fen­den Insol­venz­ver­fah­ren eine Erzwin­gungs­haft zulässig.Es hängt daher von der Rechts­auf­fas­sung des jewei­li­gen Gerich­tes ab, wie die Ent­schei­dung in einem ent­spre­chen­den Fall ausfällt.

zuletzt aktua­li­siert:

Pri­va­te Kran­ken­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge und Restschuldbefreiung

Die Fall­kon­stel­la­ti­on

Das Insol­venz­ver­fah­ren wur­de über das Ver­mö­gen des Schuld­ners eröff­net. Nach Eröff­nung zahl­te der Schuld­ner sei­ne pri­va­ten Kran­ken­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge nicht. Nach erteil­ter Rest­schuld­be­frei­ung ist der Schuld­ner der Auf­fas­sung, dass die nach Eröff­nung ent­stan­de­nen pri­va­ten Kran­ken­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge von der Rest­schuld­be­frei­ung umfasst sind. Zu Recht?

OLG Köln, Beschluss v. 19.02.2020 – 9 U 233/​19

Haf­tung des Geschäfts­füh­rers bei frag­li­cher Besei­ti­gung der Insolvenzreife

Haf­tung des Geschäfts­füh­rers auch in Zukunft gegen­über einem Neu­gläu­bi­ger auf Grund einer ursprüng­lich ein­ge­tre­te­nen Insol­venz (Zah­lungs­un­fä­hig­keit oder Über­schul­dung), wenn sich die Gesell­schaft erholt?

Der Fall

Der BGH hat in sei­ner Ent­schei­dung vom 19.11.2019 – II ZR 53/​18 über den Fall eines Neu­gläu­bi­ger­scha­dens im Rah­men einer Insol­venz zu ent­schei­den. Dabei stell­te sich die Fra­ge, inwie­weit ein Geschäfts­füh­rer einer Gesell­schaft für den Scha­den eines Ver­trags­part­ners haf­tet, wenn zwar die Gesell­schaft in der Ver­gan­gen­heit insol­vent war, aber im Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses mit dem Gläu­bi­ger ein Insol­venz­grund auf Grund der Erho­lung der Gesell­schaft nicht mehr vorlag.

Ent­schei­dung des BGH zur Haf­tung des Geschäftsführers

Die Ent­schei­dung des BGH ver­langt ein­deu­tig, dass es auf den Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses ankommt. Da es sich bei einer Insol­venz­ver­schlep­pung um ein Dau­er­de­likt han­delt, müs­sen deren objek­ti­ve und sub­jek­ti­ve Vor­aus­set­zun­gen zum Zeit­punkt des Geschäfts­ab­schlus­ses noch vorliegen.

Ergeb­nis

Der kla­gen­de Neu­gläu­bi­ger muss­te daher bewei­sen, dass ein Insol­venz­grund noch im Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses vor­lag. Er konn­te nicht pau­schal dar­auf ver­wei­sen, dass die Insol­venz bereits in der Ver­gan­gen­heit ein­mal ein­ge­tre­ten war. In sei­ner Ent­schei­dung zeigt der BGH jedoch auf, wie dem Neu­gläu­bi­ger die­ser Nach­weis mög­lich ist. So gilt nach der Recht­spre­chung der Nach­weis im Zeit­punkt des Geschäfts­ab­schlus­ses bei rela­tiv zeit­nah erteil­ten Auf­trä­gen als geführt. Ein zeit­li­cher Zusam­men­hang von 9 Mona­ten bis zu einem Jahr reicht hier­für aus. In die­sem Fall muss der Geschäfts­füh­rer dar­le­gen und bewei­sen, dass im Zeit­punkt der Auf­trags­er­tei­lung z. B. eine Über­schul­dung nach­hal­tig besei­tigt und damit die Antrags­pflicht ent­fal­len war.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen erhal­ten Sie auf unse­rer Inter­net­sei­te Haf­tung des Geschäfts­füh­rers und Insol­venz­ver­schlep­pung.

Urteil im Insolenzrecht

Gerichts­stand für Ansprü­che aus §§ 130a, 177a HGB, § 64 GmbHG

Bei wel­chem Gericht muss ein Insol­venz­ver­wal­ter kla­gen, wenn er Ansprü­che aus §§ 130a, 177a HGB gel­tend machen will?

All­ge­mein

Der Bun­des­ge­richts­hof BGH, Beschl. v. 6. 8. 2019 – X ARZ 317/​19 muss­te sich mit der Fra­ge beschäf­ti­gen, bei wel­chem Gericht er Scha­dens­er­satz­an­sprü­che gegen dich Geschäfts­füh­rer einer GmbH & Co. KG gemäß § 177a und § 130a HGB gel­tend machen kann.

Im zu ent­schei­den­den Fall gab es zwei Geschäfts­füh­rer, die in unter­schied­li­chen Orten wohn­ten. Hier bean­trag­te der Insol­venz­ver­wal­ter bei Gericht, dass ein gemein­sa­mes Gericht als zustän­dig erach­tet wird. Denn er woll­te nicht zwei unter­schied­li­che Kla­gen füh­ren son­dern die Geschäfts­füh­rer gemein­schaft­lich an einem Gericht verklagen.

Der Bun­des­ge­richts­hof hat die­sen Antrag zurück­ge­wie­sen, da sowie­so ein ein­zi­ges Gericht, und zwar das Gericht der Gesell­schaft zustän­dig ist. Der Anspruch gegen die Geschäfts­füh­rer, basie­rend auf § 64 S. 1 GmbHG oder § 130 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 HGB gestütz­ter Anspruch basie­ren auf den Beson­der­hei­ten des organ­schaft­li­chen Ver­hält­nis­ses zwi­schen der Gesell­schaft und dem Geschäfts­füh­rer. Pas­siv legi­ti­miert sind daher nur Per­so­nen, die recht­lich oder fak­tisch als Geschäfts­füh­rer fun­giert haben. Vor die­sem Hin­ter­grund ist daher ein auf § 64 Abs. 1 GmbHG oder § 130 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 HGB gestütz­ter Anspruch aus den­sel­ben Grün­den wie ein Anspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG als Anspruch aus einem Ver­trags­ver­hält­nis im Sin­ne von § 29 Abs. 1 ZPO anzusehen.
Maß­geb­lich ist daher der Erfül­lungs­ort. Für den Erfül­lungs­ort des Anspruchs ist grund­sätz­lich der Ort, an dem die Gesell­schaft ihren Sitz hat, maßgeblich.

Ergeb­nis:

Die Ent­schei­dung des Bun­des­ge­richts­hofs macht die Fra­ge der Kla­ge­er­he­bung für die Insol­venz­ver­wal­ter ein­fa­cher. Sie kön­nen ohne Schwie­rig­kei­ten nun­mehr meh­re­re Geschäfts­füh­rer an einem Ort, d. h. am Ort der Gesell­schaft verklagen.

Hier fin­den Sie wei­ter Infor­ma­tio­nen zu § 64 GmbHG.