In die Berechnung der Beschäftigungsdauer im Sinne von § 622 Abs. 2 S. 1 BGB sind auch Zeiten einzubeziehen, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen. § 622 Abs. 2 S. 2 BGB ist mit Unionsrecht unvereinbar. Wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts ist die Vorschrift für nach dem 2.12.2006 erklärte Kündigung nicht anzuwenden.
BAG 09.09.2010 — 2 AZR 714/08
Das Arbeitsrecht zählt zu den wichtigsten Rechtsgebieten des deutschen Rechts.
Der Kläger hat eine Kündigung erhalten. Nach dem Arbeitsvertrag, unter Bezugnahme auf Arbeitsbedingungen der katholischen Kirche, war er unkündbar. Er machte dies jedoch nicht in erster Instanz bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung geltend. Erst in der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht kam er auf die Idee, diesen Unwirksamkeitsgrund der Kündigung vorzutragen. Grundsätzlich war dieser Vortrag verspätet! Der Kläger muss in einem Kündigungsschutzprozess bis zum Ende der mündlichen Verhandlung erster Instanz alle Unwirksamkeitsgründe gemäß § 6 KSchG vortragen. Den Kläger rettete jedoch ein Verfahrensfehler des Arbeitsgerichts. Dieses hatte auf die Pflicht zur Benennung aller Unwirksamkeitsgründen bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht hingewiesen. Daher konnte sich der Kläger auch noch in der Berufung auf die Unwirksamkeit seiner Kündigung wegen ordentliche Unkündbarkeit berufen. Aufgrund des Verfahrensfehlers wurde die Sache an das Arbeitsgericht zurückverwiesen. LAG Rheinland-Pfalz 10.02.2011 — 2 Sa 557/10
Nach dem Bundesarbeitsgericht geht eine gegenüber einem Geschäftsunfähigen abzugebende Willenserklärung (hier Kündigung) nur dann wirksam zu, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht. Ein Zugang beim gesetzlichen Vertreter i.S.v. § 131 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass die Willenserklärung nicht nur zufällig in dessen Herrschaftsbereich gelangt ist, sondern auch an ihn gerichtet oder zumindest für ihn bestimmt ist. Die Willenserklärung muss mit dem erkennbaren Willen abgegeben werden, dass sie den gesetzlichen Vertreter erreicht.
BAG 28.10.2010 — 2 AZR 794/09
Hat der Arbeitgeber das Recht, vom Arbeitnehmer nach Ablauf der gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeit den auch zur privaten Nutzung überlassenen Dienstwagen herauszuverlangen?
Das Bundesarbeitsgericht bejaht dies. Der Arbeitnehmer hat kein vertragliches Recht, den Dienstwagen auch nach Ablauf der Entgeltfortzahlungzeit zu nutzen. Die Gebrauchsüberlassung ist regelmäßig im Arbeitsvertrag als zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung vereinbart. Im Fall der Krankheit erlischt die Überlassungspflicht des Arbeitgebers mit Ablauf der Entgeltfortzahlung hat.
BAG 14.12.2010 — 9 AZR 631/09
Anm.: Entsprechendes gilt für den Fall der gesetzlichen Elternzeit. Wollen die Parteien etwas anderes vereinbaren, müssen sie dies eindeutig im Arbeitsvertrag regeln.
Das BAG hatte die Frage zu entscheiden, ob eine Kündigung bei mehrjähriger Freiheitsstrafe möglich ist.
Der Entscheidung lag der Sachverhalt zu Grunde, dass ein Arbeitnehmer am Arbeitsplatz von der Polizei verhaftet wurde, jedoch am nächsten Tag wieder zur Arbeit erschien. Nach ca. einem Jahr teilte der Arbeitnehmer mit, dass er eine über zweijährige Haftstrafe antreten müsse. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis wegen “anhaltender Abwesenheitszeiten durch Freiheitsentziehung” ordentlich. Diese Kündigung wurde Gegenstand einer Kündigungsschutzklage.
Das Arbeitsgericht wies zunächst die Klage ab; das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat in der Berufung die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Das Bundesarbeitsgericht hob die Entscheidung des LAG auf und stellte die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung fest.
Kündigung bei mehrjähriger Freiheitsstrafe
Nach dem BAG kommen als personenbedingte Gründe zur Kündigung solche Umstände in Betracht, die auf eine in den persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers liegenden “Störfälle” beruhen. Dazu zählt auch eine Arbeitsverhinderung, die auf einer Straf — oder Untersuchungshaft beruht. Auf ein mögliches Resozialisierungsinteresse des straffällig gewordenen Arbeitnehmers muss Rücksicht genommen werden. Daher kann nicht jede Freiheitsstrafe ohne Rücksicht auf ihre Dauer und ihre Auswirkungen zum Verlust des Arbeitsplatzes führen. Auch wenn der Arbeitgeber im Fall der haftbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers von der Lohnzahlungspflicht befreit ist, liegt jedenfalls dann ein personenbedingter Grund zur Kündigung vor, wenn der Arbeitnehmer eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen hat und nicht absehbar ist, ob und gegebenenfalls wann er vorzeitig aus der Haft entlassen wird. Eine Kündigung bei mehrjähriger Freiheitsstrafe bei über 2 Jahren Haft ist also möglich.
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Nach dem LAG Hamm ist der Missbrauch von Zeiterfassungsgeräten geeignet, den Ausspruch einer fristlosen Kündigung zu rechtfertigen, ohne dass es darauf ankommt, ob hierin zugleich ein strafrechtlich relevanter Betrug zu sehen ist.
LAG Hamm 22.07.2010 — 8 Sa 319/10
Nach 23 Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes genießen Arbeitnehmer in Betrieben, in denen in der Regel nur zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt sind, keinen Kündigungsschutz. Die darin liegende Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern größerer und kleinerer Betriebe verstößt nicht gegen Art. 3 GG. Sie ist sachlich gerechtfertigt, weil Kleinbetriebe typischerweise durch enge persönliche Zusammenar- beit, geringere Finanzausstattung und einen Mangel an Verwaltungskapazität geprägt sind. Auch wenn ein Unternehmer mehrere Kleinbetriebe unterhält, werden die Zahlen der dort Beschäftigten nicht automatisch zusammengerechnet, wenn es sich tatsächlich um organisatorisch hinreichend verselbstständigte Einheiten und deshalb um selbstständige Betriebe handelt. Es ist aber sicherzustellen, dass damit aus dem Geltungsbereich des Gesetzes nicht auch Einheiten größerer Unternehmen herausfallen, auf die die typischen Merkmale des Kleinbetriebs (enge persönliche Zusammenarbeit etc.) nicht zutreffen. Das wiederum ist nicht stets schon dann der Fall, wenn dem Betrieb auch nur eines dieser typischen Merkmale fehlt. Maßgebend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls.
Die Beklagte beschäftigte an ihrem Sitz in Leipzig mindestens acht, an ihrem Standort Hamburg sechs Arbeitnehmer. Im Januar 2006 setzte sie in Hamburg einen vor Ort mitarbeitenden Betriebsleiter ein, den sie — wie sie behauptet hat — bevollmächtigte, dort Einstellungen und Entlas- sungen vorzunehmen. Der Kläger war in der Betriebsstätte Hamburg seit 1990 als Hausmeister und Haustechniker tätig. Ein vergleichbarer Arbeitnehmer wurde im Jahr 2003 eingestellt, ist deutlich jünger als der Kläger und — anders als dieser — keiner Person zum Unterhalt verpflichtet. Im März 2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unter Berufung auf betriebliche Gründe. Die Vorinstanzen haben der Klage wegen unzureichender Sozialauswahl stattgegeben. Das LAG hat das Kündigungsschutzgesetz für anwendbar gehalten, weil die Kapi- talausstattung der Beklagten nicht gering gewesen sei und ihr Geschäftsführer in Hamburg nicht mitgearbeitet habe. Die Revision der Beklagten war vor dem Zweiten Senat des BAG erfolgreich. Sie führte zur Zurückverweisung der Sache an das LAG. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist es im Streitfall nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, beide Betriebstätten auch dann als einheitlichen Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne anzusehen, wenn sie organisatorisch selbstständig sind. Ob dies zutrifft, bedarf weiterer Feststellungen durch das LAG.
BAG, Urt. v. 28.10.2010 — 2 AZR 392/08 — Pressemitteilung des BAG Nr. 83/10
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