OLG Dresden, Urteil vom 9.8.2022 – 4 U 243/22
Sachverhalt
Leitsätze
- Die Speicherfristen der InsoBekVO sind für die Frage, wie lange die Information über die
Erteilung der Restschuldbefreiung in einem Bonitätsinformationssystem vorgehalten werden
darf, nicht heranzuziehen. - Die Entscheidung hängt vielmehr von einer Abwägung im Einzelfall ab, die auf Seiten des
Betroffenen die konkrete und nachvollziehbare Darlegung von Umständen des Einzelfalls
verlangt, die ihn von sonstigen Schuldnern, denen eine Restschuldbefreiung erteilt worden
ist, unterscheidet.
OLG Dresden, 4. Zivilsenat, Urteil vom 9. August 2022, Az.: 4 U 243/22
Urteil
I.
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Löschung personenbezogener
Daten aus der Datenbank der Beklagten.
Der Kläger ist als selbstständiger Unternehmer tätig. Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft
und betreibt ein Bonitätsinformationssystem, welches auf der Sammlung, Speicherung,
Verarbeitung und Weitergabe von Wirtschaftsdaten natürlicher und juristischer Personen
aufbaut. Diese Daten sollen insbesondere Kreditgeber vor Verlusten im Kreditgeschäft mit
potentiellen Kreditnehmern schützen. Bei Auskünften über potentielle Vertragspartner ihrer
Kunden bildet die Beklagte für diese Vertragspartner aufgrund der über sie gespeicherten
Daten einen Score-Wert, der etwas über die Bonität aussagen soll. Die Beklagte speichert
auch die im länderübergreifenden Internetportal unter
„www.insolvenzbekanntmachungen.de“ (nachfolgend nur „öffentliches Register“)
veröffentlichten Informationen in ihrer eigenen Datenbank und stellt sie zum Abruf durch
Dritte bereit.
Im Jahr 2014 wurde über das Vermögen des Klägers ein Insolvenzverfahren eröffnet. Am
20.08.2019 meldete der Kläger ein (Neben-)Gewerbe an. Nach Ablauf der
Wohlverhaltensphase am 16.03.2020 wurde dem Kläger Restschuldbefreiung erteilt. Diese
Information wurde im öffentlichen Register veröffentlicht und von dort von der Beklagten
unmittelbar – entsprechend ihrer üblichen und standardisierten Arbeitsweise – erhoben.
Nach den für die Beklagte geltenden Verhaltensregeln (Code of Conduct), die zwischen dem
Verband „Die W…… e.V.“, dessen Mitglied die Beklagte ist, und den
Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder abgestimmt und auf Antrag des
Branchenverbands von der zuständigen Aufsichtsbehörde genehmigt worden sind, ist dieser
Datensatz noch bis zum 15.3.2023 bei der Beklagten abrufbar.
Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 15.07.2020 auf, die Information über die
Erteilung der Restschuldbefreiung nicht mehr Dritten zu überlassen, da er einen
Löschungsanspruch nach 6 Monaten – gleichlaufend zur Bekanntmachungsdauer in den
Insolvenzregistern – aus der DS-GVO habe. Dies wies die Beklagte mit Schreiben vom
16.07.2020 zurück, sie lehnte eine Löschung der ihr vorliegenden Informationen vor Ablauf der dreijährigen Speicherfristen ab.
Der Kläger behauptet, er habe infolgedessen zahlreiche wirtschaftlich vorteilhafte Verträge
nicht erhalten. So habe seine Bank die Gewährung eines Kreditvertrages abgelehnt, den er
für die Sanierung des von ihm mit notariellem Vertrag vom 3.6.2020 zum Preis von 15.000,-
EUR erworbenen Hausgrundstücks benötige, so dass er weiterhin erhebliche Mietzahlungen
für ein von ihm und seiner Familie bewohntes Haus leisten müsse. Ferner sei ihm ein KfWKredit, den er für sein Unternehmen pandemiebedingt erhalten hätte, von seiner Hausbank
wegen des Eintrags verwehrt worden. Er sei in seiner wirtschaftlichen Betätigung durch die
Eintragung stark eingeschränkt, da er keine Gewerberäume anmieten könne, und erleide in
seiner Wettbewerbsfähigkeit Nachteile, da er die von potentiellen Auftragsgebern verlangte
Bankbürgschaft nicht erhalte, u.a. habe er einen Radlader nur gegen Kautionszahlung
anmieten können. Auch einen Mobilfunkvertrag habe er nur gegen Kautionszahlung
abschließen können. Der Abschluss einer günstigen privaten Krankenversicherung und einer
Risikolebensversicherung sei wegen des bei der Beklagten gespeicherten Eintrags
fehlgeschlagen. Er verfüge aus seiner selbstständigen Tätigkeit über ein erhebliches
Einkommen in Höhe von rund 4.000,- EUR monatlich; dies werde auch durch den Abschluss
eines notariellen Kaufvertrages vom 11.03.2021 belegt, mit dem er Grundstücke für ein
Bauprojekt zur Alterssicherung zum Preis von 17.750,- EUR erworben habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner hiergegen gerichteten
Berufung wiederholt und vertieft er unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des OLG
Schleswig seine Rechtsansicht.
Er beantragt,
das Urteil des Landgerichts Chemnitz, Az 42365/21 vom 30.12.2021,
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
- die in Ihrem elektronischen Datenbestand (Computer) gespeicherten
Informationen: „Aus den öffentlichen Verzeichnissen der
Insolvenzgerichte stammt die Information, dass zu dem unter dem Az.
15 IN1269 – 14PL209112 geführten Insolvenzverfahren die Erteilung der
Restschuldbefreiung am 18.3.2020 mitgeteilt wurde.”, zu löschen, - den Score-Wert des Klägers in der Weise wieder unverzüglich
herzustellen, als habe es die unter dem Antrag unter 1) vorgenommene
Speicherung nicht gegeben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres
bisherigen Vorbringens und unter Verweis auf die hierzu bislang ergangene
Rechtsprechung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt
Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu
Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Löschung der
Eintragung seiner Restschuldbefreiung aus Artikel 17 Abs. 1 lit. a), c) oder d) DS-GVO.
Weder war die Speicherung der Daten und der weiteren Verarbeitung durch die Beklagte von
Anfang an unrechtmäßig, noch ist die weitere Verarbeitung der Daten für die Zwecke, für die
sie erhoben wurden, nicht mehr notwendig.Bei der Erhebung, Speicherung und (potentiellen) Weitergabe der Informationen über den
Kläger handelt es sich um eine Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Beklagte
gemäß Art. 4 DS-GVO. Diese ist “Verantwortliche” im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DS-GVO. Der
Kläger hat unstreitig keine Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 lit. a) DS-GVO) erteilt und die Beklagte
nimmt auch keine Aufgabe im öffentlichen Interesse oder in Ausübung öffentlicher Gewalt
wahr (Art 6 Abs. 1 lit. e) DS-GVO).Die Verarbeitung der klägerbezogenen Informationen über das Eintreten der
Restschuldbefreiung durch die Beklagte war jedoch rechtmäßig gem. Art 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO.
Ob die 6‑Monats-Frist des § 3 InsoBekVO – die hier zum 16.09.2020 abgelaufen ist – eine
gesetzliche Grundlage für die Datenverarbeitung auch nichtöffentlicher Stellen darstellt,
bedarf insofern keiner Entscheidung. Die bis zum 16.03.2023 befristete Datenverarbeitung
durch die Beklagte ist bereits nach Art 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO zulässig (so im Grundsatz
auch: OLG Oldenburg, vom 23.11.2021 – 13 U 63/21, – juris; OLG Köln, Urteil vom
27.01.2022 – 15 U 153/21, – juris; KG, Urteil vom 15.02.2022 – 27 U 51/21, ‑juris; OLG
Stuttgart, Urteil vom 10.08.2022 – 9 U 24/22 – Anlage BB Bekl.; Thüsing/Flink/Rombey, NZI
2021, 951, beck-online; entgegen OLG Schleswig, Urteil vom 02.07.2021, 17 U 15/21, – juris
und vom 03.06.2022 ‑17 U 5/22 -, juris; Möller/Zerhusen, ZVI 2022, 98; Brzoza, jurisPR-InsR
15/2022 Anm. 3 zu OLG Schleswig, a.a.O.). Nach dieser Vorschrift ist eine
Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung berechtigter Interessen des
Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen, Grundrechte
und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten
erfordern, überwiegen.
a) Die auf den Kläger bezogenen Informationen werden von der Beklagten zur Wahrung
berechtigter Interessen verarbeitet. Als berechtigtes Interesse kommt dabei jedes rechtliche,
tatsächliche, wirtschaftliche oder ideelle Interesse in Betracht (OLG Schleswig, Urteil vom
02.07.2021, Az. 17 U 15/21, – juris m.w.N.). Nach ihrem Geschäftszweck sammelt, speichert
und verarbeitet die Beklagte bonitätsrelevante Informationen über Personen. Die
Datenverarbeitung dient sodann dazu, ihren Kunden diese Informationen im Vorfeld von
Vertragsverhandlungen oder bei Abschluss von Verträgen zur Verfügung zu stellen, damit
diese einschätzen können, ob es bei potentiellen Vertragspartnern möglicherweise zu
Zahlungsschwierigkeiten kommt. Das eigene Interesse der Beklagten stellt sich als
wirtschaftliches Interesse im Sinne einer möglichst umfassend vollständigen Datenbank mit
möglichst vielen bonitätsrelevanten Daten zu möglichen Schuldnern dar (vgl. Brzoza,
jurisPR-InsR 15/2022 Anm. 3). Zwar erkennt Erwägungsgrund (4) S. 2 ausdrücklich an, dass
die unternehmerische Freiheit bei der Abwägung zu berücksichtigen ist. Ob die zur
Erreichung ihrer eigenen Geschäftsziele vorgenommene Datenverarbeitung für sich
genommen aber bereits die Annahme eines zugunsten der Beklagten als Verantwortliche
bestehenden berechtigten Interesses rechtfertigt, kann hier offenbleiben, da jedenfalls die
Interessen ihrer Vertragspartner, zutreffende und objektive Auskünfte über Kunden zu
erhalten, um deren Kreditwürdigkeit bzw. wirtschaftliche Risiken bei der
Geschäftsanbahnung oder ‑durchführung beurteilen zu können, als berechtigte Interessen
eines „Dritten“ im Sinne der Vorschrift anzuerkennen sind.
b) Entgegen der vom OLG Schleswig (Urteil vom 02.07.2021, a.a.O.) vertretenen Auffassung
sind insbesondere die berechtigten Interessen der Vertragspartner der Beklagten als „Dritte“
im Rahmen der nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO gebotenen Abwägung neben den
wirtschaftlichen Interessen der Beklagten maßgeblich zu berücksichtigen. Die
Bonitätsauskünfte der Beklagten erfolgen an Unternehmen, die entweder Kredite vergeben
oder auf andere Weise gegenüber ihren potenziellen Vertragspartnern in Vorleistung gehen
und sich damit dem Risiko eines Zahlungsausfalls aussetzen. Die Mitteilung, zu welchem
Zeitpunkt eine Restschuldbefreiung erteilt wurde, ist schon deshalb von besonderem
Interesse zur Bewertung der Bonität, da feststeht, dass der Schuldner jedenfalls zu diesem
Zeitpunkt nachweislich vermögenslos war. Durch die Restschuldbefreiung wird zudem
belegt, dass der Schuldner fällige Forderungen in einem Zeitraum von immerhin sechs
Jahren nicht begleichen konnte, obwohl er verpflichtet war, alles Mögliche zu unternehmen,
um seine Schulden in der Wohlverhaltensphase gemäß §§ 287b, 295 InsO abzuzahlen; auch
das hat wiederum nach der Markteinschätzung gewisse Relevanz für die Bewertung seiner
heutigen Kreditwürdigkeit, die nichts anderes ist als eine reine Prognoseentscheidung durch
den Kreditgeber (so auch OLG Oldenburg, a.a.O., OLG Köln, a.a.O.). Hinzu kommt, dass bei
restschuldbefreiten Verbrauchern das Risiko von Zahlungsausfällen in den ersten drei
Jahren ca. drei bis sechsmal größer ist als beim Rest der Bevölkerung (vgl. Nachweise bei
Thüsing/Flink/Rombey, a.a.O.). Die Auskünfte sind zum Ausgleich einer
Informationsdisparität erforderlich, die zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer herrscht.
Andernfalls wären die Kreditgeber ausschließlich auf die Eigenangaben potentieller
Kreditnehmer angewiesen. Vergleichbare Erwägungen lassen sich für den Fall des privaten
oder gewerblichen Vermieters anstellen, der Informationen über die Bonität eines
potenziellen Mieters benötigt oder für Vertragspartner, die – wie im Baugewerbe üblich -
regelmäßig in Vorleistung gehen und das Risiko von Zahlungsausfällen abschätzen wollen.
c) Zwar steht zum Zeitpunkt der Speicherung regelmäßig nicht fest, ob und gegebenenfalls
wer konkrete vertragliche oder vorvertragliche Beziehungen zum Kläger eingehen wird und
daher an der Erteilung der Information über die Restschuldbefreiung interessiert sein könnte.
Die oben dargestellte Interessenlage tritt allerdings im Fall der Kreditgewährung oder auch
bei sonstigen Vertragsgestaltungen mit Vorleistungspflicht regelmäßig und typischerweise
auf. Auch ohne dass ein zukünftiger Vertragspartner des Klägers namentlich feststünde und
der Inhalt eines konkret abzuschließenden Vertrages bekannt wäre, ist daher das berechtigte
Interesse eines Kreditgebers an der Erteilung der Informationen bereits derzeit hinreichend
sicher feststellbar. Da die Beklagte die Daten ausschließlich einem fest definierten Kreis von
Vertragspartnern auf konkrete Nachfrage und nach Geltendmachung eines berechtigten
Interesses zur Verfügung stellt, rechtfertigt das typische Interesse eines bestimmbaren
Personenkreises in der Situation einer Kreditgewährung oder eines beabsichtigten
Vertragsschlusses das Vorhalten der Informationen, auch wenn das konkrete Interesse eines
namentlich bekannten Geschäftspartners der Beklagten noch nicht absehbar ist. Es ist daher
nicht erforderlich, dass derjenige Dritte, der die Auskunft über die Erteilung der
Restschuldbefreiung im eigenen Interesse begehrt, bereits bekannt ist. Hinzu kommt, dass
der Begriff des berechtigten Interesses weit zu verstehen ist, weshalb auch keine
überspannten Anforderungen an die Bestimmtheit des Interesses und die Konkretisierung
des Inhabers des jeweiligen Interesses gestellt werden dürfen (so auch OLG Köln, a.a.O.;
OLG Oldenburg, a.a.O.; OLG Stuttgart, a.a.O.; Thüsing/Flink/Rombey, a.a.O.).
d) Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Erteilung von zutreffenden
Bonitätsauskünften – unter anderem durch die Beklagte -, die auf der Speicherung und
Übermittlung von Informationen über das Vorliegen von früheren oder gegenwärtigen
Zahlungsstörungen einschließlich der Erteilung von Restschuldbefreiungen beruhen, für die
Kreditvergabe und somit für das Funktionieren der Wirtschaft von erheblicher Bedeutung ist
und daher im Allgemeininteresse liegt. Denn indem die Beklagte potentiellen Kreditgebern
bzw. Anbietern von Verträgen mit kreditrelevanten Inhalten Zugang zu nicht durch die
Betroffenen gefilterten Informationen ermöglicht, trägt sie zur Aufrechterhaltung eines
Marktumfeldes bei, in dem überhaupt vergleichsweise leicht zugängliche Verträge mit
kreditrelevanten Angeboten angeboten werden können, weil sich die Anbieter schnell und
unbürokratisch ein Bild von einem großen Kundenstamm machen können. Dass
Datenbanken zur Beurteilung der Kreditfähig- und ‑würdigkeit von Verbrauchern zweckmäßig
und sinnvoll sein können wird auch durch Art. 8 der Richtlinie 2008/48/EG
(Verbraucherkredit-RL) belegt, die die Vergabe von Verbraucherkrediten unter die
Voraussetzung einer auch datenbankgestützten Kreditwürdigkeitsprüfung stellt, wenngleich
dies nicht zwingend durch den nationalen Gesetzgeber umzusetzen ist (so auch OLG Köln,
a.a.O.; OLG Stuttgart, a.a.O.).
e) Das auf Seiten der Beklagten bestehende berechtigte Interesse an der Verarbeitung von
Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung ist auch nicht nach Ablauf der in
§ 3 InsoBekVO für die öffentliche Bekanntmachung vorgesehenen Frist von sechs Monaten
ohne weiteres entfallen. Das in Art. 6 Abs. 1 DS-GVO europarechtlich normierte berechtigte
Interesse an der Datenverarbeitung wird durch die Anordnung einer Speicherfrist in § 3
InsoBekVO als nationales Recht, das überdies allein für öffentliche Bekanntmachungen im
Insolvenzverfahren gilt, nicht näher konkretisiert und beschränkt.
Das OLG Köln, dessen nachstehend zitierten überzeugenden Erwägungen sich der Senat
zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, hat hierzu ausgeführt:
„© Entgegen dem Standpunkt des Oberlandesgerichts Schleswig (a.a.O., NZI 2021,
794 mit insofern zust. Anm. Gutowski; zustimmend auch Brzoza, jurisPR-InsR
16/2021 Anm. 2) und dem des Verwaltungsgerichts Wiesbaden (a.a.O., BeckRS
2021, 24583) ist bei der Interessenabwägung nicht maßgeblich (auch) auf die
gesetzlichen Wertungen aus § 3 InsoBekV abzustellen, wonach Eintragungen über
die Erteilung der Restschuldbefreiung in den öffentlichen
Insolvenzbekanntmachungen im Internet schon nach sechs Monaten zu löschen sind.
Es ist – diese Sechs-Monats-Frist wäre hier unstreitig abgelaufen – auch nicht allein
deswegen das Interesse der Kunden der Beklagten nicht (mehr) “berechtigt” und die
weitere Datenverarbeitung/-vorhaltung durch die Beklagte damit quasi automatisch
durch Zeitablauf rechtswidrig geworden.
Das könnte man zwar argumentativ darauf stützen, dass man mit längeren
Löschfristen im privaten Bereich nur das in diesen gesetzlichen Vorgaben für die
öffentliche Hand zum Ausdruck kommende Ziel konterkarieren würde, einem
Schuldner nach der Wohlverhaltensperiode und der Erteilung der Restschuldbefreiung
einen möglichst einfachen “Neustart” zu ermöglichen. Mit Heyer (ZVI 2021, 291)
könnte man mit einer einheitlichen Lesart auch eine Art “Rechtseinheitlichkeit“
zwischen Insolvenz- und Datenschutzrecht herstellen und würde zudem vermeiden,
dass es nach Wegfall der staatlichen Veröffentlichung der Informationen noch zu einer
Art “Vorratsdatenhaltung” durch Private in einer “Parallelhaltung” von Daten für
längere Zeiträume kommen würde. Doch tragen diese Argumente allesamt nicht:
(aa) Unmittelbar ist die gesetzliche Regelung auf Eintragungen in der Datenbank der
Beklagten ohnehin schon nicht anwendbar, denn die in der Vorschrift angeordnete
Speicherfrist betrifft allein öffentliche Bekanntmachungen im Insolvenzverfahren (so
auch OLG Oldenburg, a.a.O., GRUR-RS 2021, 35540 Rn. 18).
(bb) Eine analoge Anwendung scheidet schon mit Blick auf die fehlende (planwidrige)
Regelungslücke aus. Die Parteien diskutieren im Verfahren selbst die Überlegungen
des nationalen Gesetzgebers, die deutlich gegen einen (sei es auch nur “mittelbaren”)
Regelungswillen und/oder eine planwidrige Regelungslücke sprechen: Denn in der
letzten Legislaturperiode sah ein früher Referentenentwurf zu § 301 Abs. 5 InsO-RefE
eine ausdrückliche gesetzliche Regelung hinsichtlich kurzer Speicherfristen von
Auskunfteien vor. Nachdem dagegen u.a. gerade europarechtliche Bedenken laut
geworden waren (Thüsing/Flink/Rombey, NZI 2020, 611 ff.), hat man bewusst von
einer solchen Regelung abgesehen (BT-Drs. 19/25322, 5, 7) und allein eine
Evaluierungsklausel in Art. 107a Abs. 1 S. 2 EGInsO ins Gesetz aufgenommen.
Angesichts dessen kann es schon methodisch selbst nur mit Blick auf das nationale
Recht nicht angehen, nunmehr aus dieser Norm allgemeingültige Aussagen auch für
Auskunfteien abzuleiten, mit denen man den offenkundigen “Nicht-Regelungs-Willen“
des Gesetzgebers unterlaufen würde (zutreffend Thüsing, EWiR 2021, 437, 438).
Soweit das Oberlandesgericht Schleswig (a.a.O., NZI 2021, 794) demgegenüber
ausgeführt hat, dass gerade mangels gesetzlicher Regelung (in Ausfüllung der
gesetzlichen Öffnungsklauseln aus Art. 23 Abs. 1 lit. i und lit. j DSGVO usw.) die
gesetzliche Grundwertung aus § 3 InsoBekV allein maßgeblich bleibe, trägt auch dies
nicht, zumal die so herangezogene Frist dann sogar noch kürzer wäre als diejenige in
dem bewusst verworfenen Entwurf (Jahresfrist).
Das weitere Argument des Oberlandesgerichts Schleswig (a.a.O., NZI 2021, 794), die
fehlende Fortschreibung von expliziten gesetzlichen Regelungen zu Auskunfteien wie
in den früheren §§ 28, 29, 35 BDSG a.F. könne nicht unberücksichtigt bleiben und
habe wohl auch einen Paradigmenwechsel mit sich gebracht, trägt ebenfalls nach
Auffassung des Senats keine andere Sichtweise: Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO kann
abstrakt die Datenverarbeitung in Abwägung der widerstreitenden Interessen
durchaus rechtfertigen – was auch das Oberlandesgericht Schleswig zumindest für die
ersten sechs Monate nicht in Abrede stellt. Auch sonst können aber die zu den
früheren – auf Basis der damals noch geltenden Datenschutzrichtlinie RL 95/46/EG zu
verstehenden – Regelungen aus dem BDSG aF erkennbaren Wertungs- und
Leitentscheidungen regelmäßig mittelbar bei der Abwägung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit f.
DSGVO eine Rolle spielen. So hat der Senat für Bewertungsportale etwa die
Rechtsprechung zu § 29 BDSG aF weitgehend fortschreiben können, weil es letztlich
nicht zu einer substantiellen Veränderung des Prüfungsmaßstabs gekommen und
vielmehr bei einer umfassenden Einzelfallabwägung geblieben ist (Senat, Urt. v.
14.11.2019 – 15 U 126/19, BeckRS 2019, 28523 – bestätigt durch BGH VI ZR 489/19).
Nichts anderes gilt auch hier, zumal schon früher mit Blick u.a. auf Art. 6 Abs. 1 lit. e
der RL 95/46/EG keine dauerhafte Datenverarbeitung ohne Obergrenzen zulässig war
und sich allein durch die Tatsache, dass sich die Ermächtigungsgrundlage dogmatisch
von §§ 28, 29 BDSG aF nunmehr auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO verschoben hat, an
der Ausgangssituation und dem Abwägungsgebot nichts geändert hat. Dann aber
spricht nichts dagegen, wie bisher auch Fristen über sechs Monaten noch
(typisierend) bei der Interessenabwägung als angemessen anzusehen – zumal Art. 17
Abs. 1 lit c., 21 Abs. 1 DSGVO eine interessengerechte Abmilderung im Einzelfall
erlauben.
Ungeachtet dessen sprechen im Übrigen auch entscheidende systematische
Argumente gegen eine entsprechende Anwendung des § 3 InsoBekV und/oder eine
nur mittelbare Auswirkung der nationalen Regelung zu den Löschfristen in öffentlichen
Insolvenzbekanntmachungen bei der Anwendung der DSGVO: Wie das Landgericht
Gießen (Urt. v. 4.10.2021 – 5 O 457/20, BeckRS 2021, 29339) zutreffend ausgeführt
hat, überzeugt es schon per se nicht, zur Auslegung der europarechtlichen Regelung
in Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO auf Regelungen im nationalen Recht zurückzugreifen (so
auch Thüsing, EWiR 2021, 437 f.), soweit es – was hier nicht der Fall ist – nicht
zumindest um eine klare, eindeutige und transparente Inanspruchnahme der
gesetzlichen Öffnungsklauseln (auch) zu Art. 17 DSGVO etwa in Art. 23 lit. i und j
DSGVO geht. Letztlich würden so nur erheblichen Ungleichheiten Tür und Tor
geöffnet, wenn in den verschiedenen Mitgliedsstaaten (zufällig) unterschiedliche
Löschfristen für Insolvenzbekanntmachungen geregelt wären. Mögen auch über Art.
23 lit. i und j DSGVO unterschiedliche nationale Regelungen zugelassen sein, wäre
dazu zumindest eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung vonnöten, an der es
hier aber gerade fehlt.
(cc) Auch eine nur mittelbare Berücksichtigung des Regelungsgehalts des § 3
InsoBekV innerhalb der Abwägung bei Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO – die das
Oberlandesgericht Schleswig wohl eher vor Augen hatte, weil es die Berechtigung
eines Interesses in Zweifel zieht, wenn dieses “der Rechtsordnung im weitesten Sinne
zuwiderlaufen” würde (OLG Schleswig a.a.O., Rn. 35, 40) – scheidet aus. Auch
insofern schließt sich der Senat den Ausführungen des Oberlandesgericht Oldenburg
(a.a.O., GRUR-RS 2021, 35540) an.
Zum einen streiten dagegen ebenfalls die gerade angesprochenen dogmatischsystematischen Bedenken. Zum anderen fehlt es richtigerweise auch an der Vergleichbarkeit der gesetzlich geregelten mit der hier vorliegenden Situation: Sowohl hinsichtlich der personellen als der inhaltlichen Reichweite der jeweiligen Datenverarbeitung sind die Sachverhalte nicht vergleichbar. Auf der Internetplattform (Insolvenzbekanntmachungsregister) sind die dort enthaltenen Eintragungen – bei denen es letztlich auch um staatliche Eingriffe geht – für jedermann kostenfrei und
ohne Registrierung bzw. ohne Darlegung eines berechtigten Interesses abzurufen. Es
besteht also ohne weiteres die Möglichkeit, nach den Namen beliebiger Nachbarn,
Bekannten oder Kollegen zu suchen und in Erfahrung zu bringen, ob diese von einem
Insolvenzverfahren betroffen sind. Nach einer Frist von zwei Wochen ab der
Veröffentlichung ist zwar bei Verbraucherinsolvenzen noch die Eingabe weiterer
Parameter (Sitz des Insolvenzgerichts sowie Familienname oder Wohnsitz des
Schuldners oder Aktenzeichen des Insolvenzgerichts) erforderlich. Insgesamt bleibt es
jedoch auch unter Berücksichtigung dessen dabei, dass eine Einsicht durch beliebige
Dritte jedenfalls ohne große Schwierigkeiten letztlich schon aus reiner Neugier
erfolgen kann. Vor dem Hintergrund dieser leichten Abrufbarkeit ist es aber fast
zwingend, dass der Gesetzgeber hier eine (enge) Höchstfrist für die Speicherung von
nur sechs Monaten vorgesehen hat.
Eine damit vergleichbare Situation ist bei der Speicherung und Verarbeitung von
Daten durch die Beklagte nicht gegeben. Diese erteilt nur ihren Vertragspartnern
(Banken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken, Kreditkarten‑, Factoring- und
Leasingunternehmen etc.) und auch diesen erst bei “berechtigtem Interesse“
Auskünfte, wobei ein solches “berechtigtes Interesse” unter anderem vorliegt, wenn
ein Unternehmen gegenüber dem betreffenden Schuldner mit einer Dienstleistung
oder einer Lieferung in Vorleistung geht und damit ein wirtschaftliches Risiko trägt.
Damit ist zum einen der Kreis an potentiellen Auskunftsberechtigten gegenüber
demjenigen der Plattform Internetadresse 1 deutlich geringer und zum anderen wird
eine Auskunft von der Beklagten als privatrechtlicher juristischer Person an diesen
personell geringeren Kreis nur in bestimmten Konstellationen, nämlich bei einer
finanziellen Vorleistung gegenüber dem Schuldner, aufgrund eines erkennbaren
Interesses erteilt. Da der Gesetzgeber bei § 3 InsoBekV eine solche Konstellation
ersichtlich nicht vor Augen hatte, kann nach Ansicht des Senats auch nicht
dahingehend argumentiert werden, dass die im “J” enthaltene Regelung der
gesetzgeberischen Intention zuwiderlaufen würde. Der Senat verkennt dabei aber
ausdrücklich nicht, dass gerade in den Fällen, in denen eine (entgeltliche) Auskunft
der Beklagten eingeholt wird, oft für die Betroffenen besonders wichtige
“Grundlagenentscheidungen” (wie etwa Kreditvertrag, Miete usw.) anstehen und die
Datenverarbeitung in solcherart “kritischen” Situationen besonders belastend wirken
mag. Indes zeigt dies aber im Gegenzug gerade auch das berechtigte Interesse der
“Dritten”, so dass die These etwa des Verwaltungsgerichts Wiesbaden (a.a.O.,
BeckRS 2021, 24583), dass im Falle einer zunächst zulässigen Speicherung der
Daten aus öffentlichen Registern bei Wirtschaftsauskunfteien dann “höchstens“
dieselben Speicher- und Löschfristen gelten dürfen, wie in den öffentlichen Registern,
unter dem Regime des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gerade nicht überzeugt. …“
(OLG Köln, Urteil vom 27. Januar 2022 – 15 U 153/21 –, Rn. 38 – 47, juris)
f) Entsprechend den Vorgaben der DS-GVO (Erwägungsgrund Nr. 39) muss die Speicherfrist
für personenbezogene Daten auf das unbedingt erforderliche Mindestmaß beschränkt
bleiben und sollte der Verantwortliche Fristen für ihre Löschung oder regelmäßige
Überprüfung vorsehen. Der von der Beklagten vorgelegte code of conduct (Anlage B1) sieht
bei personenbezogenen Daten, denen Veröffentlichungen zu Insolvenzverfahren zugrunde
liegen, eine Löschung nach drei Jahren vor (Ziff. II 2. b). Auf Basis dieser Regelung ist die
Speicherung und weitere Verarbeitung der Daten des Klägers beanstandungsfrei, da die
maßgebliche 3‑Jahres-Frist noch nicht abgelaufen ist.
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Speicherung ist aber auf den code of conduct
nicht entscheidend abzustellen. Denn dieser gewährt als Verhaltensregel i. S. d. Art. 40 Abs.
1 DS-GVO keine eigenen Rechte, sondern dient lediglich als Ermessensleitlinie für die
ordnungsgemäße Anwendung der DS-GVO (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O., m.w.N.) sowie zur
Präzisierung der Interessen der Verantwortlichen (VG Wiesbaden, Beschluss vom
11.01.2021 – 6 K 1045/20 = ZD 2021, 230, Rn. 5; Thüsing/Fink/Rombey, a.a.O.). Aus dem
bloßen Verweis auf Verhaltensregeln in Art. 40 DS-GVO ergibt sich keine gesetzliche
Legitimation. Deren allgemeinen Gültigkeit würde nach Art. 40 Abs. 9 DS-GVO einen
Beschluss der europäischen Kommission voraussetzen, der hier aber nicht ersichtlich ist.
Der code of conduct wurde lediglich nach Art. 40 Abs. 5 DS-GVO durch die zuständige
Behörde genehmigt. Die notwendige Abwägung ist daher selbstständig unter
Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Umstände jedes Einzelfalls durchzuführen und
lässt sich nicht durch einen allgemeinen Verweis auf die Speicher- und Löschungsfristen in
den Verhaltenskodex ersetzen. Dies wird auch durch die Verhaltensregeln selbst bestätigt,
die entsprechend der Regelung in Ziff. I eine besondere Prüfung im Einzelfall nicht
ausschließen und jedenfalls im Falle eines Widerspruchs des Betroffenen als geboten
ansehen.
g) Mangels konkreter Regelungen und Höchstfristen zur Dauer einer Speicherung von
personenbezogenen Daten in der DS-GVO ist die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der
Speicherung der Informationen über die Restschuldbefreiung anhand einer im jeweiligen
Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung zu beurteilen. Die Abwägung, die auf der
Tatsachengrundlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu treffen ist, ergibt
hier, dass die Beklagte nicht zu einer (vorzeitigen) Löschung des Eintrags über die
Restschuldbefreiung verpflichtet ist. Dem Kläger ist vielmehr zuzumuten, weitere sieben
Monate bis zum Ablauf der regelmäßigen dreijährigen Speicherfrist am 16.03.2023
abzuwarten.
Zwar lassen die Schreiben der Beklagten, mit denen sie auf das Löschungsbegehren des
Klägers reagierte, nicht erkennen, dass sie – wie in den Verhaltensregeln vorgesehen – eine
individuelle Prüfung des Einzelfalls vorgenommen hätte. Dies ist aber unschädlich. Die vom
Kläger mit Schreiben vom 15.07.2020 vorgetragenen Gründe gebieten ebenso wie sein
Tatsachenvorbringen im gerichtlichen Verfahren eine Löschung des Eintrags vor Ablauf der
Drei-Jahresfrist nicht. Im Ergebnis der Abwägung überwiegen vielmehr die auf Seiten der
Kunden der Beklagten bestehenden Interessen an der Erteilung von Informationen über die
Restschuldbefreiung die zugunsten des Klägers bestehenden schutzwürdigen Interessen.
Der Kläger hat keine sich aus seiner besonderen Situation ergebenden Gründe gegen die
weitere Verarbeitung dargelegt. Denn hierunter fallen nur atypische, besonders
schutzwürdige persönliche Interessen, die im Rahmen der pauschalierenden, typisierenden
Abwägung des Privatheitsinteresses gegen das Auswertungsinteresse nach Art. 6 Abs. 1 e)
oder f) DS-GVO keine Berücksichtigung finden können, also konkrete Umstände des
Einzelfalls, die eine besondere Schutzwürdigkeit des Betroffenen begründen (Paal/Pauly,
Martini, Art. 21 DS-GVO, Rn. 30).
Dass der Kläger aufgrund des Eintrags über die erfolgte Restschuldbefreiung bei seiner
wirtschaftlichen Betätigung Nachteile erleidet, weil potentielle Kunden nach Kenntnis der
früheren Insolvenz von einer Beauftragung absehen, Lieferanten nur gegen Vorkasse bzw.
Kautionszahlung in Vertragsbeziehungen mit ihm treten und er keine für seine geschäftliche
Tätigkeit erforderlichen Kredite erhält, begründet bereits keine erheblichen Umstände des
Einzelfalles, die den Kläger von sonstigen Schuldnern, denen eine Restschuldbefreiung
erteilt wurde, unterscheiden. Es handelt sich dabei vielmehr gerade um die typischen Folgen
früheren, nicht vertragsgemäßen Zahlungsverhaltens.
Es fehlt überdies auch an der konkreten und nachvollziehbaren Darlegung, in welcher
wirtschaftlichen Tätigkeit er durch den streitgegenständlichen Eintrag eingeschränkt ist. So
hat er zwar bereits nach Anmeldung seines Nebengewerbes am 20.08.2019 offensichtlich
erhebliche Einkünfte erzielt, wie einerseits der vorgelegten BWA zum 31.12.2019 zu
entnehmen ist und anderseits durch den Umstand belegt wird, dass er bereits rund 3 Monate
nach Erteilung der Restschuldbefreiung ein Hausgrundstück erwerben konnte. Dies belegt
aber auch, dass er in seinem wirtschaftlichen Handeln offensichtlich nicht einmal während
der laufenden Wohlverhaltensphase vor Erteilung der Restschuldbefreiung in erheblichem
Maße eingeschränkt war und es ihm danach gelungen ist, innerhalb kürzester Zeit nicht ganz
unerhebliche finanzielle Mittel anzusparen. Es erschließt sich daher nicht, aus welchem
Grund er gerade aufgrund des Eintrags zur Restschuldbefreiung bei seiner gewerblichen
Tätigkeit Wettbewerbsnachte erlitten haben will, zumal er offensichtlich schon knapp ein Jahr
später im März 2021 über genügend finanzielle Mittel verfügte, um Grundstücke für ein
Bauprojekt zur Alterssicherung zu erwerben. Gleiches gilt hinsichtlich seiner angeblichen
Schwierigkeiten bei der Auftragsannahme und ‑umsetzung wegen fehlender Möglichkeit,
eine Bankbürgschaft stellen zu können. Die Behauptung des Klägers, gerade infolge des
Eintrags der Restschuldbefreiung habe ein Baumaschinenverleiher von ihm eine
Kautionsleistung gefordert, ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Beklagte hierzu
unwidersprochen auf die Branchenüblichkeit solcher Kautionszahlungen hingewiesen hat,
ein Zusammenhang mit dem Eintrag der Restschuldbefreiung nicht belegt oder sonst wie
ersichtlich ist und die Kautionsleistung der Höhe nach keine besonderen Schwierigkeiten für
den Geschäftsbetrieb des Klägers aufweisen sollte. Auch soweit der Kläger darauf verweist,
dass ihm seine Hausbank die Gewährung eines KfW-Kredits für sein Unternehmen
verweigert habe, fehlt es an der Darlegung eines konkreten Bezugs zu dem Eintrag der
Restschuldbefreiung bei der Beklagten. Die Beklagte hat insoweit nachvollziehbar dargelegt,
dass ein derartiger Kredit – unabhängig von dem Eintrag – wegen fehlender Voraussetzungen
bzw. aus anderen Gründen nicht gewährt werde, überdies sei davon auszugehen, dass die
Bank des Klägers von dem früheren Insolvenzverfahren und dem Eintritt der
Restschuldbefreiung ohnehin Kenntnis gehabt habe. Der Kläger ist diesen Einwänden nicht
substantiiert entgegengetreten. Gleiches gilt für die angeblichen Schwierigkeiten bei der
Anmietung bzw. Pacht von Gewerberäumen. Der Kläger hat hierzu lediglich das Schreiben
eines Verpächters mit dem Hinweis darauf vorgelegt, er möge eine Schufa-Auskunft
nachreichen. Dass die Verpachtung wegen des Eintrags gescheitert wäre, wird hierdurch
nicht belegt. Darüber hinausgehende Bemühungen des Klägers zur Anmietung von
Gewerberäumen werden bereits nicht vorgetragen. Soweit er ausführt, dass er über ein
erhebliches Einkommen aus seiner Gewerbeausübung auch nach der Erteilung der
Restschuldbefreiung verfüge, ist unverständlich, dass es ihm nicht gelungen ist, potentielle
Geschäftspartner von seiner Kreditwürdigkeit zu überzeugen und allein die Information über
die Erteilung der Restschuldbefreiung ihn kreditunwürdig erscheinen lässt.
Unbeschadet dessen ist es aber auch nicht Zweck der Erteilung der Restschuldbefreiung,
dass der Schuldner wieder am Wirtschaftsleben teilnehmen kann, als ob es das
Insolvenzverfahren gar nicht gegeben hätte. Der Umstand, dass einer Person die
Restschuldbefreiung erteilt wurde, hat einen unmittelbaren Bezug zu ihrer
Zahlungsunfähigkeit oder ‑unwilligkeit (vgl. Gola DSGVO/Schulz, 2. Aufl. 2018, DSGVO Art.
6 Rn. 125/126). U.a. wird hieraus für die Gläubiger ersichtlich, dass es dem Schuldner trotz
Erfüllung seiner Erwerbsobliegenheit (§ 287b InsO) nicht möglich war, im Rahmen des
Insolvenzverfahrens die Forderungen der Insolvenzgläubiger zu erfüllen. Im vorliegenden
Fall kommt hinzu, dass es nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens 2014 zu keiner
Verkürzung der Wohlverhaltensphase kam; es dem Kläger demnach während der Insolvenz
nicht einmal gelungen ist, Einkünfte in einer Höhe zu erzielen, die es ihm ermöglicht hätten,
zumindest die Verfahrenskosten abzutragen. Der Kläger kann nicht verlangen, einer Person
gleichgestellt zu werden, die niemals von einer Insolvenz betroffen war. Ein solches
Interesse ist nicht schutzwürdig und kann deshalb auch nicht offensichtlich das Interesse von
zukünftigen Geschäftspartnern an der Überprüfung der Kreditwürdigkeit ihrer Schuldner
überwiegen. Für potentielle Geschäftspartner des Schuldners ist es im Rahmen der
Bonitätsprüfung wichtig zu erfahren, ob bei dem Schuldner die Gefahr besteht, wieder
insolvent zu werden. Für die Einschätzung dieser Gefahr kann die Erteilung der
Restschuldbefreiung ein nicht unerhebliches Indiz sein (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urt. v.
14.12.2015, Rn. 16, juris). Wäre die Beklagte zur Löschung der streitgegenständlichen
Einträge verpflichtet, würde sie ihren Vertragspartnern die Auskunft geben, dass ihr keine
Kenntnisse über Unzuverlässigkeiten des Klägers bei der Begleichung von Forderungen aus
den letzten drei Jahren vorliegen, was jedoch nicht zutreffend wäre (vgl. LG Hamburg, Urteil
vom 23. Juli 2020 – 334 O 161/19 –, Rn. 28, juris).
Die behaupteten Schwierigkeiten und Einschränkungen bei der privaten Lebensführung
gehen ebenfalls nicht über das Maß hinaus, das dem Kläger zumutbar ist und begründen
nicht seine besondere Schutzwürdigkeit. Der Kläger hat bereits während der
Wohlverhaltensphase einen Mietvertrag abschließen können. Dass die Verweigerung eines
Sanierungskredits für die Wohnimmobilie auf dem Eintrag der Restschuldbefreiung beruht,
ist bereits nicht nachgewiesen, zumal die Bank hierüber bereits informiert gewesen sein
dürfte. Dem Schuldner ist es überdies nach Auffassung des Senats zumutbar, den Erwerb
und die Sanierung von Wohneigentum bis zum Ablauf der Löschfrist zurückzustellen und
während dieser Zeit seine Eigenkapitalbasis zu stärken. Dieselben Erwägungen gelten für
die behauptete Verweigerung der Eröffnung eines eigenen Girokontos. Die Weigerung einer
Versicherung, eine private Krankenversicherung sowie eine Risikolebensversicherung
abzuschließen und das Verlangen nach einer – der Höhe nach moderaten – Kautionszahlung
bei Abschluss eines Mobilfunkvertrages ist zumindest innerhalb des Regelspeicherzeitraums
von drei Jahren selbst dann kein unzumutbarer Nachteil, wenn sie auf dem
streitgegenständlichen Eintrag beruhen sollten. Die Wiedereingliederung und Teilhabe des
Klägers am allgemeinen Wirtschaftsleben wird dadurch nicht in erheblicher Weise
eingeschränkt.
Der mit dem Antrag zu 2) geltend gemachte Anspruch auf Neuberechnung des sog.
Score-Wertes, der im Wege der Auslegung dahin zu verstehen ist, dass der Kläger keine
statische Berechnung, sondern vielmehr die Verpflichtung der Beklagten erreichen will,
seinen Score-Wert jeweils ohne Berücksichtigung der gelöschten Eintragungen neu zu
ermitteln, ist ebenfalls unbegründet, da die angegriffenen Daten rechtmäßig gespeichert
werden (s.o.) und damit auch bei der Ermittlung des Score-Wertes weiterhin berücksichtigt
werden dürfen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 1 ZPO zur Klärung der Frage zuzulassen, ob sich aus
der Frist des § 3 InsoBekVO eine Bindung auch für die Beklagte ergibt. Diese Frage stellt
sich über den Einzelfall hinaus in einer Vielzahl von Fällen und ist deshalb für die
Allgemeinheit von besonderer Bedeutung. Darüber hinaus erfordert die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.
Der Streitwert wurde gem. § 3 ZPO festgesetzt.
Stellungnahme
Die Frage der Löschung der Erteilung der Restschuldbefreiung z. B. bei der SCHUFA ist zwischen den Obergerichten sehr umstritten. Auf der einen Seite vertritt das OLG die Auffassung, dass ein Anspruch auf Löschung 6 Monate nach Ablauf des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung besteht. In der hier aufgeführten Entscheidung vertritt das OLG Dresden die gegenteilige Auffassung. Eine Auswertung dieser Entscheidungen finden sie in unserem Beitrag:
Schufalöschung 6 Monate nach Restschuldbefreiung.