Archiv für das Monat: Juni, 2011
Dienstwagennutzung und Arbeitsunfähigkeit
Hat der Arbeitgeber das Recht, vom Arbeitnehmer nach Ablauf der gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeit den auch zur privaten Nutzung überlassenen Dienstwagen herauszuverlangen?
Das Bundesarbeitsgericht bejaht dies. Der Arbeitnehmer hat kein vertragliches Recht, den Dienstwagen auch nach Ablauf der Entgeltfortzahlungzeit zu nutzen. Die Gebrauchsüberlassung ist regelmäßig im Arbeitsvertrag als zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung vereinbart. Im Fall der Krankheit erlischt die Überlassungspflicht des Arbeitgebers mit Ablauf der Entgeltfortzahlung hat.
BAG 14.12.2010 – 9 AZR 631/09
Anm.: Entsprechendes gilt für den Fall der gesetzlichen Elternzeit. Wollen die Parteien etwas anderes vereinbaren, müssen sie dies eindeutig im Arbeitsvertrag regeln.
Insolvenzantragsrecht einzelner Vorstandsmitglieder
Sieht eine Satzung vor, dass zwei Vorstandsmitglieder nur gemeinsam Vertretungsberechtigt sind, ist trotzdem jedes Vorstandsmitglied auch allein zur Insolvenzantragstellung gemäß § 42 Abs. 2 BGB berechtigt und verpflichtet. “Der Zweck der Antragspflicht – Schutz des Geschäftsverkehrs – würde leerlaufen, wenn im Fall der Gesamtvertretung ein Antrag als unzulässig angesehen würde. ” Geschützt ist die Gesellschaft dadurch, dass gemäß § 15 Abs. 2 InsO der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht werden muss und die übrigen Mitglieder des Vertretungsorgans anzuhören sind.
AG Göttingen 01.10.2010 74 IN 204/10
Insolvenzantrag durch Konkurrenten
Der BGH hat seine Rechstsprechung bestätigt, dass das Rechtsschutzinteresse für einen Insolvenzantrag zwar fehlt, wenn der Antrag allein zu dem Zweck gestellt wird, einen Konkurrenten aus dem Wettbewerb zu entfernen. Erstrebt der Gläubiger aber auch zugleich eine quotale Befriedigung einer Forderung, “kann ihm das Rechtsschutzinteresse nicht versagt werden”.
Will der Schuldner einen Insolvenzantrag eines Konkurrenten zum Scheitern bringen, muss er, ggfls. mit der sofortigen Beschwerde, glaubhaft machen, dass keine Forderung besteht und/oder kein Eröffnungsgrund besteht.
BGH 19.05.2011 – IX ZB 214/10
Unterlassene Offenlegung der Abtretungserklärung
Der BGH hatte einen in der Praxis häufig anzutreffenden Fall zu entscheiden:
Der Schulder bittet im Insolvenzverfahren den Treuhänder die Abtretung der pfändbaren Beiträge am Gehalt gegenüber dem Arbeitgeber nicht offenzulegen, weil eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses befürchtet wird. Der Treuhänder kommt dieser Bitte nach. Der Schuldner erhält dann sein volles Nettoeinkommen vom Arbeitgeber und führt sein pfändbares Einkommen dann an den Treuhänder ab. So weit so gut. Aber was passiert, wenn das pfändbare Einkommen falsch – und wie immer zu niedrig – berechnet ist? Kann ein Gläubiger die Versagung der Restschuldbefreiung beantragen?
Der BGH nimmt die Treuhänder in die Pflicht. Wenn diese auf die Offenlegung der Abtretung verzichten, müssen sie monatlich den pfändbaren Anteil am Einkommen berechnen und den Schuldner auffordern, diesen zu zahlen. Kommen der Treuhänder seiner Pflicht zur Neuberechnung nicht nach, und zahlt der Schuldner den ihm mitgeteilten Betrag, ist die falsche Zahlung nicht dem Schuldner anzulasten. Nach § 295 I Nr. 3 InsO führt nur das “Verheimlichen” von Bezügen zur Versagung der Restschuldbefreiung. Letzteres war im vorliegenden Fall aber noch nicht ganz klar. Ob der Trainer einer Eishockey- Bundesligamannschaft seinen Treuhänder rechtzeitig von seinen erhöhten Nettobezügen informiert hat, muss nun geklärt werden. Entscheident ist, ob die Informationen geflossen sind, bevor sein Verhalten aufgedeckt und ein Versagungsantrag gestellt worden ist.
Wie der Fall zeigt, ist die Nichtoffenlegung der Abtretung für Schuldner wie Treuhänder riskant. Der Schuldner riskiert bei nicht rechtzeitiger Mitteilung von Einkommensverbesserungen seine Restschuldbefreiung; der Treuhänder macht sich bei pflichtwidriger Berechnung u.U. schadensersatzpflichtig.
BGH 07.04.2011 – IX ZB 40/10
Kündigung bei mehrjähriger Freiheitsstrafe
Das BAG hatte die Frage zu entscheiden, ob eine Kündigung bei mehrjähriger Freiheitsstrafe möglich ist.
Der Entscheidung lag der Sachverhalt zu Grunde, dass ein Arbeitnehmer am Arbeitsplatz von der Polizei verhaftet wurde, jedoch am nächsten Tag wieder zur Arbeit erschien. Nach ca. einem Jahr teilte der Arbeitnehmer mit, dass er eine über zweijährige Haftstrafe antreten müsse. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis wegen “anhaltender Abwesenheitszeiten durch Freiheitsentziehung” ordentlich. Diese Kündigung wurde Gegenstand einer Kündigungsschutzklage.
Das Arbeitsgericht wies zunächst die Klage ab; das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat in der Berufung die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Das Bundesarbeitsgericht hob die Entscheidung des LAG auf und stellte die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung fest.
Kündigung bei mehrjähriger Freiheitsstrafe
Nach dem BAG kommen als personenbedingte Gründe zur Kündigung solche Umstände in Betracht, die auf eine in den persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers liegenden “Störfälle” beruhen. Dazu zählt auch eine Arbeitsverhinderung, die auf einer Straf – oder Untersuchungshaft beruht. Auf ein mögliches Resozialisierungsinteresse des straffällig gewordenen Arbeitnehmers muss Rücksicht genommen werden. Daher kann nicht jede Freiheitsstrafe ohne Rücksicht auf ihre Dauer und ihre Auswirkungen zum Verlust des Arbeitsplatzes führen. Auch wenn der Arbeitgeber im Fall der haftbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers von der Lohnzahlungspflicht befreit ist, liegt jedenfalls dann ein personenbedingter Grund zur Kündigung vor, wenn der Arbeitnehmer eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen hat und nicht absehbar ist, ob und gegebenenfalls wann er vorzeitig aus der Haft entlassen wird. Eine Kündigung bei mehrjähriger Freiheitsstrafe bei über 2 Jahren Haft ist also möglich.
BAG 25.11.2010 – 2 AZR 984/08
Weitere Informationen zur Kündigung im Arbeitsverhältnis erhalten Sie hier.
BFH v. 28.02.2011 – VII B 224/10
zuletzt bearbeitet am: 6. November 2022 von RA Dirk Tholl
Sachverhalt
Ein Antrag des Finanzamts auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann beim Finanzgericht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (einstweilige Anordnung nach § 114 FGO) überprüft werden. Im vorliegenden Fall hatte der Schuldner eine Ratenzahlungsvereinbarung nicht eingehalten.
(vgl BFH v. 28.02.2011 – VII B 224/10)
Die Entscheidung
I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) erzielt Einkünfte aus einer gewerblichen Zimmervermietung. Aufgrund von Einkommen- und Umsatzsteuerrückständen, die im Jahr 2009 57.472,19 EUR betrugen, brachte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt –FA–) mehrere Pfändungs- und Einziehungsverfügungen aus, die jedoch ins Leere gingen. Weitere Vollstreckungsmöglichkeiten vermochte das FA trotz diesbezüglicher Nachforschungen nicht ausfindig zu machen. Zunächst vorgenommene Sachpfändungen wurden in der Folgezeit wieder aufgehoben. Am 19. Januar 2010 traf der Antragsteller mit dem FA eine Ratenzahlungsvereinbarung. Danach sollte er den Zahlungspflichten hinsichtlich neu festgesetzter Einkommensteuer-Vorauszahlungen nachkommen und die Umsatzsteuer nach ordnungsgemäßer Buchhaltung quartalsweise zeitnah begleichen. Zudem sollte er alle vierzehn Tage Raten in Höhe von 1.000 EUR leisten und eine eidesstattliche Versicherung abgeben. Die geforderte Versicherung gab der Antragsteller am 1. Februar 2010 ab, jedoch ergab sich daraus kein wesentliches pfändbares Vermögen.
Zum 21. Juli 2010 betrugen die Rückstände noch 42.548,39 EUR. Nach einem Vermerk der Vollstreckungsstelle hatte der Antragsteller die vereinbarten vierzehntägigen Raten unabgesprochen auf einen Betrag von 500 EUR reduziert. Eine Reduzierung der Ratenhöhe lehnte das FA ab; den dagegen eingelegten Einspruch wies es als unbegründet zurück. In der Einspruchsentscheidung gab es zu erkennen, dass eine Aussetzung der Vollziehung nach § 258 der Abgabenordnung (AO) nicht in Betracht komme. Den Rückkaufswert einer Lebensversicherung –die aus dem Vermögensverzeichnis nicht ersichtlich war– nahm das FA mit einem Betrag von 500 EUR an. Zudem erkannte das FA, dass zugunsten des Antragstellers noch ein Schmerzensgeldanspruch bestehen könnte. Am 22. Juli 2010 stellte das FA beim Amtsgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers. In der Anhörung wies dieser darauf hin, dass die Gewinnermittlung für 2007 keine Verluste ausweise und zur Herabsetzung der Einkommensteuer 2007 und einem Erstattungsanspruch führen werde. Ferner sei im Rahmen eines Einspruchsverfahrens die Einkommensteuer für 2008 herabzusetzen. Im August 2010 setzte das FA die Vollziehung hinsichtlich der Einkommensteuer 2007 in Höhe eines Teilbetrags von 8.552,64 EUR aus.
Gegen den Antrag auf Insolvenzeröffnung begehrte der Antragsteller vor dem Finanzgericht (FG) einstweiligen Rechtsschutz nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Dieses verpflichtete das FA, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückzunehmen. Nach der mit dem FA getroffenen Vereinbarung, die nicht widerrufen worden sei, sei der Antragsteller im Zeitpunkt der Antragstellung mit insgesamt drei Raten, d.h. mit insgesamt 3.000 EUR, im Rückstand gewesen. Die geringe Höhe dieses Betrages lasse die Vollstreckungsmaßnahme als ermessensfehlerhaft erscheinen. Darüber hinaus habe der Antragsteller im Zeitraum von Mai bis August 2010 weitere Raten in Höhe von monatlich 1.000 EUR geleistet. Somit könne nicht von einer Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers ausgegangen werden. Weitere Gläubiger seien nicht bekannt. Seinen Antrag habe das FA nicht auf den Insolvenzgrund der Überschuldung gestützt (§ 19 der Insolvenzordnung –InsO–). Ausführungen zur Überschuldung, die im Übrigen nicht angenommen werden könne, habe es nicht gemacht. Im Streitfall liege ein Anordnungsgrund nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO vor, der auch die Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache rechtfertige, denn nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens scheide eine Rücknahme des Eröffnungsantrags aus.
Mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde begehrt das FA die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und die Ablehnung des Antrags des Antragstellers. Entgegen der Rechtsansicht des FG habe das FA seine Entscheidung ermessensgerecht getroffen. Die bis zum 31. August 2010 befristete Ratenzahlungsvereinbarung habe die Fälligkeit der Steuerforderungen nicht berührt. Eines Widerrufs habe es insoweit nicht bedurft. Rückständig seien nicht nur die nicht entrichteten Raten, sondern die gesamten Steuerforderungen gewesen. Zu Recht sei das FA von der Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers ausgegangen. Mit einer zeitnahen Tilgung der Forderungen habe nicht gerechnet werden können. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sei regelmäßig von einer Zahlungsunfähigkeit i.S. des § 17 Abs. 2 InsO auszugehen, wenn der Schuldner nicht in der Lage sei, innerhalb von drei Wochen 90 % seiner fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Zudem habe das FG, ohne diesbezüglich nähere Feststellungen zu treffen, eine drohende Existenzvernichtung des Antragstellers unterstellt.
Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegengetreten. Er führt aus, dass das FA das Auslaufen der Frist der Ratenzahlungsvereinbarung nicht abgewartet, sondern den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits am 22. Juli 2010 gestellt habe. Zudem sei das vom FA im Entwurf vorgelegte Schreiben vom 5. Februar 2010 bisher nicht zugegangen. Im Bescheid vom 2. November 2010 habe das FA selbst bestätigt, dass die vereinbarten Raten bezahlt worden seien. Ausweislich der betriebswirtschaftlichen Auswertung vom September 2010 habe der Antragsteller Ratenzahlungen bis zum Existenzminimum erbracht. Ohne Angabe von Gründen habe das FA eine Reduzierung der Raten abgelehnt. Durch Zahlung der vereinbarten Raten und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung habe der Antragsteller die mit dem FA getroffene Vereinbarung erfüllt. Unrichtig sei die zur Begründung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellte Behauptung, dass der Vollstreckungsschuldner seinen steuerlichen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkomme. Voraussichtlich sei er in der Lage, seine Steuerschulden in verbleibender Höhe von zurzeit 15.300 EUR innerhalb von 12 Monaten zu tilgen. Das FA sei der einzige Gläubiger. In seinem Schriftsatz vom 17. Februar 2011 hat der Antragsteller mitgeteilt, dass der vom Insolvenzgericht beauftrage Gutachter die Ansicht vertritt, dass eine das Insolvenzverfahren deckende Masse vorhanden und der Insolvenzgrund des § 17 InsO gegeben sei. Voraussichtlich werde der Betrieb vom Insolvenzverwalter freigegeben.
Gründe
II. Die Beschwerde ist begründet. Nach der gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage gelangt der beschließende Senat zu dem Schluss, dass das FG dem FA zu Unrecht die Verpflichtung auferlegt hat, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückzunehmen. Entgegen der Auffassung des FG erweist sich die getroffene Vollstreckungsmaßnahme als ermessensfehlerfrei.
- Die Entscheidung des FA, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners zu beantragen, ist eine Ermessensentscheidung, die gemäß § 102 FGO von den Gerichten nur daraufhin überprüft werden kann, ob die Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464). Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann gestellt werden, wenn dem FA ein Anspruch zusteht, der ihm im Insolvenzverfahren die Stellung eines Insolvenzgläubigers vermittelt, und wenn ein Insolvenzgrund vorliegt. Positiver Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse bedarf es nicht. Allerdings darf ein solcher Antrag nicht rechtsmissbräuchlich und aus sachfremden Erwägungen gestellt werden. Dies ist z.B. dann anzunehmen, wenn das FA lediglich die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Vollstreckungsschuldners bezweckt (Senatsbeschluss vom 23. Juli 1985 VII B 29/85, BFH/NV 1986, 41).
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) handelt es sich bei dem durch das FA gestellten Insolvenzantrag nicht um einen Verwaltungsakt (Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 251 AO Rz 107), so dass als vorläufiger Rechtsschutz eine einstweilige Anordnung nach § 114 FGO in Betracht kommt (zur Konkursordnung vgl. Senatsbeschluss vom 26. April 1988 VII B 176/87, BFH/NV 1988, 762). Dabei hat sich die Prüfung des Gerichts auf die Erfolgsaussichten des Antragstellers im Hauptsacheverfahren zu erstrecken. Im Falle einer Leistungsklage auf Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nach Ansicht der Instanzgerichte auf den Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der finanzgerichtlichen Entscheidung abzustellen (Urteil des FG des Saarlandes vom 17. März 2004 1 K 437/02, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2004, 1021; Entscheidung des FG Berlin vom 21. September 2004 7 K 7182/04, EFG 2005, 11, und Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 251 AO Rz 22; offengelassen im Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270). Diese Frage bedarf im Streitfall jedoch keiner abschließenden Klärung, weil der Eröffnungsgrund des § 17 Abs. 1 InsO auch bereits im Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrags vorlag.
- Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass das FA wegen der noch nicht ausgelaufenen Ratenzahlungsvereinbarung gehindert gewesen sei, den Insolvenzantrag zu stellen. Die Vereinbarung war wegen Nichteinhaltung seitens des Antragstellers gegenstandslos geworden, so dass sie nicht hatte förmlich widerrufen werden müssen. Das FA musste die Beträge nicht wieder fällig stellen, nachdem der Antragsteller mit der zunächst pünktlichen Ratenzahlung in Rückstand geraten war. Ausweislich des Protokolls über die Besprechung an Amtsstelle ist eine Aussetzung der Vollziehung zunächst nicht gewährt worden. Vielmehr wurde die Vollstreckung lediglich ruhend gestellt und vom Verhalten des Vollstreckungsschuldners abhängig gemacht. Zudem hat das FA mit Schreiben vom 6. Mai 2010 die beantragte Reduzierung der Ratenhöhe abgelehnt und den dagegen erhobenen Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2010 musste der Antragsteller entnehmen, dass eine Aussetzung der Vollstreckung nicht mehr in Betracht kam. Danach konnte er von einer Genehmigung zur Fortsetzung der Ratenzahlungen nicht mehr ausgehen und musste mit der umgehenden Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen rechnen.
Nach summarischer Betrachtung der Sach- und Rechtslage konnte das FA auch von einer Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers ausgehen (§ 17 Abs. 1 und 2 InsO). Ausweislich der Akten hat der Antragsteller zwar in den Monaten Januar bis April 2010 die Raten in der vereinbarten Höhe von 2.000 EUR gezahlt, jedoch die Zahlungen bis August 2010 von zunächst 1.000 EUR auf 500 EUR zurückgeführt. Den Antrag vom 20. Juli 2010 auf entsprechende Reduzierung der Raten hat das FA abgelehnt. Zu diesem Zeitpunkt beliefen sich die Steuerrückstände auf 42.548,39 EUR. Ausweislich der im Rahmen der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorgelegten Vermögensaufstellung war verwertbares Vermögen nicht vorhanden, so dass weitere Vollstreckungsversuche aussichtslos erschienen. Zwar hat sich der Antragsteller auf einen für ihn günstigen Ausgang der anhängigen Einspruchsverfahren berufen, doch bestehen nach dem Vorbringen des FA selbst unter Berücksichtigung der inzwischen abgeschlossenen Verfahren Abgabenrückstände in Höhe von 34.264,61 EUR. Dass eine Begleichung der Steuerschulden in absehbarer Zeit zu erwarten ist, hat der Antragsteller lediglich behauptet, ohne dies jedoch substantiiert zu belegen. Bei diesem Befund ist ein Anordnungsanspruch nicht ersichtlich. Da bereits aus diesem Grund der Antrag des Antragstellers zurückzuweisen ist, kann es dahingestellt bleiben, ob ein Anordnungsgrund gegeben ist.
- Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass das FA den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Ziel der Existenzvernichtung rechtsmissbräuchlich gestellt hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das primäre Ziel eines Insolvenzverfahrens nicht die Zerschlagung von Vermögenswerten ist, sondern die Schuldenbereinigung zur Fortsetzung unternehmerischer Betätigung. Soweit sich der Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren darauf berufen hat, dass eine Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse wahrscheinlich sei, wird auch dadurch der Anordnungsanspruch nicht hinreichend belegt. Die zuverlässige Feststellung des Vermögens des Schuldners obliegt dem Insolvenzgericht (vgl. Senatsentscheidung vom 12. Dezember 2005 VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900). Wie der Antragsteller nunmehr selbst vorträgt, ist nach Auffassung des vom Insolvenzgericht bestellten Gutachters eine das Verfahren deckende Masse vorhanden. Auch ist eine Freigabe des Betriebs mit dem Ziel seiner Fortführung nicht ausgeschlossen, so dass eine Vernichtung der Existenz des Antragstellers nicht unabweisbar erscheint.
Stellungnahme
Ein Insolvenzantrag des Finanzamtes ist deshalb zulässig, weil die Ratenzahlungsvereinbarung durch die Nichtzahlung gegenstandslos geworden ist und das FA die Beträge nicht wieder fällig stellen musste. Da das FA auch keine Aussetzung der Vollziehung gewährt hatte, war der Insolvenzantrag zulässig.
Weitere Informationen zum Insolvenzantrag erhalten Sie hier: Insolvenzantrag.
Nichtbedienen des Zeiterfassungsgerätes
Nach dem LAG Hamm ist der Missbrauch von Zeiterfassungsgeräten geeignet, den Ausspruch einer fristlosen Kündigung zu rechtfertigen, ohne dass es darauf ankommt, ob hierin zugleich ein strafrechtlich relevanter Betrug zu sehen ist.
LAG Hamm 22.07.2010 – 8 Sa 319/10
Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen
Der BGH hatte über einen Fall der Versagung der Restschuldbefreiung wegen Verletzung der Mitwirkungsobliegenheiten gem. §§ 296 I, 295 I Nr. 3 InsO zu entscheiden. Der Schuldner hatte seine der Pfändung unterliegenden Beträge aus seinem Einkommen nicht an den Treuhänder abgeführt. Nach dem BGH war dem Schuldner auf Antrag die Restschuldbefreiung zu versagen, auch wenn die pfändbaren Beträgen nur für die Verfahrenskosten verwendet worden wären.
Der Schuldner hätte sich “retten” können, wenn er die Beträge rechtzeitig an den Treuhänder abgeführt hätte. Da dies jedoch erst nach Aufdeckung erfolgte, half ihm die spätere Zahlung nicht.
BGH 14.04.2011 – IX ZA 51/10
Rückkaufswert einer gekündigten Restschuldversicherung
Das AG Göttingen hat in seiner Entscheidung vom 21.01.2011 – 21 C 205/10 entschieden, dass ein Rückzahlungsanspruch aus einer – durch den Treuhänder – gekündigten Restschuldversicherung der Insolvenzmasse und nicht dem versicherten Kreditkonto zusteht. (veröffentlicht ZInsO 2011, 978)