LG Hamburg, Urteil vom 8.9.2021 – 336 O 65/21
zuletzt bearbeitet am: 8. November 2022 von RA Dirk Tholl
Insolvenzanfechtung und § 2 I Nr. 4 COVInsAG
Die Entscheidung
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen nach Insolvenzanfechtung in Anspruch.
Der Kläger ist Sachwalter im Rahmen des über das Vermögen der O. D. GmbH F. mit Sitz in N. (im Folgenden Schuldnerin) in Eigenverwaltung geführten Insolvenzverfahrens. Arbeitnehmer der Schuldnerin waren bei der Beklagten sozialversichert. Aufgrund eines am 17.07.2020 bei Gericht eingegangenen Eigenantrags der Schuldnerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts L. – Insolvenzgericht vom 01.10.2020 (Anlage K1) das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet und der Kläger zum Sachwalter bestellt.
Mit Schreiben vom 25.06.2020 (Anlage K2) informierte die Sanierungsberaterin der Schuldnerin, die P. und K. GmbH, die Beklagte darüber, dass nach Überprüfung der wirtschaftlichen Situation der Schuldnerin dieser angeraten worden sei, zeitnah einen Insolvenzantrag in Eigenverwaltung zu stellen; dieser Antrag werde derzeit vorbereitet. Die Sanierungsberaterin gehe davon aus, dass etwaige von der Schuldnerin an die Beklagte geleistete Zahlungen nach Eröffnung eines möglichen Insolvenzverfahrens anfechtbar sein dürften.
Im Zeitraum vom 30.07.2020 bis zum 24.09.2020 leistete die Schuldnerin auf fällige und durchsetzbare Beitragsforderungen für die Monate Juli bis September 2021 vier Zahlungen über insgesamt 21.902,19 € an die Beklagte, auf den Beitrag für August 2021 zahlte die Beklagte am 17.09.2020 1.818,41 € an die Schuldnerin zurück. Im Verwendungszweck der Zahlungen gab die Schuldnerin jeweils “Zahlung nur unter Vorbehalt der Rückforderung” an.
Mit Schreiben vom 20.10.2020 machte der Kläger gegenüber der Beklagten die Anfechtung der im Zeitraum vom 30.07.2020 bis zum 24.09.2020 geleisteten Zahlungen geltend und forderte die Beklagte zur Rückzahlung des noch ausstehenden Betrags von 20.083,78 € bis zum 16.11.2020 auf. Mit Schreiben vom 13.11.2020 lehnte die Beklagte eine Rückzahlung unter Verweis auf § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG ab. Eine weitere Zahlungsaufforderung des Klägers vom 04.12.2020 wies die Beklagte mit Schreiben vom 21.12.2020 zurück.
Der Kläger erachtet die von der Schuldnerin an die Beklagte im Zeitraum vom 30.07.2020 bis zum 24.09.2020 geleisteten Zahlungen für nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar.
Die Zahlungen seien sämtlich nach gestelltem Insolvenzantrag von dem Geschäftskonto der Schuldnerin bei der Sparkasse F. Nr.… und damit aus ihrem Vermögen geleistet worden.
Die Anfechtung sei auch nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG ausgeschlossen.
Der Anwendungsbereich des Anfechtungsausschlusses nach § 2 Abs. 1, 1. Halbs. i.V.m. § 1 COVInsAG sei bereits nicht eröffnet, weil die Schuldnerin nur drohend zahlungsunfähig gewesen sei und damit schon keiner Insolvenzantragspflicht unterlegen habe, die nach § 1 COVInsAG hätte ausgesetzt werden können.
Zudem seien die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen der Schuldnerin mit Stellung des Insolvenzantrags nach außen hin klar erkennbar gescheitert. Aus dem Schreiben der Sanierungsberaterin vom 25.06.2020 habe sich ergeben, dass die Situation der Schuldnerin nur noch die Stellung eines Insolvenzantrags zugelassen habe; damit sei deutlich geworden, dass der Schuldnerin keine geeigneten Sanierungs- und Finanzierungsmaßnahmen mehr zur Verfügung gestanden hätten.
Darüber hinaus sei der Anfechtungsausschluss nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG auf den Anfechtungstatbestand des § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO in der Alternative der Kenntnis vom Öffnungsantrag nicht anzuwenden.
Zum einen sei die Antragspflicht der Schuldnerin schon nicht mehr ausgesetzt, sobald sie einen Insolvenzantrag gestellt habe. Zum anderen sei Zweck des COVInsAG, betroffenen Unternehmen die Fortsetzung der werbenden Tätigkeit ermöglichen, wobei der Gesetzgeber klar auf Sanierungsbemühungen vor Stellung eines Insolvenzantrags und außerhalb eines Insolvenzverfahrens abgestellt habe; dies ergebe sich daraus, dass das Gesetz seine Ziele durch die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht erreichen wolle. Zudem sei mit Insolvenzantragstellung für jeden potentiellen Vertragspartner klar erkennbar, dass beim Vertragsschluss nach Insolvenzantragstellung die Gefahr bestehe, dass der Vertrag nicht mehr erfüllt werde bzw. Anfechtungen drohen könnten; daher bestünden für diesen ab Kenntnis eines gestellten Insolvenzantrags keine Unsicherheiten, wie sie das Gesetz vermeiden wolle.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 20.083,78 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 21.12.2020 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei als Saldoklage bereits unzulässig. Der im Klageantrag genannte Betrag sei lediglich der Saldo der von der Schuldnerin geleisteten Zahlungen und des von der Beklagten an sie erstatteten Guthabens. Es sei daher nicht zu bestimmen, welche Zahlungen bzw. Teilbeträge welcher Zahlungen Gegenstand der Klage sein sollen.
Jedenfalls sei die Klage unbegründet, die von der Beklagten vereinnahmten Zahlungen unterlägen nicht der insolvenzrechtlichen Anfechtung, eine Anfechtung sei vielmehr nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG ausgeschlossen.
Der Anwendungsbereich des Anfechtungsausschlusses nach § 2 Abs. 1, 1. Halbs. i.V.m. § 1 COVInsAG sei sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hinsicht eröffnet. Der Anfechtungsausschluss des § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG erstrecke sich nach § 2 Abs. 2 COVInsAG ausdrücklich auch auf Schuldner, die nur drohend zahlungsunfähig sind. Aus § 1 COVInsAG ergäben sich zudem keine Anhaltspunkte, dass die Antragspflicht nicht mehr ausgesetzt gewesen sein solle, nachdem die Schuldnerin einen Insolvenzantrag gestellt hat; dementsprechend hätte die Schuldnerin den gestellten Antrag auch jederzeit wieder zurücknehmen können.
Jedenfalls habe die Beklagte zu dem Zeitpunkt der Zahlungen keine Kenntnis davon gehabt, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen der Schuldnerin nicht zur Beseitigung einer etwaigen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen wären. Da entsprechende Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen richtigerweise auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erfolgen könnten, habe ihr das Schreiben vom 25.06.2020 keine entsprechende Kenntnis vermitteln können.
Auch die klägerseits befürwortete Einschränkung des Anwendungsbereichs des Anfechtungsausschlusses sei nicht veranlasst. Zweck der gesetzlichen Regelung sei ausweislich der Gesetzesbegründung, Unternehmen die Gelegenheit zu geben, durch die COVID-19-Pandemie hervorgerufene wirtschaftliche Schwierigkeiten insbesondere durch Sanierungs- oder Finanzierungsvereinbarungen zu beseitigen. Es sei aber nicht geregelt, dass entsprechende Sanierungsbemühungen nicht unter Zuhilfenahme der Instrumente der Insolvenzordnung erreicht werden könnten. Das Insolvenzverfahren diene gemäß § 1 InsO auch und insbesondere dem Erhalt des schuldnerischen Unternehmens. Dies gelte erst recht, wenn ein Insolvenzantrag in der Erwartung gestellt wird, das Unternehmen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung fortführen und sanieren zu können, ohne gemäß § 15a InsO zur Antragstellung verpflichtet zu sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die zur Akte gelangten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
Mit Schriftsätzen vom 26.07.2021 und 03.08.2021 (Bl. 32 und 35 d.A.) haben die Parteien ihre Zustimmung zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO erklärt, mit Beschluss vom 05.08.2021 (Bl. 38 d.A.) hat das Gericht den 27.08.2021 zu dem dem Schluss der mündlichen Verhandlung entsprechenden Zeitpunkt bestimmt.
Gründe
Die Klage ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
I.
Hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Der Streitgegenstand ist durch den Klageantrag sowie den hierzu vorgetragenen tatsächlichen Vortrag eindeutig bestimmt. Insbesondere ergibt sich aus dem Sachvortrag unzweifelhaft, dass streitgegenständlich die gesamten von der Schuldnerin im Zeitraum vom 30.07.2020 bis zum 24.09.2020 geleisteten Zahlungen sind, wobei der Kläger den im Wegen der Gutschrift bereits zurückerstatteten Betrag von der Klageforderung in Abzug bringt.
II.
Die Klage ist allerdings unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückgewähr der von der Schuldnerin im Zeitraum vom 30.07.2020 bis zum 24.09.2020 an die Beklagte geleisteten Zahlungen.
1. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger überhaupt die Anfechtungsvoraussetzungen nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO hinreichend dargelegt hat. Dass der Beklagten die tatsächlich erfolgte Stellung eines Insolvenzantrags durch die Schuldnerin zur Kenntnis gegeben worden sei, hat der Kläger nicht dargetan. Vorgetragen ist vielmehr lediglich, dass der Beklagten mit dem Schreiben der Sanierungsberaterin der Schuldnerin vom 25.06.2020 mitgeteilt worden sei, dass der Schuldnerin die Stellung eines Insolvenzantrags habe angeraten werden müssen und ein solcher nunmehr vorbereitet werde. Zwar steht nach § 130 Abs. 2 InsO der Kenntnis eines gestellten Eröffnungsantrags die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Stellung eines Eröffnungsantrags schließen lassen. Für einen solchen zwingenden Schluss dürfte die bloße Ankündigung der Stellung eines Insolvenzantrags aber nicht ausreichen (str.; MüKoInsO/Kayser/Freudenberg, 4. Aufl. 2019, § 130 Rn. 56 m.w.N. zum Meinungsstand).
2. Die streitgegenständlichen Zahlungen unterliegen aber jedenfalls nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG nicht der insolvenzrechtlichen Anfechtung nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO.
a) Der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 COVInsAG ist im vorliegenden Fall eröffnet.
Die streitgegenständlichen Zahlungen wurden im Zeitraum vom 30.07.2020 bis zum 24.09.2020 und damit in dem in § 1 COVInsAG genannten Aussetzungszeitraum (01.03.2020 bis 30.09.2020) geleistet.
Der Eröffnung des Anwendungsbereichs steht nicht entgegen, dass die Schuldnerin nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers den Insolvenzantrag lediglich wegen drohender Zahlungsunfähigkeit gestellt hat. Nach § 2 Abs. 2, 2. Halbs. COVInsAG gilt der Anfechtungsausschluss des § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG vielmehr ausdrücklich auch für Schuldner, die weder zahlungsunfähig noch überschuldet sind und damit keiner Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO unterliegen.
Bei den Zahlungen handelte es sich zudem nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten zudem durchweg um kongruente Deckungshandlungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG.
b) Der Beklagten war auch nicht i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4, 2. Halbs. COVInsAG bekannt, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen der Schuldnerin nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen wären. Eine solche Kenntnis ergibt sich insbesondere nicht aus dem Schreiben der Sanierungsberaterin der Schuldnerin vom 25.06.2020 (Anlage K2). Dem Schreiben ist lediglich zu entnehmen, dass die Sanierungsberaterin die Stellung eines Insolvenzantrags in Eigenverwaltung vorbereite. Hieraus lässt sich aber nicht der Schluss ziehen, dass damit jegliche (weiteren) Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen der Schuldnerin aussichtslos sein würden. Dieser Schluss wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die Sanierung eines Unternehmens im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nicht zu erwarten wäre. Dies ist entgegen der Auffassung des Klägers aber nicht der Fall.
Die Sanierung eines Unternehmens ist sowohl nach der gesetzlichen Konzeption der Insolvenzordnung als auch ihrer praktischen Anwendung – unabhängig davon, ob man den Erhalt eines Unternehmens durch Sanierung als neben dem Ziel einer bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger gleichrangiges oder lediglich untergeordnetes Ziel des Insolvenzverfahrens einordnen möchte (zum Meinungsstand insoweit MüKoInsO/Ganter/Bruns, 4. Aufl. 2019, § 1 Rn. 85) – von wesentlicher Bedeutung in der Führung von Insolvenzverfahren. Dies gilt gerade in Fällen, in denen – wie im vorliegenden Fall – ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung durchgeführt werden soll (s. RegE InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 226). Es entspricht damit gerade nicht der Konzeption der Insolvenzordnung, die Sanierung eines Unternehmens bereits mit Stellung eines Insolvenzantrags als gescheitert anzusehen. Dementsprechend vermag auch allein die Kenntnis über einen gestellten oder gar nur in Vorbereitung befindlichen Insolvenzantrag keine Kenntnis hinsichtlich der fehlenden Eignung von Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen der Schuldnerin zur Beseitigung einer eingetretenen oder gar nur drohenden Zahlungsunfähigkeit zu vermitteln.
c) Entgegen der Auffassung des Klägers beansprucht der Anfechtungsausschluss nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG auch dann Geltung, wenn ein Schuldner einen Insolvenzantrag gestellt hat und dies dem Zahlungsempfänger bekannt ist.
Der Gesetzeswortlaut sieht eine Beschränkung des Anfechtungsausschlusses auf vor einem Insolvenzantrag geleistete Zahlungen nicht vor. Auch eine teleologische Reduktion der Norm in dem vom Kläger gewünschten Sinn erscheint vorliegend nicht veranlasst.
Dabei genügt es für die Annahme einer teleologischen Reduktion nicht, dass eine eindeutige gesetzliche Regelung lediglich nach eigener Einschätzung des Gerichts sachlich verfehlt erscheint, das Gericht mithin in der Rolle des Gesetzgebers eine andere Regelung getroffen hätte. Vielmehr bedarf es belastbarer Anhaltspunkte dafür, dass die gesetzliche Regelung tatsächlich nicht dem gesetzgeberischen Willen entspricht oder zumindest dem gesetzlich verfolgten Zweck zuwiderläuft. Hierfür liegen vorliegend aber keine hinreichend belastbaren Anhaltspunkte vor. Vielmehr spricht die Gesetzessystematik des § 2 COVInsAG deutlich gegen eine entsprechende Reduktion, auch das mit dem Anfechtungsausschluss ausweislich der Gesetzesmaterialien verfolgte gesetzgeberische Ziel gebietet eine entsprechende Reduktion nicht:
aa) In gesetzessystematischer Hinsicht ist insoweit zunächst zu berücksichtigen, dass die vom Kläger befürwortete teleologische Reduktion des § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG dahingehend, dass der Anfechtungsausschluss im Falle von Zahlungen nach bereits gestelltem Insolvenzantrag nicht zur Anwendung kommen solle, den gesamten Anfechtungstatbestand des § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO der Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG entziehen würde. Dass dies dem gesetzgeberischen Willen entspräche, erscheint insoweit zweifelhaft, als ein entsprechender vollständiger Ausschluss des Anfechtungstatbestands des § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO aus dem Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG regelungstechnisch ohne weitere Schwierigkeiten zu formulieren gewesen wäre.
Vor allem aber gilt der Anfechtungsausschluss nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG nach § 2 Abs. 2, 2. Halbs. COVInsAG ‒ wie bereits dargestellt ‒ ausdrücklich auch für Schuldner, die weder zahlungsunfähig noch überschuldet sind. Bei einem Schuldner, der weder zahlungsunfähig noch überschuldet ist, kommt im Falle kongruenter Deckungshandlungen aber praktisch nur der ‒ vorliegend auch allein geltend gemachte ‒ Anfechtungstatbestand des § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO in Betracht, während die übrigen Anfechtungstatbestände des § 130 Abs. 1 InsO und des § 133 Abs. 3 InsO eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners voraussetzen. Die klägerseits befürwortete teleologische Reduktion würde damit ‒ wie gerade der vorliegende Streit exemplarisch zeigt ‒ die Regelung des § 2 Abs. 2, 2. Halbs. COVInsAG in Bezug auf den Anfechtungsausschluss nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG praktisch vollständig eines Anwendungsbereiches berauben. Dafür, dass ein solches Leerlaufen der Regelung des § 2 Abs. 2, 2. Halbs. COVInsAG in Bezug auf den Anfechtungsausschluss nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG dem gesetzgeberischen Willen entsprechen könnte, ergeben sich aber weder aus der Gesetzesbegründung noch sonst belastbare Anhaltspunkte. Im Gegenteil nimmt die Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 2, 2. Halbs. COVInsAG ausdrücklich auch auf die Regelung nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG Bezug (Fraktionsentwurf, BT-Drucks. 19/18110, S. 25).
bb) Auch das mit dem Anfechtungsausschluss verfolgte gesetzgeberische Ziel gebietet die klägerseits befürwortete teleologische Reduktion nicht. Dabei entbehrt die klägerische Prämisse, dass der Zweck des gesetzlichen Anfechtungsausschlusses im Falle der Stellung eines Insolvenzantrags nicht mehr erreicht werden könnte, einer zur Rechtfertigung einer teleologischen Reduktion der Norm hinreichenden Grundlage.
Erklärtes gesetzgeberisches Ziel des in § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG normierten Anfechtungsausschlusses ist es, Sanierungsbemühungen eines pandemiebedingt in die Krise geratenen Schuldners zu unterstützen (Fraktionsentwurf, BT-Drucks. 19/18110, S. 24). Weder dem Gesetzeswortlaut noch der Entwurfsbegründung lässt sich aber hinreichend sicher entnehmen, dass die entsprechenden Sanierungsbemühungen nach dem Willen des Gesetzgebers ausschließlich außerhalb eines Insolvenzverfahrens erfolgen dürften, um in den Anwendungsbereich des Anfechtungsausschlusses nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG zu fallen.
Eine entsprechende Beschränkung des gesetzgeberischen Ziels des in § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG normierten Anfechtungsausschlusses auf außerhalb eines Insolvenzverfahrens erfolgte Sanierungsbemühungen ergibt sich dabei entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus der Regelung über die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG. Zwar kommt in der in § 1 COVInsAG normierten zeitweiligen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht unzweideutig der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, eine Sanierung von pandemiebedingt in die Krise geratenen Unternehmen ungeachtet einer eingetretenen Insolvenzreife außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu ermöglichen. Hieraus kann aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit im Umkehrschluss auf den Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, dass Sanierungsbemühungen eines in die Krise geratenen Unternehmens nur dann unter den Schutz des Anfechtungsausschlusses nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG fallen sollen, wenn es tatsächlich auf die Stellung eines Insolvenzantrags verzichtet. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Anfechtungsausschluss des § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG nach der ausdrücklichen gesetzgeberischen Anordnung in § 2 Abs. 2 COVInsAG gerade auch in Fällen gelten soll, in denen entweder aufgrund der Rechtsform des Schuldners oder mangels dessen Insolvenzreife i.S.d. § 15a InsO keine Insolvenzantragspflicht besteht. Mit § 2 Abs. 2 COVInsAG hat der Gesetzgeber mithin die Reichweite des Anfechtungsausschlusses nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG ausdrücklich über den Geltungsbereich der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG hinaus erstreckt. Angesichts dieser gesetzgeberischen Entscheidung fehlt es aber an einer Grundlage für die Annahme, dass außerhalb der Regelung des § 2 Abs. 2 COVInsAG von einer strengen Kongruenz zwischen der Aussetzung der Antragspflicht nach § 1 COVInsAG und dem Anfechtungsausschluss nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG auszugehen wäre.
Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass nach Vorstellung des Gesetzgebers eine mit dem Anfechtungsausschluss nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG zu unterstützende Sanierung eines pandemiebedingt in die Krise geratenen Schuldners mit Stellung eines Insolvenzantrags nicht mehr in Betracht käme. Wie bereits dargestellt, entspricht es gerade nicht der Konzeption der Insolvenzordnung, die Sanierung eines Unternehmens bereits mit Stellung eines Insolvenzantrags als gescheitert anzusehen. Dann muss aber das mit dem in § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG normierten Anfechtungsausschluss verfolgte gesetzgeberische Ziel, die Sanierung eines in die Krise geratenen Unternehmens dadurch zu erleichtern, dass ihm durch die Anordnung der Insolvenzfestigkeit von ihm geleisteter Zahlungen die Aufrechterhaltung seiner Geschäftsbeziehungen ermöglicht wird, gleichermaßen auch noch nach Stellung eines Insolvenzantrags verwirklicht werden können.
cc) Schließlich vermag auch das klägerische Argument, dass einem Vertragspartner bei Kenntnis eines bereits gestellten Insolvenzantrags auch bekannt sei, dass bei einem Vertragsschluss nach Insolvenzantragstellung die Gefahr bestehe, dass der Vertrag nicht mehr erfüllt werde bzw. Anfechtungen drohen könnten, als rein zirkuläre Argumentation keine entsprechende teleologische Reduktion der Norm zu rechtfertigen. Denn die Frage, ob eine Anfechtung empfangener Leistungen überhaupt droht, hängt gerade von der vorliegend in Streit stehenden Reichweite des Anfechtungsausschlusses ab.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 709 S. 1 und 2 ZPO.