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Urteil im Insolenzrecht

LG Ham­burg, Urteil vom 8.9.2021 – 336 O 65/​21

zuletzt bear­bei­tet am: 8. Novem­ber 2022 von RA Dirk Tholl

Insol­venz­an­fech­tung und § 2 I Nr. 4 COVInsAG

Die Ent­schei­dung

Tenor

1. Die Kla­ge wird abgewiesen.

2. Der Klä­ger hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicher­heits­leis­tung in Höhe von 110 % des jeweils zu voll­stre­cken­den Betrags vor­läu­fig vollstreckbar.

Tat­be­stand

Der Klä­ger nimmt die Beklag­te auf Rück­zah­lung von Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­gen nach Insol­venz­an­fech­tung in Anspruch.

Der Klä­ger ist Sach­wal­ter im Rah­men des über das Ver­mö­gen der O. D. GmbH F. mit Sitz in N. (im Fol­gen­den Schuld­ne­rin) in Eigen­ver­wal­tung geführ­ten Insol­venz­ver­fah­rens. Arbeit­neh­mer der Schuld­ne­rin waren bei der Beklag­ten sozi­al­ver­si­chert. Auf­grund eines am 17.07.2020 bei Gericht ein­ge­gan­ge­nen Eigen­an­trags der Schuld­ne­rin wur­de mit Beschluss des Amts­ge­richts L. – Insol­venz­ge­richt vom 01.10.2020 (Anla­ge K1) das Insol­venz­ver­fah­ren in Eigen­ver­wal­tung eröff­net und der Klä­ger zum Sach­wal­ter bestellt.

Mit Schrei­ben vom 25.06.2020 (Anla­ge K2) infor­mier­te die Sanie­rungs­be­ra­te­rin der Schuld­ne­rin, die P. und K. GmbH, die Beklag­te dar­über, dass nach Über­prü­fung der wirt­schaft­li­chen Situa­ti­on der Schuld­ne­rin die­ser ange­ra­ten wor­den sei, zeit­nah einen Insol­venz­an­trag in Eigen­ver­wal­tung zu stel­len; die­ser Antrag wer­de der­zeit vor­be­rei­tet. Die Sanie­rungs­be­ra­te­rin gehe davon aus, dass etwa­ige von der Schuld­ne­rin an die Beklag­te geleis­te­te Zah­lun­gen nach Eröff­nung eines mög­li­chen Insol­venz­ver­fah­rens anfecht­bar sein dürften.

Im Zeit­raum vom 30.07.2020 bis zum 24.09.2020 leis­te­te die Schuld­ne­rin auf fäl­li­ge und durch­setz­ba­re Bei­trags­for­de­run­gen für die Mona­te Juli bis Sep­tem­ber 2021 vier Zah­lun­gen über ins­ge­samt 21.902,19 € an die Beklag­te, auf den Bei­trag für August 2021 zahl­te die Beklag­te am 17.09.2020 1.818,41 € an die Schuld­ne­rin zurück. Im Ver­wen­dungs­zweck der Zah­lun­gen gab die Schuld­ne­rin jeweils “Zah­lung nur unter Vor­be­halt der Rück­for­de­rung” an.

Mit Schrei­ben vom 20.10.2020 mach­te der Klä­ger gegen­über der Beklag­ten die Anfech­tung der im Zeit­raum vom 30.07.2020 bis zum 24.09.2020 geleis­te­ten Zah­lun­gen gel­tend und for­der­te die Beklag­te zur Rück­zah­lung des noch aus­ste­hen­den Betrags von 20.083,78 € bis zum 16.11.2020 auf. Mit Schrei­ben vom 13.11.2020 lehn­te die Beklag­te eine Rück­zah­lung unter Ver­weis auf § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG ab. Eine wei­te­re Zah­lungs­auf­for­de­rung des Klä­gers vom 04.12.2020 wies die Beklag­te mit Schrei­ben vom 21.12.2020 zurück.

Der Klä­ger erach­tet die von der Schuld­ne­rin an die Beklag­te im Zeit­raum vom 30.07.2020 bis zum 24.09.2020 geleis­te­ten Zah­lun­gen für nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar.

Die Zah­lun­gen sei­en sämt­lich nach gestell­tem Insol­venz­an­trag von dem Geschäfts­kon­to der Schuld­ne­rin bei der Spar­kas­se F. Nr.… und damit aus ihrem Ver­mö­gen geleis­tet worden.

Die Anfech­tung sei auch nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG ausgeschlossen.

Der Anwen­dungs­be­reich des Anfech­tungs­aus­schlus­ses nach § 2 Abs. 1, 1. Halbs. i.V.m. § 1 COVIn­sAG sei bereits nicht eröff­net, weil die Schuld­ne­rin nur dro­hend zah­lungs­un­fä­hig gewe­sen sei und damit schon kei­ner Insol­venz­an­trags­pflicht unter­le­gen habe, die nach § 1 COVIn­sAG hät­te aus­ge­setzt wer­den können.

Zudem sei­en die Sanie­rungs- und Finan­zie­rungs­be­mü­hun­gen der Schuld­ne­rin mit Stel­lung des Insol­venz­an­trags nach außen hin klar erkenn­bar geschei­tert. Aus dem Schrei­ben der Sanie­rungs­be­ra­te­rin vom 25.06.2020 habe sich erge­ben, dass die Situa­ti­on der Schuld­ne­rin nur noch die Stel­lung eines Insol­venz­an­trags zuge­las­sen habe; damit sei deut­lich gewor­den, dass der Schuld­ne­rin kei­ne geeig­ne­ten Sanie­rungs- und Finan­zie­rungs­maß­nah­men mehr zur Ver­fü­gung gestan­den hätten.

Dar­über hin­aus sei der Anfech­tungs­aus­schluss nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG auf den Anfech­tungs­tat­be­stand des § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO in der Alter­na­ti­ve der Kennt­nis vom Öff­nungs­an­trag nicht anzuwenden.

Zum einen sei die Antrags­pflicht der Schuld­ne­rin schon nicht mehr aus­ge­setzt, sobald sie einen Insol­venz­an­trag gestellt habe. Zum ande­ren sei Zweck des COVIn­sAG, betrof­fe­nen Unter­neh­men die Fort­set­zung der wer­ben­den Tätig­keit ermög­li­chen, wobei der Gesetz­ge­ber klar auf Sanie­rungs­be­mü­hun­gen vor Stel­lung eines Insol­venz­an­trags und außer­halb eines Insol­venz­ver­fah­rens abge­stellt habe; dies erge­be sich dar­aus, dass das Gesetz sei­ne Zie­le durch die vor­über­ge­hen­de Aus­set­zung der Insol­venz­an­trags­pflicht errei­chen wol­le. Zudem sei mit Insol­venz­an­trag­stel­lung für jeden poten­ti­el­len Ver­trags­part­ner klar erkenn­bar, dass beim Ver­trags­schluss nach Insol­venz­an­trag­stel­lung die Gefahr bestehe, dass der Ver­trag nicht mehr erfüllt wer­de bzw. Anfech­tun­gen dro­hen könn­ten; daher bestün­den für die­sen ab Kennt­nis eines gestell­ten Insol­venz­an­trags kei­ne Unsi­cher­hei­ten, wie sie das Gesetz ver­mei­den wolle.

Der Klä­ger beantragt,

die Beklag­te zu ver­ur­tei­len, an den Klä­ger 20.083,78 € nebst 5 Pro­zent­punk­ten Zin­sen über dem Basis­zins­satz hier­aus seit 21.12.2020 zu zahlen.

Die Beklag­te beantragt,

die Kla­ge abzuweisen.

Die Kla­ge sei als Sal­do­kla­ge bereits unzu­läs­sig. Der im Kla­ge­an­trag genann­te Betrag sei ledig­lich der Sal­do der von der Schuld­ne­rin geleis­te­ten Zah­lun­gen und des von der Beklag­ten an sie erstat­te­ten Gut­ha­bens. Es sei daher nicht zu bestim­men, wel­che Zah­lun­gen bzw. Teil­be­trä­ge wel­cher Zah­lun­gen Gegen­stand der Kla­ge sein sollen.

Jeden­falls sei die Kla­ge unbe­grün­det, die von der Beklag­ten ver­ein­nahm­ten Zah­lun­gen unter­lä­gen nicht der insol­venz­recht­li­chen Anfech­tung, eine Anfech­tung sei viel­mehr nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG ausgeschlossen.

Der Anwen­dungs­be­reich des Anfech­tungs­aus­schlus­ses nach § 2 Abs. 1, 1. Halbs. i.V.m. § 1 COVIn­sAG sei sowohl in zeit­li­cher als auch in sach­li­cher Hin­sicht eröff­net. Der Anfech­tungs­aus­schluss des § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG erstre­cke sich nach § 2 Abs. 2 COVIn­sAG aus­drück­lich auch auf Schuld­ner, die nur dro­hend zah­lungs­un­fä­hig sind. Aus § 1 COVIn­sAG ergä­ben sich zudem kei­ne Anhalts­punk­te, dass die Antrags­pflicht nicht mehr aus­ge­setzt gewe­sen sein sol­le, nach­dem die Schuld­ne­rin einen Insol­venz­an­trag gestellt hat; dem­entspre­chend hät­te die Schuld­ne­rin den gestell­ten Antrag auch jeder­zeit wie­der zurück­neh­men können.

Jeden­falls habe die Beklag­te zu dem Zeit­punkt der Zah­lun­gen kei­ne Kennt­nis davon gehabt, dass die Sanie­rungs- und Finan­zie­rungs­be­mü­hun­gen der Schuld­ne­rin nicht zur Besei­ti­gung einer etwa­igen Zah­lungs­un­fä­hig­keit geeig­net gewe­sen wären. Da ent­spre­chen­de Sanie­rungs- und Finan­zie­rungs­be­mü­hun­gen rich­ti­ger­wei­se auch im Rah­men eines Insol­venz­ver­fah­rens erfol­gen könn­ten, habe ihr das Schrei­ben vom 25.06.2020 kei­ne ent­spre­chen­de Kennt­nis ver­mit­teln können.

Auch die klä­ger­seits befür­wor­te­te Ein­schrän­kung des Anwen­dungs­be­reichs des Anfech­tungs­aus­schlus­ses sei nicht ver­an­lasst. Zweck der gesetz­li­chen Rege­lung sei aus­weis­lich der Geset­zes­be­grün­dung, Unter­neh­men die Gele­gen­heit zu geben, durch die COVID-19-Pan­de­mie her­vor­ge­ru­fe­ne wirt­schaft­li­che Schwie­rig­kei­ten ins­be­son­de­re durch Sanie­rungs- oder Finan­zie­rungs­ver­ein­ba­run­gen zu besei­ti­gen. Es sei aber nicht gere­gelt, dass ent­spre­chen­de Sanie­rungs­be­mü­hun­gen nicht unter Zuhil­fe­nah­me der Instru­men­te der Insol­venz­ord­nung erreicht wer­den könn­ten. Das Insol­venz­ver­fah­ren die­ne gemäß § 1 InsO auch und ins­be­son­de­re dem Erhalt des schuld­ne­ri­schen Unter­neh­mens. Dies gel­te erst recht, wenn ein Insol­venz­an­trag in der Erwar­tung gestellt wird, das Unter­neh­men im Rah­men eines Insol­venz­ver­fah­rens in Eigen­ver­wal­tung fort­füh­ren und sanie­ren zu kön­nen, ohne gemäß § 15a InsO zur Antrag­stel­lung ver­pflich­tet zu sein.

Wegen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Par­tei­vor­trags wird auf die zur Akte gelang­ten Schrift­sät­ze der Par­tei­en nebst Anla­gen verwiesen.

Mit Schrift­sät­zen vom 26.07.2021 und 03.08.2021 (Bl. 32 und 35 d.A.) haben die Par­tei­en ihre Zustim­mung zur Ent­schei­dung im schrift­li­chen Ver­fah­ren nach § 128 Abs. 2 ZPO erklärt, mit Beschluss vom 05.08.2021 (Bl. 38 d.A.) hat das Gericht den 27.08.2021 zu dem dem Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung ent­spre­chen­den Zeit­punkt bestimmt.

Grün­de

Die Kla­ge ist zuläs­sig, hat in der Sache aber kei­nen Erfolg.

I.

Hin­sicht­lich der Zuläs­sig­keit der Kla­ge bestehen kei­ne Beden­ken. Der Streit­ge­gen­stand ist durch den Kla­ge­an­trag sowie den hier­zu vor­ge­tra­ge­nen tat­säch­li­chen Vor­trag ein­deu­tig bestimmt. Ins­be­son­de­re ergibt sich aus dem Sach­vor­trag unzwei­fel­haft, dass streit­ge­gen­ständ­lich die gesam­ten von der Schuld­ne­rin im Zeit­raum vom 30.07.2020 bis zum 24.09.2020 geleis­te­ten Zah­lun­gen sind, wobei der Klä­ger den im Wegen der Gut­schrift bereits zurück­er­stat­te­ten Betrag von der Kla­ge­for­de­rung in Abzug bringt.

II.

Die Kla­ge ist aller­dings unbe­grün­det. Der Klä­ger hat gegen die Beklag­te kei­nen Anspruch auf Rück­ge­währ der von der Schuld­ne­rin im Zeit­raum vom 30.07.2020 bis zum 24.09.2020 an die Beklag­te geleis­te­ten Zahlungen.

1. Dabei kann dahin­ste­hen, ob der Klä­ger über­haupt die Anfech­tungs­vor­aus­set­zun­gen nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO hin­rei­chend dar­ge­legt hat. Dass der Beklag­ten die tat­säch­lich erfolg­te Stel­lung eines Insol­venz­an­trags durch die Schuld­ne­rin zur Kennt­nis gege­ben wor­den sei, hat der Klä­ger nicht dar­ge­tan. Vor­ge­tra­gen ist viel­mehr ledig­lich, dass der Beklag­ten mit dem Schrei­ben der Sanie­rungs­be­ra­te­rin der Schuld­ne­rin vom 25.06.2020 mit­ge­teilt wor­den sei, dass der Schuld­ne­rin die Stel­lung eines Insol­venz­an­trags habe ange­ra­ten wer­den müs­sen und ein sol­cher nun­mehr vor­be­rei­tet wer­de. Zwar steht nach § 130 Abs. 2 InsO der Kennt­nis eines gestell­ten Eröff­nungs­an­trags die Kennt­nis von Umstän­den gleich, die zwin­gend auf die Stel­lung eines Eröff­nungs­an­trags schlie­ßen las­sen. Für einen sol­chen zwin­gen­den Schluss dürf­te die blo­ße Ankün­di­gung der Stel­lung eines Insol­venz­an­trags aber nicht aus­rei­chen (str.; MüKoInsO/​Kayser/​Freudenberg, 4. Aufl. 2019, § 130 Rn. 56 m.w.N. zum Meinungsstand).

2. Die streit­ge­gen­ständ­li­chen Zah­lun­gen unter­lie­gen aber jeden­falls nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG nicht der insol­venz­recht­li­chen Anfech­tung nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO.

a) Der Anwen­dungs­be­reich des § 2 Abs. 1 COVIn­sAG ist im vor­lie­gen­den Fall eröffnet.

Die streit­ge­gen­ständ­li­chen Zah­lun­gen wur­den im Zeit­raum vom 30.07.2020 bis zum 24.09.2020 und damit in dem in § 1 COVIn­sAG genann­ten Aus­set­zungs­zeit­raum (01.03.2020 bis 30.09.2020) geleistet.

Der Eröff­nung des Anwen­dungs­be­reichs steht nicht ent­ge­gen, dass die Schuld­ne­rin nach dem unbe­strit­te­nen Vor­trag des Klä­gers den Insol­venz­an­trag ledig­lich wegen dro­hen­der Zah­lungs­un­fä­hig­keit gestellt hat. Nach § 2 Abs. 2, 2. Halbs. COVIn­sAG gilt der Anfech­tungs­aus­schluss des § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG viel­mehr aus­drück­lich auch für Schuld­ner, die weder zah­lungs­un­fä­hig noch über­schul­det sind und damit kei­ner Insol­venz­an­trags­pflicht nach § 15a InsO unterliegen.

Bei den Zah­lun­gen han­del­te es sich zudem nach dem unbe­strit­ten geblie­be­nen Vor­trag der Beklag­ten zudem durch­weg um kon­gru­en­te Deckungs­hand­lun­gen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG.

b) Der Beklag­ten war auch nicht i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4, 2. Halbs. COVIn­sAG bekannt, dass die Sanie­rungs- und Finan­zie­rungs­be­mü­hun­gen der Schuld­ne­rin nicht zur Besei­ti­gung einer ein­ge­tre­te­nen Zah­lungs­un­fä­hig­keit geeig­net gewe­sen wären. Eine sol­che Kennt­nis ergibt sich ins­be­son­de­re nicht aus dem Schrei­ben der Sanie­rungs­be­ra­te­rin der Schuld­ne­rin vom 25.06.2020 (Anla­ge K2). Dem Schrei­ben ist ledig­lich zu ent­neh­men, dass die Sanie­rungs­be­ra­te­rin die Stel­lung eines Insol­venz­an­trags in Eigen­ver­wal­tung vor­be­rei­te. Hier­aus lässt sich aber nicht der Schluss zie­hen, dass damit jeg­li­che (wei­te­ren) Sanie­rungs- und Finan­zie­rungs­be­mü­hun­gen der Schuld­ne­rin aus­sichts­los sein wür­den. Die­ser Schluss wäre nur dann gerecht­fer­tigt, wenn die Sanie­rung eines Unter­neh­mens im Rah­men eines Insol­venz­ver­fah­rens nicht zu erwar­ten wäre. Dies ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klä­gers aber nicht der Fall.

Die Sanie­rung eines Unter­neh­mens ist sowohl nach der gesetz­li­chen Kon­zep­ti­on der Insol­venz­ord­nung als auch ihrer prak­ti­schen Anwen­dung – unab­hän­gig davon, ob man den Erhalt eines Unter­neh­mens durch Sanie­rung als neben dem Ziel einer best­mög­li­chen Befrie­di­gung der Gläu­bi­ger gleich­ran­gi­ges oder ledig­lich unter­ge­ord­ne­tes Ziel des Insol­venz­ver­fah­rens ein­ord­nen möch­te (zum Mei­nungs­stand inso­weit MüKoInsO/​Ganter/​Bruns, 4. Aufl. 2019, § 1 Rn. 85) – von wesent­li­cher Bedeu­tung in der Füh­rung von Insol­venz­ver­fah­ren. Dies gilt gera­de in Fäl­len, in denen – wie im vor­lie­gen­den Fall – ein Insol­venz­ver­fah­ren in Eigen­ver­wal­tung durch­ge­führt wer­den soll (s. RegE InsO, BT-Drs. 12/​2443, S. 226). Es ent­spricht damit gera­de nicht der Kon­zep­ti­on der Insol­venz­ord­nung, die Sanie­rung eines Unter­neh­mens bereits mit Stel­lung eines Insol­venz­an­trags als geschei­tert anzu­se­hen. Dem­entspre­chend ver­mag auch allein die Kennt­nis über einen gestell­ten oder gar nur in Vor­be­rei­tung befind­li­chen Insol­venz­an­trag kei­ne Kennt­nis hin­sicht­lich der feh­len­den Eig­nung von Sanie­rungs- und Finan­zie­rungs­be­mü­hun­gen der Schuld­ne­rin zur Besei­ti­gung einer ein­ge­tre­te­nen oder gar nur dro­hen­den Zah­lungs­un­fä­hig­keit zu vermitteln.

c) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klä­gers bean­sprucht der Anfech­tungs­aus­schluss nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG auch dann Gel­tung, wenn ein Schuld­ner einen Insol­venz­an­trag gestellt hat und dies dem Zah­lungs­emp­fän­ger bekannt ist.

Der Geset­zes­wort­laut sieht eine Beschrän­kung des Anfech­tungs­aus­schlus­ses auf vor einem Insol­venz­an­trag geleis­te­te Zah­lun­gen nicht vor. Auch eine teleo­lo­gi­sche Reduk­ti­on der Norm in dem vom Klä­ger gewünsch­ten Sinn erscheint vor­lie­gend nicht veranlasst.

Dabei genügt es für die Annah­me einer teleo­lo­gi­schen Reduk­ti­on nicht, dass eine ein­deu­ti­ge gesetz­li­che Rege­lung ledig­lich nach eige­ner Ein­schät­zung des Gerichts sach­lich ver­fehlt erscheint, das Gericht mit­hin in der Rol­le des Gesetz­ge­bers eine ande­re Rege­lung getrof­fen hät­te. Viel­mehr bedarf es belast­ba­rer Anhalts­punk­te dafür, dass die gesetz­li­che Rege­lung tat­säch­lich nicht dem gesetz­ge­be­ri­schen Wil­len ent­spricht oder zumin­dest dem gesetz­lich ver­folg­ten Zweck zuwi­der­läuft. Hier­für lie­gen vor­lie­gend aber kei­ne hin­rei­chend belast­ba­ren Anhalts­punk­te vor. Viel­mehr spricht die Geset­zes­sys­te­ma­tik des § 2 COVIn­sAG deut­lich gegen eine ent­spre­chen­de Reduk­ti­on, auch das mit dem Anfech­tungs­aus­schluss aus­weis­lich der Geset­zes­ma­te­ria­li­en ver­folg­te gesetz­ge­be­ri­sche Ziel gebie­tet eine ent­spre­chen­de Reduk­ti­on nicht:

aa) In geset­zes­sys­te­ma­ti­scher Hin­sicht ist inso­weit zunächst zu berück­sich­ti­gen, dass die vom Klä­ger befür­wor­te­te teleo­lo­gi­sche Reduk­ti­on des § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG dahin­ge­hend, dass der Anfech­tungs­aus­schluss im Fal­le von Zah­lun­gen nach bereits gestell­tem Insol­venz­an­trag nicht zur Anwen­dung kom­men sol­le, den gesam­ten Anfech­tungs­tat­be­stand des § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO der Rege­lung des § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG ent­zie­hen wür­de. Dass dies dem gesetz­ge­be­ri­schen Wil­len ent­sprä­che, erscheint inso­weit zwei­fel­haft, als ein ent­spre­chen­der voll­stän­di­ger Aus­schluss des Anfech­tungs­tat­be­stands des § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO aus dem Anwen­dungs­be­reich des § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG rege­lungs­tech­nisch ohne wei­te­re Schwie­rig­kei­ten zu for­mu­lie­ren gewe­sen wäre.

Vor allem aber gilt der Anfech­tungs­aus­schluss nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG nach § 2 Abs. 2, 2. Halbs. COVIn­sAG ‒ wie bereits dar­ge­stellt ‒ aus­drück­lich auch für Schuld­ner, die weder zah­lungs­un­fä­hig noch über­schul­det sind. Bei einem Schuld­ner, der weder zah­lungs­un­fä­hig noch über­schul­det ist, kommt im Fal­le kon­gru­en­ter Deckungs­hand­lun­gen aber prak­tisch nur der ‒ vor­lie­gend auch allein gel­tend gemach­te ‒ Anfech­tungs­tat­be­stand des § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO in Betracht, wäh­rend die übri­gen Anfech­tungs­tat­be­stän­de des § 130 Abs. 1 InsO und des § 133 Abs. 3 InsO eine ein­ge­tre­te­ne Zah­lungs­un­fä­hig­keit des Schuld­ners vor­aus­set­zen. Die klä­ger­seits befür­wor­te­te teleo­lo­gi­sche Reduk­ti­on wür­de damit ‒ wie gera­de der vor­lie­gen­de Streit exem­pla­risch zeigt ‒ die Rege­lung des § 2 Abs. 2, 2. Halbs. COVIn­sAG in Bezug auf den Anfech­tungs­aus­schluss nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG prak­tisch voll­stän­dig eines Anwen­dungs­be­rei­ches berau­ben. Dafür, dass ein sol­ches Leer­lau­fen der Rege­lung des § 2 Abs. 2, 2. Halbs. COVIn­sAG in Bezug auf den Anfech­tungs­aus­schluss nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG dem gesetz­ge­be­ri­schen Wil­len ent­spre­chen könn­te, erge­ben sich aber weder aus der Geset­zes­be­grün­dung noch sonst belast­ba­re Anhalts­punk­te. Im Gegen­teil nimmt die Geset­zes­be­grün­dung zu § 2 Abs. 2, 2. Halbs. COVIn­sAG aus­drück­lich auch auf die Rege­lung nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG Bezug (Frak­ti­ons­ent­wurf, BT-Drucks. 19/​18110, S. 25).

bb) Auch das mit dem Anfech­tungs­aus­schluss ver­folg­te gesetz­ge­be­ri­sche Ziel gebie­tet die klä­ger­seits befür­wor­te­te teleo­lo­gi­sche Reduk­ti­on nicht. Dabei ent­behrt die klä­ge­ri­sche Prä­mis­se, dass der Zweck des gesetz­li­chen Anfech­tungs­aus­schlus­ses im Fal­le der Stel­lung eines Insol­venz­an­trags nicht mehr erreicht wer­den könn­te, einer zur Recht­fer­ti­gung einer teleo­lo­gi­schen Reduk­ti­on der Norm hin­rei­chen­den Grundlage.

Erklär­tes gesetz­ge­be­ri­sches Ziel des in § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG nor­mier­ten Anfech­tungs­aus­schlus­ses ist es, Sanie­rungs­be­mü­hun­gen eines pan­de­mie­be­dingt in die Kri­se gera­te­nen Schuld­ners zu unter­stüt­zen (Frak­ti­ons­ent­wurf, BT-Drucks. 19/​18110, S. 24). Weder dem Geset­zes­wort­laut noch der Ent­wurfs­be­grün­dung lässt sich aber hin­rei­chend sicher ent­neh­men, dass die ent­spre­chen­den Sanie­rungs­be­mü­hun­gen nach dem Wil­len des Gesetz­ge­bers aus­schließ­lich außer­halb eines Insol­venz­ver­fah­rens erfol­gen dürf­ten, um in den Anwen­dungs­be­reich des Anfech­tungs­aus­schlus­ses nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG zu fallen.

Eine ent­spre­chen­de Beschrän­kung des gesetz­ge­be­ri­schen Ziels des in § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG nor­mier­ten Anfech­tungs­aus­schlus­ses auf außer­halb eines Insol­venz­ver­fah­rens erfolg­te Sanie­rungs­be­mü­hun­gen ergibt sich dabei ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klä­gers nicht aus der Rege­lung über die Aus­set­zung der Insol­venz­an­trags­pflicht nach § 1 COVIn­sAG. Zwar kommt in der in § 1 COVIn­sAG nor­mier­ten zeit­wei­li­gen Aus­set­zung der Insol­venz­an­trags­pflicht unzwei­deu­tig der Wil­le des Gesetz­ge­bers zum Aus­druck, eine Sanie­rung von pan­de­mie­be­dingt in die Kri­se gera­te­nen Unter­neh­men unge­ach­tet einer ein­ge­tre­te­nen Insol­venz­rei­fe außer­halb eines Insol­venz­ver­fah­rens zu ermög­li­chen. Hier­aus kann aber nicht mit der erfor­der­li­chen Sicher­heit im Umkehr­schluss auf den Wil­len des Gesetz­ge­bers geschlos­sen wer­den, dass Sanie­rungs­be­mü­hun­gen eines in die Kri­se gera­te­nen Unter­neh­mens nur dann unter den Schutz des Anfech­tungs­aus­schlus­ses nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG fal­len sol­len, wenn es tat­säch­lich auf die Stel­lung eines Insol­venz­an­trags ver­zich­tet. Dabei ist ins­be­son­de­re zu berück­sich­ti­gen, dass der Anfech­tungs­aus­schluss des § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG nach der aus­drück­li­chen gesetz­ge­be­ri­schen Anord­nung in § 2 Abs. 2 COVIn­sAG gera­de auch in Fäl­len gel­ten soll, in denen ent­we­der auf­grund der Rechts­form des Schuld­ners oder man­gels des­sen Insol­venz­rei­fe i.S.d. § 15a InsO kei­ne Insol­venz­an­trags­pflicht besteht. Mit § 2 Abs. 2 COVIn­sAG hat der Gesetz­ge­ber mit­hin die Reich­wei­te des Anfech­tungs­aus­schlus­ses nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG aus­drück­lich über den Gel­tungs­be­reich der Aus­set­zung der Insol­venz­an­trags­pflicht nach § 1 COVIn­sAG hin­aus erstreckt. Ange­sichts die­ser gesetz­ge­be­ri­schen Ent­schei­dung fehlt es aber an einer Grund­la­ge für die Annah­me, dass außer­halb der Rege­lung des § 2 Abs. 2 COVIn­sAG von einer stren­gen Kon­gru­enz zwi­schen der Aus­set­zung der Antrags­pflicht nach § 1 COVIn­sAG und dem Anfech­tungs­aus­schluss nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG aus­zu­ge­hen wäre.

Es lie­gen auch kei­ne Anhalts­punk­te dafür vor, dass nach Vor­stel­lung des Gesetz­ge­bers eine mit dem Anfech­tungs­aus­schluss nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG zu unter­stüt­zen­de Sanie­rung eines pan­de­mie­be­dingt in die Kri­se gera­te­nen Schuld­ners mit Stel­lung eines Insol­venz­an­trags nicht mehr in Betracht käme. Wie bereits dar­ge­stellt, ent­spricht es gera­de nicht der Kon­zep­ti­on der Insol­venz­ord­nung, die Sanie­rung eines Unter­neh­mens bereits mit Stel­lung eines Insol­venz­an­trags als geschei­tert anzu­se­hen. Dann muss aber das mit dem in § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVIn­sAG nor­mier­ten Anfech­tungs­aus­schluss ver­folg­te gesetz­ge­be­ri­sche Ziel, die Sanie­rung eines in die Kri­se gera­te­nen Unter­neh­mens dadurch zu erleich­tern, dass ihm durch die Anord­nung der Insol­venz­fes­tig­keit von ihm geleis­te­ter Zah­lun­gen die Auf­recht­erhal­tung sei­ner Geschäfts­be­zie­hun­gen ermög­licht wird, glei­cher­ma­ßen auch noch nach Stel­lung eines Insol­venz­an­trags ver­wirk­licht wer­den können.

cc) Schließ­lich ver­mag auch das klä­ge­ri­sche Argu­ment, dass einem Ver­trags­part­ner bei Kennt­nis eines bereits gestell­ten Insol­venz­an­trags auch bekannt sei, dass bei einem Ver­trags­schluss nach Insol­venz­an­trag­stel­lung die Gefahr bestehe, dass der Ver­trag nicht mehr erfüllt wer­de bzw. Anfech­tun­gen dro­hen könn­ten, als rein zir­ku­lä­re Argu­men­ta­ti­on kei­ne ent­spre­chen­de teleo­lo­gi­sche Reduk­ti­on der Norm zu recht­fer­ti­gen. Denn die Fra­ge, ob eine Anfech­tung emp­fan­ge­ner Leis­tun­gen über­haupt droht, hängt gera­de von der vor­lie­gend in Streit ste­hen­den Reich­wei­te des Anfech­tungs­aus­schlus­ses ab.

III.

Die Kos­ten­ent­schei­dung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Ent­schei­dung zur vor­läu­fi­gen Voll­streck­bar­keit ergeht nach § 709 S. 1 und 2 ZPO.