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Urteil im Insolenzrecht

OLG Frank­furt, Urteil vom 12.10.2021 – 4 U 74/​21

zuletzt bear­bei­tet am: 18. Dezem­ber 2022 von RA Dirk Tholl

Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gungs­vor­satz bei der Insol­venz­an­fech­tung kann nicht allein aus der Zah­lungs­un­fä­hig­keit her­ge­lei­tet werden.

Die Ent­schei­dung

Tenor

Die Beru­fung der Beklag­ten gegen das Urteil des Ein­zel­rich­ters der 13. Zivil­kam­mer des Land­ge­richts Frankfurt/​Main vom 10. März 2021 wird zurückgewiesen.

Das Urteil des Land­ge­richts wird ohne Sicher­heits­leis­tung für vor­läu­fig voll­streck­bar erklärt.

Die Kos­ten des Beru­fungs­ver­fah­rens hat die Beklag­te zu tragen.

Die Revi­si­on wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist vor­läu­fig vollstreckbar.

Grün­de

I.

Die Klä­ge­rin ist Ver­wal­te­rin in dem auf einen Eigen­an­trag vom 20.6.2017 am 29.11.2017 eröff­ne­ten Insol­venz­ver­fah­ren über das Ver­mö­gen der A GmbH (im Fol­gen­den Schuld­ne­rin). Er begehrt von der Beklag­ten im Wege der Insol­venz­an­fech­tung nach § 133 Abs. 1, 4 InsO in der seit dem 04.04.2017 gel­ten­den Fas­sung Rück­ge­währ einer am 14.7.2017 durch die Geschäfts­füh­re­rin der Schuld­ne­rin an den Gerichts­voll­zie­her im Wege einer Bar­geld­über­ga­be und anschlie­ßend an die Beklag­te wei­ter­ge­lei­te­ten Zah­lung von 5.318,79 €.

Wegen des erst­in­stanz­li­chen Sach- und Streit­stan­des wird zunächst auf den Tat­be­stand des ange­foch­te­nen Urteils Bezug genom­men. Ergän­zend ist fol­gen­des auszuführen:

Nach dem anwalt­li­chen Schrei­ben der Schuld­ne­rin vom 10.6.2014 unter­brei­te­te der Bevoll­mäch­tig­te der Schuld­ne­rin mit wei­te­rem Schrei­ben vom 16.6.2014 (Bl. 83 d.A.) “nach noch­ma­li­ger Rück­spra­che mit mei­ner Man­dant­schaft und Siche­rung von in einen Raten­zah­lungs­plan ein­zu­stel­len­den For­de­rungs­ein­gän­gen” einen Zah­lungs­vor­schlag, wonach die Schuld­ne­rin – begin­nend ab 20.7.2014 – für die Mona­te Juli bis Sep­tem­ber einen monat­li­chen Teil­be­trag i.H.v. 300 € zah­len soll­te, im Zeit­raum Okto­ber bis Sep­tem­ber 2014 wer­de die monat­li­che Rate auf jeweils 600 € erhöht und mit Wir­kung ab Janu­ar 2015 soll­te die monat­li­che Rate dann jeweils 1.000 € betra­gen. Die Zah­lun­gen soll­ten jeweils am 20. eines Kalen­der­mo­nats fäl­lig sein mit einer Nach­lauf­zeit von 7 Arbeits­ta­gen. Bei einem dar­über­hin­aus­ge­hen­den Zah­lungs­ver­zug ohne Ver­ein­ba­rung gel­te die Raten­zah­lungs­ver­ein­ba­rung als hin­fäl­lig und wer­de die dann fäl­li­ge titu­lier­te Rest­for­de­rung in einer Sum­me zur Zah­lung fäl­lig. Das Schrei­ben schließt mit der Erklä­rung; “Rein vor­sorg­lich sei der Hin­weis erlaubt, dass bei einem Schei­tern die­ses Regu­lie­rungs­vor­schlags mei­ne Man­dan­tin unter insol­venz­recht­li­chen Bestim­mun­gen gege­be­nen­falls ver­pflich­tet ist ent­spre­chen­de Maß­nah­men zu ergreifen”.

Hier­auf ant­wor­te­te der dama­li­ge Bevoll­mäch­tig­te der Beklag­ten mit Schrei­ben vom 17.6.2017 (Bl. 110 d.A.) wie folgt: “Mei­ne Akte besteht seit Mit­te des ver­gan­ge­nen Jah­res aus Ver­mer­ken über Zah­lungs­ver­spre­chen, die dann nicht ein­ge­hal­ten wor­den sind. Mei­ne Man­dant­schaft ist des­halb nur bereit, sich auf die von Ihnen in Ihrem Tele­fax vom 16.6.2014 vor­ge­se­he­ne Raten­zah­lungs­ver­ein­ba­rung ein­zu­las­sen, wenn – Zah­lungs­ein­gang hier in 3 Tagen – eine 1. Rate i.H.v. 300 € erfolgt. Ich bit­te namens mei­ner Man­dant­schaft um Ver­ständ­nis. Die Sum­me ist gering­fü­gig. Wenn auch die­se nicht geleis­tet wer­den kann, erhär­tet sich der Ver­dacht, dass der Vor­schlag Ihrer Par­tei ledig­lich der Insol­venz­ver­schlep­pung dient.”

Nach­dem die erbe­te­ne Rate i.H.v. 300 € nicht gezahlt wur­de, bean­trag­te der Bevoll­mäch­tig­te der Beklag­ten mit Schrift­satz vom 4.7.2014 (Bl. 85 f. d.A.) Antrag auf Erlass eines Haft­be­fehls nach § 901 ZPO gegen die Schuld­ne­rin, weil die Zwangs­voll­stre­ckung frucht­los ver­lau­fen sei. Auf Antrag der Gläu­bi­ge­rin vom 11.4.2014 habe der zustän­di­ge Gerichts­voll­zie­her die Schuld­ne­rin am 12.5.2014 für den 12.6.2014 zum Ter­min zwecks Abga­be der eides­statt­li­chen Ver­si­che­rung gela­den, zu dem die Schuld­ne­rin aber nicht erschie­nen sei.

Das Land­ge­richt hat mit dem ange­foch­te­nen Urteil der Kla­ge statt­ge­ge­ben und zur Begrün­dung aus­ge­führt, dass die Vor­aus­set­zun­gen eines Rück­ge­währ­an­spruchs nach §§ 133 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 143 InsO vor­lä­gen. Bei der Hin­ga­be des Gel­des an den Gerichts­voll­zie­her habe es sich um eine Rechts­hand­lung der Schuld­ne­rin gehan­delt. Die Schuld­ne­rin habe zudem mit Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gungs­vor­satz gehan­delt, weil sie ihre eige­ne Zah­lungs­un­fä­hig­keit gekannt habe. Dies erge­be sich aus dem Schrei­ben vom 10.6.2014. Auf­grund die­ses Schrei­bens habe die Beklag­te Kennt­nis von der Zah­lungs­un­fä­hig­keit der Schuld­ne­rin gehabt, wes­halb ihre Kennt­nis vom Benach­tei­li­gungs­vor­satz ver­mu­tet wer­de. Die Beklag­te kön­ne sich auch nicht mit Erfolg dar­auf beru­fen, dass die ange­foch­te­ne Rechts­hand­lung Bestand­teil eines ernst­haf­ten, letzt­lich aber fehl­ge­schla­ge­nen Sanie­rungs­ver­suchs gewe­sen sei. Zum einen hand­le es sich bei der Zah­lung nicht um einen Bestand­teil eines etwa­igen Sanie­rungs­kon­zepts, viel­mehr sei die­se im Zusam­men­hang mit der wei­ter betrie­be­nen Zwangs­voll­stre­ckung erfolgt. Die Beklag­te habe die Ver­ein­ba­rung einer Raten­zah­lungs­ver­ein­ba­rung gera­de abge­lehnt. Zum ande­ren lie­ge schon kein ernst­haf­tes Sanie­rungs­kon­zept vor, wel­ches min­des­tens in den Anfän­gen schon in die Tat umge­setzt gewe­sen sei und die ernst­haf­te und begrün­de­te Aus­sicht auf Erfolg gerecht­fer­tigt habe. Das Schrei­ben der Schuld­ne­rin ent­hal­te ledig­lich vage Aus­sich­ten auf eine mög­li­che Ver­bes­se­rung der wirt­schaft­li­chen Situa­ti­on. Ein belast­ba­rer Zah­lungs­plan oder gar ein Sanie­rungs­kon­zept habe damit aber noch nicht vorgelegen.

Gegen das der Beklag­ten am 15.3.2021 zuge­stell­te Urteil hat sie am 12.4.2021 Beru­fung ein­ge­legt und nach Ver­län­ge­rung der Beru­fungs­be­grün­dungs­frist bis zum 15.6.2021 mit einem an die­sem Tag ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz begrün­det. Sie ver­folgt ihren Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag aus der 1. Instanz wei­ter und rügt, das Land­ge­richt sei zu Unrecht von einem Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gungs­vor­satz der Schuld­ne­rin und der Kennt­nis der Beklag­ten hier­von aus­ge­gan­gen. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Land­ge­richts erge­be sich aus dem Schrei­ben der Schuld­ne­rin vom 10.6.2014 ein­deu­tig, dass die Schuld­ne­rin zu die­sem Zeit­punkt ihre Insol­venz­rei­fe wegen Zah­lungs­un­fä­hig­keit gera­de noch nicht ange­nom­men habe. Sie habe ledig­lich zum Aus­druck gebracht, dass sie eine Insol­venz allen­falls zukünf­tig befürch­te, wenn sie eine Ver­mö­gens­aus­kunft abge­ben müs­se. Die Aus­sa­ge beinhal­te ledig­lich eine Pro­gno­se, wonach eine Ver­mö­gens­aus­kunft das lau­fen­de Geschäft so zu beein­träch­ti­gen dro­he, dass mit erheb­li­chen Aus­fäl­len und in der Fol­ge mit einer Insol­venz gerech­net wer­den müs­se. Selbst die Abga­be einer Ver­mö­gens­aus­kunft bele­ge nicht, dass der­je­ni­ge, der sie abge­be, zah­lungs­un­fä­hig sei. Die Abga­be der Ver­mö­gens­aus­kunft löse nicht die Ver­mu­tungs­wir­kung nach § 17 Abs. 2 S. 2 InsO für das Vor­lie­gen einer Zah­lungs­un­fä­hig­keit bei Zah­lungs­ein­stel­lung aus. Die Schuld­ne­rin habe vor­lie­gend kein Ver­hal­ten gezeigt, in dem sich typi­scher­wei­se aus­drü­cke, dass sie nicht in der Lage sei, ihre fäl­li­gen Zah­lungs­pflich­ten zu erfül­len. Zwar kön­ne aus­nahms­wei­se die Nicht­zah­lung einer ein­zi­gen Ver­bind­lich­keit eine Zah­lungs­ein­stel­lung begrün­den, es müs­se sich dann aber um eine For­de­rung von ins­ge­samt nicht unbe­trächt­li­cher Höhe han­deln. Dies sei bei dem hier in Rede ste­hen­den Betrag nicht der Fall. Auch habe das Land­ge­richt zu Unrecht aus der von der Schuld­ne­rin ange­bo­te­nen Raten­zah­lungs­ver­ein­ba­rung den Schluss gezo­gen, dass sie auch in den fol­gen­den 3 Wochen nicht in der Lage sein wer­de, die bestehen­de Liqui­di­täts­lü­cke auf weni­ger als 10 % zurückzuführen.

Wei­ter­hin grei­fe im vor­lie­gen­den Fall die Ver­mu­tungs­wir­kung für eine Kennt­nis der Beklag­ten von einem etwa­igen Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gungs­vor­satz der Schuld­ne­rin gemäß § 133 Abs. 1 S. 2 InsO nicht ein, weil die Beklag­te kei­ne Kennt­nis von einer Zah­lungs­un­fä­hig­keit der Schuld­ne­rin gehabt habe. Sie habe noch nicht ein­mal Anlass zu der Annah­me gehabt, dass die Beru­fungs­be­klag­te bereits zah­lungs­un­fä­hig gewe­sen sein soll. Viel­mehr habe die Schuld­ne­rin im Schrei­ben vom 10.6.2014 aus­drück­lich erklärt, dass ein aktu­el­ler Insol­venz­tat­be­stand im Hin­blick auf eine unter Ein­be­zie­hung von Gesell­schaf­ter­dar­le­hen noch aus­rei­chen­de Kapi­tal­struk­tur und einer unter Ein­be­zie­hung der offe­nen For­de­run­gen auch noch ent­spre­chen­den Liqui­di­täts­la­ge nicht gege­ben sei. Auch habe sie als Ursa­che für die aktu­ell wirt­schaft­lich schwie­ri­ge Situa­ti­on das bis­lang nicht ver­trags­kon­for­me Ver­hal­ten von Geschäfts­part­nern des Ehe­manns der Geschäfts­füh­re­rin der Schuld­ne­rin in den Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emi­ra­ten genannt.

Selbst wenn dies anders zu beur­tei­len wäre, grei­fe die Ver­mu­tungs­wir­kung jeden­falls des­we­gen nicht ein, weil die ange­foch­te­ne Rechts­hand­lung Bestand­teil eines ernst­haf­ten, letzt­lich aber fehl­ge­schla­ge­nen Sanie­rungs­ver­suchs gewe­sen sei. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Land­ge­richts sei das Sanie­rungs­kon­zept aus­rei­chend kon­kret gewe­sen. Es habe im Wesent­li­chen auf dem Ein­zug von offe­nen For­de­run­gen der Schuld­ne­rin und dem Ver­kauf einer pri­va­ten Immo­bi­lie der Gesell­schaf­ter sowie der sich anschlie­ßen­den Finanz­ein­la­ge beruht. Wenn tat­säch­lich schon im Jahr 2014 eine Insol­venz­la­ge vor­ge­le­gen hät­te, hät­te die Geschäfts­füh­re­rin der Klä­ge­rin Insol­venz anmel­den müs­sen. Da dies unstrei­tig nicht erfolgt sei und auch kein Straf­ver­fah­ren wegen Insol­venz­ver­schlep­pung ein­ge­lei­tet wor­den sei, sei nicht vom Vor­lie­gen einer Insol­venz­la­ge auszugehen.

Die Beklag­te beantragt,

das ange­foch­te­ne Urteil teil­wei­se abzu­än­dern und die Kla­ge ins­ge­samt abzuweisen.

Die Klä­ge­rin beantragt,

die Beru­fung zurückzuweisen.

II.

Die zuläs­si­ge Beru­fung der Beklag­ten gegen das Urteil des Land­ge­richts Frankfurt/​Main vom 10.3.2021 hat in der Sache jedoch kei­nen Erfolg. Die ange­foch­te­ne Ent­schei­dung beruht weder auf einer Rechts­ver­let­zung im Sin­ne des § 546 ZPO, noch recht­fer­ti­gen die nach § 529 ZPO zugrun­de zule­gen­den Tat­sa­chen eine ande­re Ent­schei­dung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Das Land­ge­richt hat zu Recht einen Anspruch der Klä­ge­rin gegen die Beklag­te auf Zah­lung des Kla­ge­be­tra­ges aus §§ 129, 133, 143 InsO n.F. bejaht. Die mit der Beru­fungs­be­grün­dung vor­ge­brach­ten Ein­wen­dun­gen der Beklag­ten recht­fer­ti­gen auch in Anse­hung der durch das Urteil des BGH vom 6.5.2021 (IX ZR 72/​20) neu aus­ge­rich­te­ten Recht­spre­chung zum Nach­weis der sub­jek­ti­ven Vor­aus­set­zun­gen des § 133 Abs. 1 InsO im Ergeb­nis kei­ne abwei­chen­de recht­li­che Beurteilung.

1. Bei der streit­ge­gen­ständ­li­chen ange­foch­te­nen Zah­lung han­delt es sich um eine Rechts­hand­lung der Schuld­ne­rin, die in Höhe des durch die Zah­lun­gen bewirk­ten Liqui­di­täts­ab­flus­ses durch Ver­kür­zung der Aktiv­mas­se eine objek­ti­ve Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gung i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO bewirkt hat.

Die Beklag­te zieht in der Beru­fungs­in­stanz die recht­li­che Bewer­tung des Land­ge­richts zum Vor­lie­gen einer Rechts­hand­lung der Schuld­ne­rin nicht mehr in Zwei­fel. Sie steht auch in Über­ein­stim­mung mit der Recht­spre­chung des BGH, von der abzu­wei­chen der Senat kei­nen Anlass sieht. Eine Zah­lung, die der Schuld­ner zur Abwen­dung von Zwangs­voll­stre­ckungs­maß­nah­men an den Gerichts­voll­zie­her geleis­tet hat, ist eine Rechts­hand­lung des Schuld­ners. Der Umstand, dass ein Schuld­ner nur unter dem Druck der dro­hen­den Zwangs­voll­stre­ckung zahlt, recht­fer­tigt kei­ne Gleich­set­zung die­ser Leis­tung mit Ver­mö­gens­zu­grif­fen, die durch Vor­nah­me von Zwangs­voll­stre­ckungs­maß­nah­men erfol­gen (vgl. BGH, Urteil vom 27.5.2003, – IX ZR 169/​02 -, juris Rn. 10 f.).

2. Die Rechts­hand­lung der Schuld­ne­rin wur­de in den letz­ten vier Jah­ren vor dem Antrag auf Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens vor­ge­nom­men (§ 133 Abs. 2 InsO).

Es han­delt sich vor­lie­gend um eine kon­gru­en­te Deckungs­hand­lung. Gewährt der Schuld­ner dem Gläu­bi­ger auf eine fäl­li­ge For­de­rung eine Leis­tung frü­her als 3 Mona­te vor dem Öff­nungs­an­trag, stellt sie sich nicht bereits des­halb als inkon­gru­en­te Deckung dar, weil sie zur Ver­mei­dung einer unmit­tel­bar bevor­ste­hen­den Zwangs­voll­stre­ckung erfolgt. Nach der Insol­venz­ord­nung sind Zwangs­voll­stre­ckungs­maß­nah­men von Gläu­bi­gern als Rechts­hand­lun­gen, an den der Schuld­ner nicht mit­ge­wirkt hat, nur anfecht­bar, wenn sie in den letz­ten 3 Mona­ten vor dem Eröff­nungs­an­trag vor­ge­nom­men wur­den, selbst wenn der Schuld­ner schon vor die­sem Zeit­raum zah­lungs­un­fä­hig war oder sei­ne Zah­lungs­un­fä­hig­keit droh­te (§§ 130, 131 InsO). Zwangs­voll­stre­ckungs­maß­nah­men von Gläu­bi­gern vor die­sem Zeit­raum kön­nen daher nicht mit der Begrün­dung als inkon­gru­ent ange­se­hen wer­den, die Befug­nis des Gläu­bi­gers, sich mit­hil­fe hoheit­li­cher Zwangs­mit­tel eine rechts­be­stän­di­ge Siche­rung oder Befrie­di­gung der eige­nen fäl­li­gen For­de­run­gen zu ver­schaf­fen, tre­te hin­ter dem Schutz der Gläu­bi­ger­ge­samt­heit zurück. Das­sel­be gilt dann aber auch für Leis­tun­gen des Schuld­ners, die die­ser mehr als 3 Mona­te vor dem Eröff­nungs­an­trag auf eine fäl­li­ge For­de­rung zur Ver­mei­dung einer unmit­tel­bar bevor­ste­hen­den Zwangs­voll­stre­ckung erbracht hat (BGH, Urteil vom 27.5.2003, – IX ZR 169/​02 -, juris Rn. 20, 21).

3. In sub­jek­ti­ver Hin­sicht setzt die Vor­satz­an­fech­tung gemäß § 133 Abs. 1 InsO vor­aus, dass der Schuld­ner bei der Rechts­hand­lung mit dem Vor­satz gehan­delt hat, sei­ne Gläu­bi­ger zu benach­tei­li­gen, und dass der ande­re Teil den Vor­satz des Schuld­ners zur Zeit der Hand­lung kann­te. Die­se Kennt­nis wird ver­mu­tet, wenn der ande­re Teil wuss­te, dass die Zah­lungs­un­fä­hig­keit des Schuld­ners droh­te und dass die Hand­lung die Gläu­bi­ger benachteiligte.

a. Soweit die Recht­spre­chung bis­her ange­nom­men hat, dass ein Schuld­ner, der zah­lungs­un­fä­hig ist und sei­ne Zah­lungs­un­fä­hig­keit kennt, in aller Regel mit Benach­tei­li­gungs­vor­satz han­delt, hält der BGH hier­an für den Fall der Gewäh­rung einer – wie hier – kon­gru­en­ten Deckung nicht mehr unein­ge­schränkt fest. Es reicht nicht aus, dass der Schuld­ner weiß, dass er im Zeit­punkt der Vor­nah­me der spä­ter ange­foch­te­nen Rechts­hand­lung nicht alle sei­ne Gläu­bi­ger befrie­di­gen kann. Ent­schei­dend ist, dass er weiß oder jeden­falls bil­li­gend in Kauf nimmt, dass er auch künf­tig nicht dazu in der Lage sein wird. (BGH, Urteil vom 06. Mai 2021 – IX ZR 72/​20 -, Rn. 31 juris).

Der Schluss von der erkann­ten Zah­lungs­un­fä­hig­keit auf den Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gungs­vor­satz und die Kennt­nis von die­sem beruht auf dem Gedan­ken, der erkann­ter­ma­ßen zah­lungs­un­fä­hi­ge Schuld­ner wis­se, dass sein Ver­mö­gen nicht aus­reicht, um sämt­li­che Gläu­bi­ger zu befrie­di­gen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 – IX ZR 280/​13, WM 2014, 1868 Rn. 17; vom 12. Okto­ber 2017 – IX ZR 50/​15, WM 2017, 2322 Rn. 9). Danach ist der Bezugs­punkt für die Beur­tei­lung des Vor­sat­zes die Liqui­di­täts­la­ge im Moment der Rechts­hand­lung. Das ist kei­ne hin­rei­chend siche­re Beur­tei­lungs­grund­la­ge. Das Wis­sen des Schuld­ners um sei­ne gegen­wär­ti­ge Zah­lungs­un­fä­hig­keit ist nur ein Aspekt. Der Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gungs­vor­satz kann nicht allein dar­aus abge­lei­tet wer­den, dass der Schuld­ner im Zeit­punkt der Rechts­hand­lung nicht in der Lage ist, sämt­li­che Gläu­bi­ger zu befrie­di­gen. Von ent­schei­den­der Bedeu­tung für den Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gungs­vor­satz ist viel­mehr, dass der Schuld­ner weiß oder jeden­falls bil­li­gend in Kauf nimmt, dass er sei­ne (übri­gen) Gläu­bi­ger auch zu einem spä­te­ren Zeit­punkt nicht voll­stän­dig befrie­di­gen kön­nen wird. Dies kann aus der im Moment der Rechts­hand­lung gege­be­nen Liqui­di­täts­la­ge nicht in jedem Fall mit hin­rei­chen­der Gewiss­heit abge­lei­tet wer­den. Die gegen­wär­ti­ge Zah­lungs­un­fä­hig­keit allein spricht für den Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gungs­vor­satz im hier ver­wen­de­ten Sin­ne, wenn sie ein Aus­maß ange­nom­men hat, das eine voll­stän­di­ge Befrie­di­gung der übri­gen Gläu­bi­ger auch in Zukunft nicht erwar­ten lässt, etwa des­halb, weil ein Insol­venz­ver­fah­ren unaus­weich­lich erscheint. Das mag in einer über­wie­gen­den Zahl der nach Maß­ga­be des § 133 Abs. 1 InsO zu beur­tei­len­den Fäl­le anzu­neh­men sein. Es bleibt aber eine nicht zu ver­nach­läs­si­gen­de Anzahl von Fall­ge­stal­tun­gen, in denen die Kri­se noch nicht so weit fort­ge­schrit­ten ist oder aus ande­ren Grün­den berech­tig­te Hoff­nung auf Bes­se­rung besteht. Hier genügt der Blick auf die momen­ta­ne Liqui­di­täts­la­ge nicht für eine im Sin­ne des § 286 ZPO siche­re Über­zeu­gung. Des­halb ist es erfor­der­lich, den Bezugs­punkt für die Beur­tei­lung des Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gungs­vor­sat­zes zu erwei­tern. Maß­geb­lich ist, ob der Schuld­ner wuss­te oder jeden­falls bil­li­gend in Kauf nahm, sei­ne übri­gen Gläu­bi­ger auch zu einem spä­te­ren Zeit­punkt nicht voll­stän­dig befrie­di­gen zu kön­nen. Ent­spre­chen­des gilt für die Kennt­nis des Anfech­tungs­geg­ners vom Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gungs­vor­satz des Schuld­ners. Ob der Schuld­ner wuss­te oder jeden­falls bil­li­gend in Kauf nahm, sei­ne übri­gen Gläu­bi­ger auch zu einem spä­te­ren Zeit­punkt nicht voll­stän­dig befrie­di­gen zu kön­nen, hat der Tat­rich­ter gemäß § 286 ZPO unter Wür­di­gung aller maß­geb­li­chen Umstän­de des Ein­zel­falls zu prü­fen (BGH, Urteil vom 06. Mai 2021 – IX ZR 72/​20 -, Rn. 36 – 37, juris).

Für die Fest­stel­lung der ein­ge­tre­te­nen Zah­lungs­un­fä­hig­keit gel­ten die her­ge­brach­ten Grund­sät­ze. Ins­be­son­de­re kann wei­ter­hin von der erkann­ten Zah­lungs­ein­stel­lung auf die erkann­te Zah­lungs­un­fä­hig­keit geschlos­sen wer­den. Anlass besteht jedoch zu einer Kon­kre­ti­sie­rung des durch den Tat­rich­ter bei der Fest­stel­lung der Zah­lungs­ein­stel­lung anzu­le­gen­den Maß­stabs. Ent­schei­dend ist die am Beweis­maß des § 286 ZPO zu mes­sen­de, in umfas­sen­der und wider­spruchs­frei­er Wür­di­gung des Pro­zess­stoffs zu gewin­nen­de Über­zeu­gung, der Schuld­ner kön­ne aus Man­gel an liqui­den Zah­lungs­mit­teln nicht zah­len. Eine beson­ders aus­sa­ge­kräf­ti­ge Grund­la­ge für die­se Über­zeu­gung ist die eige­ne Erklä­rung des Schuld­ners. Erklärt der Schuld­ner, eine fäl­li­ge und nicht unbe­trächt­li­che Ver­bind­lich­keit bin­nen drei Wochen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2016 – IX ZR 174/​15, WM 2016, 1238 Rn. 27) nicht – und zwar auch nicht nur raten­wei­se – beglei­chen zu kön­nen, wird in aller Regel von einer Zah­lungs­ein­stel­lung des Schuld­ners im Zeit­punkt der Abga­be der Erklä­rung aus­zu­ge­hen sein. Dies gilt erst recht, wenn der Schuld­ner dar­über hin­aus aus­drück­lich erklärt, zah­lungs­un­fä­hig zu sein. Fehlt es an einer (aus­drück­li­chen) Erklä­rung des Schuld­ners, müs­sen die für eine Zah­lungs­ein­stel­lung spre­chen­den Umstän­de ein der Erklä­rung ent­spre­chen­des Gewicht errei­chen. Zah­lungs­ver­zö­ge­run­gen allein, auch wenn sie wie­der­holt auf­tre­ten, rei­chen dafür häu­fig nicht. Es müs­sen dann Umstän­de hin­zu­tre­ten, die mit hin­rei­chen­der Gewiss­heit dafür spre­chen, dass die Zah­lungs­ver­zö­ge­rung auf der feh­len­den Liqui­di­tät des Schuld­ners beruht.

Die zusätz­lich erfor­der­li­chen Umstän­de kön­nen dar­in zu sehen sein, dass der Schuld­ner For­de­run­gen sol­cher Gläu­bi­ger nicht begleicht, auf deren (wei­te­re) Leis­tungs­er­brin­gung er zur Auf­recht­erhal­tung sei­nes Geschäfts­be­triebs ange­wie­sen ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2016 – IX ZR 174/​15, WM 2016, 1238 Rn. 24). Fer­ner kann der Mahn- und/​oder Voll­stre­ckungs­druck des Gläu­bi­gers der Zah­lungs­ver­zö­ge­rung ein grö­ße­res Gewicht ver­lei­hen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Janu­ar 2016 – IX ZR 32/​14, NZI 2016, 222 Rn. 15). Ein sche­ma­ti­sches Vor­ge­hen ver­bie­tet sich. Maß­ge­bend ist, dass die zusätz­li­chen Umstän­de im kon­kre­ten Ein­zel­fall ein Gewicht errei­chen, das der Erklä­rung des Schuld­ners ent­spricht, aus Man­gel an liqui­den Mit­teln nicht zah­len zu kön­nen (BGH, Urteil vom 06. Mai 2021 – IX ZR 72/​20 -, Rn. 41 – 42, juris).

Im Grund­satz hält der BGH auch dar­an fest, dass die Fort­dau­er der ein­mal ein­ge­tre­te­nen Zah­lungs­ein­stel­lung zu ver­mu­ten ist. Aller­dings ist die Ver­mu­tung nach Auf­fas­sung des BGH in der Ver­gan­gen­heit zu undif­fe­ren­ziert ange­wandt wor­den. Rich­ti­ger­wei­se hän­gen Stär­ke und Dau­er der Ver­mu­tung davon ab, in wel­chem Aus­maß die Zah­lungs­un­fä­hig­keit zuta­ge getre­ten ist. Dies gilt ins­be­son­de­re für den Erkennt­nis­ho­ri­zont des Anfech­tungs­geg­ners. Sein Wis­sen um die Liqui­di­tät des Schuld­ners bleibt in den meis­ten Fäl­len hin­ter den Erkennt­nis­sen des Schuld­ners zurück. Des­sen Kri­se kann tat­säch­lich schon weit fort­ge­schrit­ten sein, sich dem Anfech­tungs­geg­ner jedoch nur ein­ge­schränkt offen­ba­ren. Dies gilt ins­be­son­de­re dann, wenn sich das Wis­sen des Anfech­tungs­geg­ners auf das Zah­lungs­ver­hal­ten des Schuld­ners ihm gegen­über beschränkt. Gleich­wohl hat die Recht­spre­chung den Anfech­tungs­geg­ner in der Ver­gan­gen­heit unbe­schränkt für ver­pflich­tet gehal­ten, die all­ge­mei­ne Wie­der­auf­nah­me der Zah­lun­gen zu bewei­sen. Dabei ist zwar unter­schie­den wor­den zwi­schen der objek­ti­ven Zah­lungs­un­fä­hig­keit und der Kennt­nis des Anfech­tungs­geg­ners. Von­ein­an­der abwei­chen­de Anfor­de­run­gen an den zu füh­ren­den Beweis hat der Senat damit jedoch ersicht­lich nie verbunden.

Ist der Schuld­ner zu einem bestimm­ten Zeit­punkt nicht in der Lage, eine ver­hält­nis­mä­ßig gering­fü­gi­ge Ver­bind­lich­keit zu beglei­chen, kann dar­aus nicht ohne wei­te­res geschlos­sen wer­den, dass die­ses Unver­mö­gen andau­ert, wenn er auf die­se Schuld spä­ter Raten ent­rich­tet, weil eine der­ar­ti­ge Deckungs­lü­cke erfah­rungs­ge­mäß im lau­fen­den Geschäfts­be­trieb ohne tief­grei­fen­de Sanie­rungs­be­mü­hun­gen besei­tigt wer­den kann. Anders liegt der Fall, wenn aus dem Zah­lungs­ver­hal­ten des Schuld­ners oder ande­rer zur Kennt­nis des Anfech­tungs­geg­ners gelang­ter Umstän­de aus objek­ti­ver Sicht in dem nach § 140 InsO maß­geb­li­chen Zeit­punkt erfah­rungs­ge­mäß auf Liqui­di­täts­schwie­rig­kei­ten in einem Aus­maß zu schlie­ßen ist, das eine Sanie­rung außer­halb eines Insol­venz­ver­fah­rens aus­ge­schlos­sen oder ein Insol­venz­ver­fah­ren unab­wend­bar erschei­nen lässt (BGH, Urteil vom 06. Mai 2021 – IX ZR 72/​20 -, Rn. 43 – 45, juris).

Ist der Schuld­ner im Zeit­punkt der ange­foch­te­nen Rechts­hand­lung erkann­ter maßen zah­lungs­un­fä­hig, kommt es zusätz­lich dar­auf an, ob er wuss­te oder jeden­falls bil­li­gend in Kauf nahm, sei­ne ande­ren Gläu­bi­ger auch zu einem spä­te­ren Zeit­punkt nicht voll­stän­dig befrie­di­gen zu kön­nen. Von Bedeu­tung ist in die­sem Zusam­men­hang die im Moment der ange­foch­te­nen Rechts­hand­lung bestehen­de Deckungs­lü­cke zwi­schen dem liqui­den Ver­mö­gen des Schuld­ners und sei­nen Ver­bind­lich­kei­ten. Hat­te die Deckungs­lü­cke ein Aus­maß erreicht, das selbst bei opti­mis­ti­scher Ein­schät­zung der zukünf­ti­gen Ent­wick­lung in abseh­ba­rer Zeit kei­ne voll­stän­di­ge Befrie­di­gung der bereits vor­han­de­nen und der abseh­bar hin­zu­tre­ten­den Gläu­bi­ger (vgl. BGH, Urteil vom 12. Okto­ber 2017 – IX ZR 50/​15, WM 2017, 2322 Rn. 19) erwar­ten ließ, muss­te dem Schuld­ner klar sein, dass er nicht ein­zel­ne Gläu­bi­ger befrie­di­gen konn­te, ohne ande­re zu benach­tei­li­gen. Befrie­digt er in die­ser Lage ein­zel­ne Gläu­bi­ger, han­delt er des­halb mit Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gungs­vor­satz. Der Anfech­tungs­geg­ner weiß um die­sen Vor­satz, wenn er die zu des­sen Annah­me füh­ren­den Umstän­de kennt.

Besteht – abhän­gig vom Aus­maß der bestehen­den Deckungs­lü­cke und der aus objek­ti­ver Sicht erwart­ba­ren und vom Schuld­ner erkann­ten Ent­wick­lung – Aus­sicht auf nach­hal­ti­ge Besei­ti­gung der gegen­wär­ti­gen Zah­lungs­un­fä­hig­keit, rückt der hier­für erfor­der­li­che Zeit­raum in den Mit­tel­punkt der Betrach­tung. Der Schuld­ner muss davon aus­ge­hen dür­fen, dass ihm die­ser Zeit­raum ver­bleibt. Das hängt vom Ver­hal­ten der (übri­gen) Gläu­bi­ger ab. Sieht sich der Schuld­ner im Zeit­punkt der ange­foch­te­nen Rechts­hand­lung erheb­li­chem Mahn- und/​oder Voll­stre­ckungs­druck aus­ge­setzt, begrenzt dies den für eine Besei­ti­gung der vor­han­de­nen Deckungs­lü­cke zur Ver­fü­gung ste­hen­den Zeit­raum. Der Schuld­ner han­delt mit Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gungs­vor­satz, wenn er einen Zeit­raum in sei­ne Über­le­gun­gen ein­be­zieht, der ihm unter Berück­sich­ti­gung des Ver­hal­tens sei­ner übri­gen Gläu­bi­ger ersicht­lich nicht zur Ver­fü­gung steht.

Dar­le­gungs- und beweis­be­las­tet für die tat­säch­li­chen Umstän­de, die über die erkann­te Zah­lungs­un­fä­hig­keit hin­aus für den Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gungs­vor­satz und die Kennt­nis von die­sem erfor­der­lich sind, ist der Insol­venz­ver­wal­ter. Dies gilt auch, soweit es sich – wie bei dem Umstand, dass kei­ne begrün­de­te Aus­sicht auf Besei­ti­gung der Illi­qui­di­tät bestand – um nega­ti­ve Tat­sa­chen han­delt. Dass kei­ne begrün­de­te Aus­sicht auf Besei­ti­gung der Deckungs­lü­cke bestand, ist aller­dings regel­mä­ßig anzu­neh­men, wenn die Ursa­che für die Ent­ste­hung der Zah­lungs­un­fä­hig­keit nicht besei­tigt war oder abseh­bar besei­tigt wer­den wür­de (BGH, Urteil vom 06. Mai 2021 – IX ZR 72/​20 -, Rn. 46 – 48, juris).

b. Auch nach die­sen neu­en Maß­stä­ben ergibt sich auf­grund einer Gesamt­wür­di­gung aller vor­ge­tra­ge­nen Indi­zi­en die Über­zeu­gung des Senats, dass am 14.7.2014 eine Zah­lungs­ein­stel­lung der Schuld­ne­rin vor­lag, die die gesetz­li­che Ver­mu­tung der Zah­lungs­un­fä­hig­keit begrün­det und die dazu führ­te, dass die vor­ge­nom­me­ne gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gen­de Zah­lung auf einem Benach­tei­li­gungs­vor­satz der Schuld­ne­rin beruh­te, den die Beklag­te erkannt hat.

Die Schuld­ne­rin hat­te zum Zeit­punkt der Zah­lung an den Gerichts­voll­zie­her ihre Zah­lun­gen ein­ge­stellt. Dies folgt zum einen aus der Tat­sa­che, dass die Schuld­ne­rin die rela­tiv gering­fü­gi­ge For­de­rung der Beklag­ten aus den bei­den Rech­nun­gen vom 10.5.2011 und 3.9.2012 bis Mit­te 2014 nicht aus­zu­glei­chen im Stan­de war, son­dern, ohne sach­li­che Ein­wen­dun­gen gegen die For­de­rung zu erhe­ben, es auf eine Titu­lie­rung durch die Beklag­te mit­tels Voll­stre­ckungs­be­scheid ankom­men ließ. Auch in der Fol­ge­zeit zahl­te sie die For­de­rung nicht, son­dern sah sich statt­des­sen Mit­te 2014 Zwangs­voll­stre­ckungs­maß­nah­men der Beklag­ten aus­ge­setzt, wel­che sie nach ihren eige­nen Aus­sa­gen in den Schrei­ben vom 10. und 16.6.2014 (Anl. B1 und B2, Bl. 81–84 d.A.) an den Bevoll­mäch­tig­ten der Beklag­ten als in erheb­li­chem Maße geschäfts­schä­di­gend und sogar exis­tenz­be­dro­hend ansah, ohne jedoch erklär­ter­ma­ßen in der Lage zu sein, den Voll­stre­ckungs­druck durch sofor­ti­ge Beglei­chung der offe­nen For­de­rung abzu­wen­den. Aus den eige­nen Erklä­run­gen der Schuld­ne­rin gegen­über dem Bevoll­mäch­tig­ten der Beklag­ten in ihren Schrei­ben vom 10. und 16.6.2014 ergibt sich fer­ner, dass ihr eine Zah­lung auf­grund eines Man­gels an liqui­den Mit­teln nicht mög­lich war. Sie spricht aus­drück­lich von der aktu­ell wirt­schaft­lich schwie­ri­gen Situa­ti­on ihres Geschäfts­be­triebs, der die Ursa­che pri­mär in dem bis­lang nicht ver­trags­kon­for­men Ver­hal­ten von Geschäfts­part­nern des maß­geb­lich in den Geschäfts­be­trieb der Schuld­ne­rin invol­vier­ten Ehe­manns der Geschäfts­füh­re­rin in den Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emi­ra­ten habe. Hin­zu kommt, dass sei­tens der Schuld­ne­rin aus­weis­lich des Schrei­bens des dama­li­gen Bevoll­mäch­tig­ten der Beklag­ten vom 17.6.2014 bereits in den ver­gan­ge­nen Jah­ren Zah­lungs­ver­spre­chen gemacht wor­den waren, die nicht ein­ge­hal­ten wur­den. Dar­aus folgt, dass die Schuld­ne­rin die offe­ne For­de­rung der Beklag­ten nicht etwa igno­riert, son­dern sich ersicht­lich zur Beglei­chung außer­stan­de gese­hen hat.

Bestä­tigt wird das Bild der Zah­lungs­ein­stel­lung dadurch, dass die Schuld­ne­rin trotz der von ihr als außer­or­dent­lich nach­tei­lig und gera­de­zu exis­tenz­be­dro­hend ange­se­he­nen Voll­stre­ckungs­maß­nah­men der Beklag­ten die von deren dama­li­gen Bevoll­mäch­tig­ten im Schrei­ben vom 17.6.2014 gesetz­te Bedin­gung für eine Zustim­mung zu dem Raten­zah­lungs­vor­schlag der Schuld­ne­rin, bin­nen 3 Tagen eine 1. Rate in Höhe von (nur) 300 € zu zah­len, nicht erfüll­te. Schließ­lich sprach die Schuld­ne­rin in dem Schrei­ben vom 16.6.2014 selbst die Befürch­tung aus, dass sie bei einem Schei­tern des von ihr unter­brei­te­ten Regu­lie­rungs­vor­schlags unter insol­venz­recht­li­chen Bestim­mun­gen gege­be­nen­falls ver­pflich­tet sei, ent­spre­chen­de Maß­nah­men zu ergreifen.

Der Umstand, dass die Schuld­ne­rin dann am 14.7.2014 die gesam­te offe­ne For­de­rung in bar an den Gerichts­voll­zie­her zahl­te, ist ange­sichts des wei­ter andau­ern­den Voll­stre­ckungs­drucks nicht geeig­net, die durch die vor­ge­nann­ten Umstän­de beleg­te Zah­lungs­ein­stel­lung der Schuld­ne­rin zu widerlegen.

Der Senat ist wei­ter­hin davon über­zeugt, dass die Schuld­ne­rin ent­ge­gen der von ihr im Schrei­ben vom 10.6.2014 in Aus­sicht gestell­ten Schrit­te zur Beschaf­fung neu­en Kapi­tals zumin­dest bil­li­gend in Kauf genom­men hat, auch zukünf­tig nicht alle ihre Gläu­bi­ger befrie­di­gen zu kön­nen. Zum einen wur­de eine Ände­rung der von ihr genann­ten Ursa­che für die ein­ge­tre­te­nen wirt­schaft­li­chen Schwie­rig­kei­ten, das bis­lang nicht ver­trags­kon­for­men Ver­hal­ten von Geschäfts­part­nern des maß­geb­lich in den Geschäfts­be­trieb der Schuld­ne­rin invol­vier­ten Ehe­manns der Geschäfts­füh­re­rin in den Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emi­ra­ten, über­haupt nicht in Aus­sicht gestellt. Zum ande­ren hat­te die gegen­wär­ti­ge Zah­lungs­un­fä­hig­keit aber auch bereits ein Aus­maß ange­nom­men, dass eine voll­stän­di­ge Befrie­di­gung der übri­gen Gläu­bi­ger auch in Zukunft nicht erwar­ten ließ. Der Klä­ger hat dar­ge­legt, dass zum Zeit­punkt der ange­foch­te­nen Zah­lun­gen am 14.7.2014 ins­ge­samt fäl­li­ge For­de­run­gen i.H.v. 115.629,88 € bestan­den, die auch bis zur Insol­venz­an­trag­stel­lung nicht aus­ge­gli­chen wor­den sind. Hier­bei han­delt es sich aus­weis­lich der For­de­rungs­auf­stel­lung Anl. K4 zur Kla­ge­schrift, Bl. 16 der Akte, um zu die­sem Zeit­punkt bereits titu­lier­te Miet­for­de­run­gen i.H.v. 11.025,31 € sowie For­de­run­gen gegen­über meh­re­ren Lie­fe­ran­ten, somit betriebs­not­wen­di­ge Aus­ga­ben. Dar­über hin­aus bestand eine bereits fäl­li­ge offe­ne Kre­dit­ver­bind­lich­keit gegen­über der Bank1 AG in Höhe von über 40.000 €. In der Fol­ge­zeit stie­gen die offe­nen For­de­run­gen aus­weis­lich der vom Klä­ger als Anla­ge K4 vor­ge­leg­ten Insol­venz­ta­bel­le immer wei­ter an, wobei es sich vor­nehm­lich um Umsatz­steu­er­rück­stän­de in beträcht­li­cher Höhe handelte.

Der Beklag­ten waren die maß­geb­li­chen Umstän­de bekannt, die mit der von § 286 ZPO vor­aus­ge­setz­ten Gewiss­heit auf die Zah­lungs­ein­stel­lung der Schuld­ne­rin schlie­ßen lie­ßen. Zwar hat­te die Beklag­te natur­ge­mäß kei­ne Kennt­nis der übri­gen offe­nen For­de­run­gen der Schuld­ne­rin als ihrer eige­nen. Die Schuld­ne­rin hat­te ihr gegen­über jedoch in der Ver­gan­gen­heit und durch die Nicht­an­nah­me der von der Beklag­ten mit Schrei­ben vom 17.6.2014 gestell­ten Bedin­gung für eine Rück­nah­me der bereits lau­fen­den Voll­stre­ckungs­maß­nah­men, bin­nen 3 Tagen zumin­dest eine 1. Rate von 300 € zu bezah­len, das Bild eines Schuld­ners ver­mit­telt, des­sen Man­gel an liqui­den Mit­teln ein Aus­maß ange­nom­men hat, dass eine voll­stän­di­ge Befrie­di­gung der übri­gen Gläu­bi­ger auch in Zukunft nicht erwar­ten und ein Insol­venz­ver­fah­ren unaus­weich­lich erschei­nen lässt. Dar­an ändert auch die Tat­sa­che nichts, dass die Schuld­ne­rin der Beklag­ten mit Schrei­ben vom 10.6.2014 die Ein­lei­tung von Maß­nah­men zur Kon­so­li­die­rung, dar­un­ter den Ver­kauf einer pri­va­ten Immo­bi­lie und die Betei­li­gung eines Inves­tors mit einem Min­dest­be­trag i.H.v. 150.000 €, ange­kün­digt hat. Denn zum einen wur­de die Glaub­haf­tig­keit der ange­kün­dig­ten Sanie­rungs­plä­ne bereits durch die Schluss­be­mer­kung im Schrei­ben der Schuld­ne­rin vom 16.6.2014, dass bei einem Schei­tern des Regu­lie­rungs­vor­schlags unter insol­venz­recht­li­chen Bestim­mun­gen gege­be­nen­falls eine Ver­pflich­tung bestehe, ent­spre­chen­de Maß­nah­men zu ergrei­fen, deut­lich infra­ge gestellt. Zum ande­ren ist durch das Schrei­ben des dama­li­gen Bevoll­mäch­tig­ten der Beklag­ten vom 17.6.2014 doku­men­tiert, dass sie den Aus­sa­gen der Schuld­ne­rin im Hin­blick auf die in den ver­gan­ge­nen Jah­ren nicht ein­ge­hal­te­nen Zah­lungs­ver­spre­chen kei­nen Glau­ben schenk­te und den – berech­tig­ten – Ver­dacht heg­te, dass der Regu­lie­rungs­vor­schlag der Schuld­ne­rin ledig­lich der Insol­venz­ver­schlep­pung diente.

Der zwei­te Teil des Ver­mu­tungs­tat­be­stan­des des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO, das Wis­sen um die Benach­tei­li­gung der übri­gen Gläu­bi­ger, wird durch die Kennt­nis der bereits ein­ge­tre­te­nen Zah­lungs­un­fä­hig­keit indi­ziert, wenn der Anfech­tungs­geg­ner weiß, dass es noch ande­re Gläu­bi­ger gibt, deren For­de­run­gen vom Schuld­ner nicht voll­stän­dig bedient wer­den. Mit Letz­te­rem muss ein Gläu­bi­ger rech­nen, wenn der Schuld­ner – wie hier – unter­neh­me­risch tätig ist (vgl. BGH, Urteil vom 6.5.2021, – IX ZR 72/​20 -, juris Rn. 51).