Archiv für das Monat: November, 2022

Urteil im Insolenzrecht

Asset Pro­tec­tion als Ver­mö­gens­schutz und Absi­che­rung der Fami­lie im Insolvenzverfahren

zuletzt bear­bei­tet am: 14. Sep­tem­ber 2023 von RA Dirk Tholl

Die­ser Arti­kel beschreibt die gesetz­li­chen Mög­lich­kei­ten des Ver­mö­gens­schut­zes, um die­ses von einer durch Haf­tung gefähr­de­ten Per­son recht­lich zu tren­nen, um die­se zukünf­tig einem Gläu­bi­ger­zu­griff zu ent­zie­hen (Asset Pro­tec­tion). Bedeu­tung bekom­men die­se Über­le­gun­gen, wenn die zukünf­ti­ge Inan­spruch­nah­me des Schuld­ners mög­li­cher­wei­se durch Gläu­bi­ger oder Insol­venz­ver­wal­ter droht. 

Wenn der Schuld­ner jedoch kein zu ver­tei­len­des Ver­mö­gen mehr besitzt, ist ein Zugriff weder im Wege der Voll­stre­ckung noch durch den Insol­venz­ver­wal­ter im Insol­venz­ver­fah­ren mög­lich.

Wel­che Arten der Ver­mö­gens­si­che­rung sind möglich:

Lega­le Möglichkeiten

Ver­mö­gens­über­tra­gun­gen

vor­weg­ge­nom­me­ner Erbfolge

Schutz des Familienheims

Ver­zicht auf Rechte

Güter­stands­schau­keln

Bezugs­rech­te an einer Lebensversicherung

Fami­li­en­stif­tung

Grün­dung einer Per­son- oder Kapitalgesellschaft

Rechts­wid­ri­ge Modelle

Rechts­wid­ri­ge Vermögenstransaktion

Ein­tra­gung nicht valu­tie­ren­de Eigentümergrundschulden

Inkon­gru­en­te Deckung

zuletzt bear­bei­tet am: 19. Sep­tem­ber 2023 von RA Dirk Tholl

Inkon­gru­en­te Deckung ist ein Begriff aus dem Insol­venz­recht. Er wird ver­wen­det in § 131 InsO:

§ 131 Inkon­gru­en­te Deckung
(1) Anfecht­bar ist eine Rechts­hand­lung, die einem Insol­venz­gläu­bi­ger eine Siche­rung oder Befrie­di­gung gewährt oder ermög­licht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu bean­spru­chen hatte,

1.wenn die Hand­lung im letz­ten Monat vor dem Antrag auf Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens oder nach die­sem Antrag vor­ge­nom­men wor­den ist,

2.wenn die Hand­lung inner­halb des zwei­ten oder drit­ten Monats vor dem Eröff­nungs­an­trag vor­ge­nom­men wor­den ist und der Schuld­ner zur Zeit der Hand­lung zah­lungs­un­fä­hig war oder

3.wenn die Hand­lung inner­halb des zwei­ten oder drit­ten Monats vor dem Eröff­nungs­an­trag vor­ge­nom­men wor­den ist und dem Gläu­bi­ger zur Zeit der Hand­lung bekannt war, daß sie die Insol­venz­gläu­bi­ger benachteiligte.

(2) Für die Anwen­dung des Absat­zes 1 Nr. 3 steht der Kennt­nis der Benach­tei­li­gung der Insol­venz­gläu­bi­ger die Kennt­nis von Umstän­den gleich, die zwin­gend auf die Benach­tei­li­gung schlie­ßen las­sen. Gegen­über einer Per­son, die dem Schuld­ner zur Zeit der Hand­lung nahe­stand (§ 138), wird ver­mu­tet, daß sie die Benach­tei­li­gung der Insol­venz­gläu­bi­ger kannte.

Ent­schei­den­de Grund für die Anfecht­bar­keit nach § 131 InsO ist der Umstand, dass der Gläu­bi­ger eine Befrie­di­gung oder Siche­rung (Deckung) erlangt hat, die er nicht oder jeden­falls nicht so zu bean­spru­chen hatte. 

Eine vom Gläu­bi­ger nicht zu bean­spru­chen­de Deckung ist gege­ben, wenn er gegen den Schuld­ner kei­nen Anspruch auf die kon­kret gewähl­te Leis­tung hat­te oder wenn der Anspruch (noch) nicht durch­setz­bar war, etwa weil ihm eine Ein­wen­dung oder eine Ein­re­de entgegenstand.

Wird die Über­ein­stim­mung zwi­schen dem Anspruch oder der gewähr­ten Deckung erst durch eine in den kri­ti­schen Anfech­tung­zeit­raum des § 131 InsO getrof­fe­ne Ver­ein­ba­rung her­ge­stellt, so unter­liegt die­se ihrer­seits der Anfech­tung gemäß § 131 InsO (BGH vom 29.9.2005-IX ZR 184/​04).

Eine inkon­gru­en­te Deckung ist in die­sem Sin­ne ins­be­son­de­re dann gege­ben, wenn die kon­kre­te Deckungs­hand­lung vom Inhalt des Schuld­ver­hält­nis­ses zwi­schen dem Schuld­ner und dem Insol­venz­gläu­bi­ger abweicht (ver­glei­che BGH vom 20.7.2006-IX ZR 44/​05).

Ist eine inkon­gru­en­te Deckung gege­ben, so ist die Insol­venz­an­fech­tung für den Insol­venz­ver­wal­ter leich­ter als bei Vor­lie­gen einer kon­gru­en­ten Deckung gemäß § 130 InsO.

Im ers­ten Monat vor Antrag auf Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens (oder danach) ist jede Hand­lung anfecht­bar. Hier­bei ist egal, ob der Schuld­ner zu die­ser Zeit bereits zah­lungs­un­fä­hig war oder der Gläu­bi­ger von irgend­et­was Kennt­nis hatte.

Im zwei­ten oder drit­ten Monat vor dem Antrag auf Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens ist bei der inkon­gru­en­ten Deckung die anfecht­bar, wenn der Schuld­ner zur Zeit der Hand­lung zah­lungs­un­fä­hig war. Auf eine Kennt­nis des Gläu­bi­gers kommt es nicht an.

Alter­na­tiv kommt eine Anfech­tung auch in Betracht wenn die Hand­lung inner­halb des zwei­ten oder drit­ten Monats vor dem Eröff­nungs­an­trag vor­ge­nom­men war, unab­hän­gig von der Zah­lungs­un­fä­hig­keit des Schuld­ners, wenn der Gläu­bi­ger Kennt­nis davon hat­te, dass die Hand­lung ande­re Insol­venz­gläu­bi­ger benachteiligte.

Urteil im Insolenzrecht

OLG Dres­den, Urteil vom 9.8.2022 – 4 U 243/​22

Kei­ne Löschung von Daten 6 Mona­te nach Rest­s­schuld­be­frei­ung!

Anders jedoch das OLG Schles­wig, Urteil vom 02.07.2021, Az. 17 U 15/​21! => hier.

Sach­ver­halt

Leit­sät­ze

  1. Die Spei­cher­fris­ten der Inso­Bek­VO sind für die Fra­ge, wie lan­ge die Infor­ma­ti­on über die
    Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung in einem Boni­täts­in­for­ma­ti­ons­sys­tem vor­ge­hal­ten wer­den
    darf, nicht heranzuziehen.
  2. Die Ent­schei­dung hängt viel­mehr von einer Abwä­gung im Ein­zel­fall ab, die auf Sei­ten des
    Betrof­fe­nen die kon­kre­te und nach­voll­zieh­ba­re Dar­le­gung von Umstän­den des Ein­zel­falls
    ver­langt, die ihn von sons­ti­gen Schuld­nern, denen eine Rest­schuld­be­frei­ung erteilt wor­den
    ist, unter­schei­det.
    OLG Dres­den, 4. Zivil­se­nat, Urteil vom 9. August 2022, Az.: 4 U 243/​22

Urteil

I.


Die Par­tei­en strei­ten über einen Anspruch des Klä­gers auf Löschung per­so­nen­be­zo­ge­ner
Daten aus der Daten­bank der Beklag­ten.
Der Klä­ger ist als selbst­stän­di­ger Unter­neh­mer tätig. Die Beklag­te ist eine Akti­en­ge­sell­schaft
und betreibt ein Boni­täts­in­for­ma­ti­ons­sys­tem, wel­ches auf der Samm­lung, Spei­che­rung,
Ver­ar­bei­tung und Wei­ter­ga­be von Wirt­schafts­da­ten natür­li­cher und juris­ti­scher Per­so­nen
auf­baut. Die­se Daten sol­len ins­be­son­de­re Kre­dit­ge­ber vor Ver­lus­ten im Kre­dit­ge­schäft mit
poten­ti­el­len Kre­dit­neh­mern schüt­zen. Bei Aus­künf­ten über poten­ti­el­le Ver­trags­part­ner ihrer
Kun­den bil­det die Beklag­te für die­se Ver­trags­part­ner auf­grund der über sie gespei­cher­ten
Daten einen Score-Wert, der etwas über die Boni­tät aus­sa­gen soll. Die Beklag­te spei­chert
auch die im län­der­über­grei­fen­den Inter­net­por­tal unter
„www​.insol​venz​be​kannt​ma​chun​gen​.de“ (nach­fol­gend nur „öffent­li­ches Regis­ter“)
ver­öf­fent­lich­ten Infor­ma­tio­nen in ihrer eige­nen Daten­bank und stellt sie zum Abruf durch
Drit­te bereit.
Im Jahr 2014 wur­de über das Ver­mö­gen des Klä­gers ein Insol­venz­ver­fah­ren eröff­net. Am
20.08.2019 mel­de­te der Klä­ger ein (Neben-)Gewerbe an. Nach Ablauf der
Wohl­ver­hal­tens­pha­se am 16.03.2020 wur­de dem Klä­ger Rest­schuld­be­frei­ung erteilt. Die­se
Infor­ma­ti­on wur­de im öffent­li­chen Regis­ter ver­öf­fent­licht und von dort von der Beklag­ten
unmit­tel­bar – ent­spre­chend ihrer übli­chen und stan­dar­di­sier­ten Arbeits­wei­se – erho­ben.
Nach den für die Beklag­te gel­ten­den Ver­hal­tens­re­geln (Code of Con­duct), die zwi­schen dem
Ver­band „Die W…… e.V.“, des­sen Mit­glied die Beklag­te ist, und den
Daten­schutz­auf­sichts­be­hör­den des Bun­des und der Län­der abge­stimmt und auf Antrag des
Bran­chen­ver­bands von der zustän­di­gen Auf­sichts­be­hör­de geneh­migt wor­den sind, ist die­ser
Daten­satz noch bis zum 15.3.2023 bei der Beklag­ten abruf­bar.
Der Klä­ger for­der­te die Beklag­te mit Schrei­ben vom 15.07.2020 auf, die Infor­ma­ti­on über die
Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung nicht mehr Drit­ten zu über­las­sen, da er einen
Löschungs­an­spruch nach 6 Mona­ten – gleich­lau­fend zur Bekannt­ma­chungs­dau­er in den
Insol­venz­re­gis­tern – aus der DS-GVO habe. Dies wies die Beklag­te mit Schrei­ben vom
16.07.2020 zurück, sie lehn­te eine Löschung der ihr vor­lie­gen­den Infor­ma­tio­nen vor Ablauf der drei­jäh­ri­gen Spei­cher­fris­ten ab.
Der Klä­ger behaup­tet, er habe infol­ge­des­sen zahl­rei­che wirt­schaft­lich vor­teil­haf­te Ver­trä­ge
nicht erhal­ten. So habe sei­ne Bank die Gewäh­rung eines Kre­dit­ver­tra­ges abge­lehnt, den er
für die Sanie­rung des von ihm mit nota­ri­el­lem Ver­trag vom 3.6.2020 zum Preis von 15.000,-
EUR erwor­be­nen Haus­grund­stücks benö­ti­ge, so dass er wei­ter­hin erheb­li­che Miet­zah­lun­gen
für ein von ihm und sei­ner Fami­lie bewohn­tes Haus leis­ten müs­se. Fer­ner sei ihm ein KfW­Kre­dit, den er für sein Unter­neh­men pan­de­mie­be­dingt erhal­ten hät­te, von sei­ner Haus­bank
wegen des Ein­trags ver­wehrt wor­den. Er sei in sei­ner wirt­schaft­li­chen Betä­ti­gung durch die
Ein­tra­gung stark ein­ge­schränkt, da er kei­ne Gewer­be­räu­me anmie­ten kön­ne, und erlei­de in
sei­ner Wett­be­werbs­fä­hig­keit Nach­tei­le, da er die von poten­ti­el­len Auf­trags­ge­bern ver­lang­te
Bank­bürg­schaft nicht erhal­te, u.a. habe er einen Rad­la­der nur gegen Kau­ti­ons­zah­lung
anmie­ten kön­nen. Auch einen Mobil­funk­ver­trag habe er nur gegen Kau­ti­ons­zah­lung
abschlie­ßen kön­nen. Der Abschluss einer güns­ti­gen pri­va­ten Kran­ken­ver­si­che­rung und einer
Risi­ko­le­bens­ver­si­che­rung sei wegen des bei der Beklag­ten gespei­cher­ten Ein­trags
fehl­ge­schla­gen. Er ver­fü­ge aus sei­ner selbst­stän­di­gen Tätig­keit über ein erheb­li­ches
Ein­kom­men in Höhe von rund 4.000,- EUR monat­lich; dies wer­de auch durch den Abschluss
eines nota­ri­el­len Kauf­ver­tra­ges vom 11.03.2021 belegt, mit dem er Grund­stü­cke für ein
Bau­pro­jekt zur Alters­si­che­rung zum Preis von 17.750,- EUR erwor­ben habe.
Das Land­ge­richt hat die Kla­ge abge­wie­sen. Zur Begrün­dung sei­ner hier­ge­gen gerich­te­ten
Beru­fung wie­der­holt und ver­tieft er unter Bezug­nah­me auf eine Ent­schei­dung des OLG
Schles­wig sei­ne Rechtsansicht.


Er bean­tragt,


das Urteil des Land­ge­richts Chem­nitz, Az 42365/​21 vom 30.12.2021,
auf­zu­he­ben und die Beklag­te zu verurteilen,

  1. die in Ihrem elek­tro­ni­schen Daten­be­stand (Com­pu­ter) gespei­cher­ten
    Infor­ma­tio­nen: „Aus den öffent­li­chen Ver­zeich­nis­sen der
    Insol­venz­ge­rich­te stammt die Infor­ma­ti­on, dass zu dem unter dem Az.
    15 IN1269 – 14PL209112 geführ­ten Insol­venz­ver­fah­ren die Ertei­lung der
    Rest­schuld­be­frei­ung am 18.3.2020 mit­ge­teilt wur­de.”, zu löschen,
  2. den Score-Wert des Klä­gers in der Wei­se wie­der unver­züg­lich
    her­zu­stel­len, als habe es die unter dem Antrag unter 1) vor­ge­nom­me­ne
    Spei­che­rung nicht gegeben.

Die Beklag­te beantragt,


die Beru­fung zurückzuweisen.


Sie ver­tei­digt die ange­foch­te­ne Ent­schei­dung unter Wie­der­ho­lung und Ver­tie­fung ihres
bis­he­ri­gen Vor­brin­gens und unter Ver­weis auf die hier­zu bis­lang ergan­ge­ne
Recht­spre­chung.


Wegen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf den Akten­in­halt
Bezug genom­men.

II.
Die zuläs­si­ge Beru­fung hat in der Sache kei­nen Erfolg. Das Land­ge­richt hat die Kla­ge zu
Recht abge­wie­sen. Der Klä­ger hat gegen die Beklag­te kei­nen Anspruch auf Löschung der
Ein­tra­gung sei­ner Rest­schuld­be­frei­ung aus Arti­kel 17 Abs. 1 lit. a), c) oder d) DS-GVO.
Weder war die Spei­che­rung der Daten und der wei­te­ren Ver­ar­bei­tung durch die Beklag­te von
Anfang an unrecht­mä­ßig, noch ist die wei­te­re Ver­ar­bei­tung der Daten für die Zwe­cke, für die
sie erho­ben wur­den, nicht mehr notwendig.Bei der Erhe­bung, Spei­che­rung und (poten­ti­el­len) Wei­ter­ga­be der Infor­ma­tio­nen über den
Klä­ger han­delt es sich um eine Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten durch die Beklag­te
gemäß Art. 4 DS-GVO. Die­se ist “Ver­ant­wort­li­che” im Sin­ne von Art. 4 Nr. 7 DS-GVO. Der
Klä­ger hat unstrei­tig kei­ne Ein­wil­li­gung (Art. 6 Abs. 1 lit. a) DS-GVO) erteilt und die Beklag­te
nimmt auch kei­ne Auf­ga­be im öffent­li­chen Inter­es­se oder in Aus­übung öffent­li­cher Gewalt
wahr (Art 6 Abs. 1 lit. e) DS-GVO).Die Ver­ar­bei­tung der klä­ger­be­zo­ge­nen Infor­ma­tio­nen über das Ein­tre­ten der
Rest­schuld­be­frei­ung durch die Beklag­te war jedoch recht­mä­ßig gem. Art 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO.
Ob die 6‑Mo­nats-Frist des § 3 Inso­Bek­VO – die hier zum 16.09.2020 abge­lau­fen ist – eine
gesetz­li­che Grund­la­ge für die Daten­ver­ar­bei­tung auch nicht­öf­fent­li­cher Stel­len dar­stellt,
bedarf inso­fern kei­ner Ent­schei­dung. Die bis zum 16.03.2023 befris­te­te Daten­ver­ar­bei­tung
durch die Beklag­te ist bereits nach Art 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO zuläs­sig (so im Grund­satz
auch: OLG Olden­burg, vom 23.11.2021 – 13 U 63/​21, – juris; OLG Köln, Urteil vom
27.01.2022 – 15 U 153/​21, – juris; KG, Urteil vom 15.02.2022 – 27 U 51/​21, ‑juris; OLG
Stutt­gart, Urteil vom 10.08.2022 – 9 U 24/​22 – Anla­ge BB Bekl.; Thüsing/​Flink/​Rombey, NZI
2021, 951, beck-online; ent­ge­gen OLG Schles­wig, Urteil vom 02.07.2021, 17 U 15/​21, – juris
und vom 03.06.2022 ‑17 U 5/​22 -, juris; Möller/​Zerhusen, ZVI 2022, 98; Brzo­za, juris­PR-InsR
15/​2022 Anm. 3 zu OLG Schles­wig, a.a.O.). Nach die­ser Vor­schrift ist eine
Daten­ver­ar­bei­tung recht­mä­ßig, wenn sie zur Wah­rung berech­tig­ter Inter­es­sen des
Ver­ant­wort­li­chen oder eines Drit­ten erfor­der­lich ist, sofern nicht die Inter­es­sen, Grund­rech­te
und Grund­frei­hei­ten der betrof­fe­nen Per­son, die den Schutz per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten
erfor­dern, über­wie­gen.
a) Die auf den Klä­ger bezo­ge­nen Infor­ma­tio­nen wer­den von der Beklag­ten zur Wah­rung
berech­tig­ter Inter­es­sen ver­ar­bei­tet. Als berech­tig­tes Inter­es­se kommt dabei jedes recht­li­che,
tat­säch­li­che, wirt­schaft­li­che oder ideel­le Inter­es­se in Betracht (OLG Schles­wig, Urteil vom
02.07.2021, Az. 17 U 15/​21, – juris m.w.N.). Nach ihrem Geschäfts­zweck sam­melt, spei­chert
und ver­ar­bei­tet die Beklag­te boni­täts­re­le­van­te Infor­ma­tio­nen über Per­so­nen. Die
Daten­ver­ar­bei­tung dient sodann dazu, ihren Kun­den die­se Infor­ma­tio­nen im Vor­feld von
Ver­trags­ver­hand­lun­gen oder bei Abschluss von Ver­trä­gen zur Ver­fü­gung zu stel­len, damit
die­se ein­schät­zen kön­nen, ob es bei poten­ti­el­len Ver­trags­part­nern mög­li­cher­wei­se zu
Zah­lungs­schwie­rig­kei­ten kommt. Das eige­ne Inter­es­se der Beklag­ten stellt sich als
wirt­schaft­li­ches Inter­es­se im Sin­ne einer mög­lichst umfas­send voll­stän­di­gen Daten­bank mit
mög­lichst vie­len boni­täts­re­le­van­ten Daten zu mög­li­chen Schuld­nern dar (vgl. Brzo­za,
juris­PR-InsR 15/​2022 Anm. 3). Zwar erkennt Erwä­gungs­grund (4) S. 2 aus­drück­lich an, dass
die unter­neh­me­ri­sche Frei­heit bei der Abwä­gung zu berück­sich­ti­gen ist. Ob die zur
Errei­chung ihrer eige­nen Geschäfts­zie­le vor­ge­nom­me­ne Daten­ver­ar­bei­tung für sich
genom­men aber bereits die Annah­me eines zuguns­ten der Beklag­ten als Ver­ant­wort­li­che
bestehen­den berech­tig­ten Inter­es­ses recht­fer­tigt, kann hier offen­blei­ben, da jeden­falls die
Inter­es­sen ihrer Ver­trags­part­ner, zutref­fen­de und objek­ti­ve Aus­künf­te über Kun­den zu
erhal­ten, um deren Kre­dit­wür­dig­keit bzw. wirt­schaft­li­che Risi­ken bei der
Geschäfts­an­bah­nung oder ‑durch­füh­rung beur­tei­len zu kön­nen, als berech­tig­te Inter­es­sen
eines „Drit­ten“ im Sin­ne der Vor­schrift anzu­er­ken­nen sind.
b) Ent­ge­gen der vom OLG Schles­wig (Urteil vom 02.07.2021, a.a.O.) ver­tre­te­nen Auf­fas­sung
sind ins­be­son­de­re die berech­tig­ten Inter­es­sen der Ver­trags­part­ner der Beklag­ten als „Drit­te“
im Rah­men der nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO gebo­te­nen Abwä­gung neben den
wirt­schaft­li­chen Inter­es­sen der Beklag­ten maß­geb­lich zu berück­sich­ti­gen. Die
Boni­täts­aus­künf­te der Beklag­ten erfol­gen an Unter­neh­men, die ent­we­der Kre­di­te ver­ge­ben
oder auf ande­re Wei­se gegen­über ihren poten­zi­el­len Ver­trags­part­nern in Vor­leis­tung gehen
und sich damit dem Risi­ko eines Zah­lungs­aus­falls aus­set­zen. Die Mit­tei­lung, zu wel­chem
Zeit­punkt eine Rest­schuld­be­frei­ung erteilt wur­de, ist schon des­halb von beson­de­rem
Inter­es­se zur Bewer­tung der Boni­tät, da fest­steht, dass der Schuld­ner jeden­falls zu die­sem
Zeit­punkt nach­weis­lich ver­mö­gens­los war. Durch die Rest­schuld­be­frei­ung wird zudem
belegt, dass der Schuld­ner fäl­li­ge For­de­run­gen in einem Zeit­raum von immer­hin sechs
Jah­ren nicht beglei­chen konn­te, obwohl er ver­pflich­tet war, alles Mög­li­che zu unter­neh­men,
um sei­ne Schul­den in der Wohl­ver­hal­tens­pha­se gemäß §§ 287b, 295 InsO abzu­zah­len; auch
das hat wie­der­um nach der Markt­ein­schät­zung gewis­se Rele­vanz für die Bewer­tung sei­ner
heu­ti­gen Kre­dit­wür­dig­keit, die nichts ande­res ist als eine rei­ne Pro­gno­se­ent­schei­dung durch
den Kre­dit­ge­ber (so auch OLG Olden­burg, a.a.O., OLG Köln, a.a.O.). Hin­zu kommt, dass bei
rest­schuld­be­frei­ten Ver­brau­chern das Risi­ko von Zah­lungs­aus­fäl­len in den ers­ten drei
Jah­ren ca. drei bis sechs­mal grö­ßer ist als beim Rest der Bevöl­ke­rung (vgl. Nach­wei­se bei
Thüsing/​Flink/​Rombey, a.a.O.). Die Aus­künf­te sind zum Aus­gleich einer
Infor­ma­ti­ons­dis­pa­ri­tät erfor­der­lich, die zwi­schen Kre­dit­ge­ber und Kre­dit­neh­mer herrscht.
Andern­falls wären die Kre­dit­ge­ber aus­schließ­lich auf die Eigen­an­ga­ben poten­ti­el­ler
Kre­dit­neh­mer ange­wie­sen. Ver­gleich­ba­re Erwä­gun­gen las­sen sich für den Fall des pri­va­ten
oder gewerb­li­chen Ver­mie­ters anstel­len, der Infor­ma­tio­nen über die Boni­tät eines
poten­zi­el­len Mie­ters benö­tigt oder für Ver­trags­part­ner, die – wie im Bau­ge­wer­be üblich -
regel­mä­ßig in Vor­leis­tung gehen und das Risi­ko von Zah­lungs­aus­fäl­len abschät­zen wol­len.
c) Zwar steht zum Zeit­punkt der Spei­che­rung regel­mä­ßig nicht fest, ob und gege­be­nen­falls
wer kon­kre­te ver­trag­li­che oder vor­ver­trag­li­che Bezie­hun­gen zum Klä­ger ein­ge­hen wird und
daher an der Ertei­lung der Infor­ma­ti­on über die Rest­schuld­be­frei­ung inter­es­siert sein könn­te.
Die oben dar­ge­stell­te Inter­es­sen­la­ge tritt aller­dings im Fall der Kre­dit­ge­wäh­rung oder auch
bei sons­ti­gen Ver­trags­ge­stal­tun­gen mit Vor­leis­tungs­pflicht regel­mä­ßig und typi­scher­wei­se
auf. Auch ohne dass ein zukünf­ti­ger Ver­trags­part­ner des Klä­gers nament­lich fest­stün­de und
der Inhalt eines kon­kret abzu­schlie­ßen­den Ver­tra­ges bekannt wäre, ist daher das berech­tig­te
Inter­es­se eines Kre­dit­ge­bers an der Ertei­lung der Infor­ma­tio­nen bereits der­zeit hin­rei­chend
sicher fest­stell­bar. Da die Beklag­te die Daten aus­schließ­lich einem fest defi­nier­ten Kreis von
Ver­trags­part­nern auf kon­kre­te Nach­fra­ge und nach Gel­tend­ma­chung eines berech­tig­ten
Inter­es­ses zur Ver­fü­gung stellt, recht­fer­tigt das typi­sche Inter­es­se eines bestimm­ba­ren
Per­so­nen­krei­ses in der Situa­ti­on einer Kre­dit­ge­wäh­rung oder eines beab­sich­tig­ten
Ver­trags­schlus­ses das Vor­hal­ten der Infor­ma­tio­nen, auch wenn das kon­kre­te Inter­es­se eines
nament­lich bekann­ten Geschäfts­part­ners der Beklag­ten noch nicht abseh­bar ist. Es ist daher
nicht erfor­der­lich, dass der­je­ni­ge Drit­te, der die Aus­kunft über die Ertei­lung der
Rest­schuld­be­frei­ung im eige­nen Inter­es­se begehrt, bereits bekannt ist. Hin­zu kommt, dass
der Begriff des berech­tig­ten Inter­es­ses weit zu ver­ste­hen ist, wes­halb auch kei­ne
über­spann­ten Anfor­de­run­gen an die Bestimmt­heit des Inter­es­ses und die Kon­kre­ti­sie­rung
des Inha­bers des jewei­li­gen Inter­es­ses gestellt wer­den dür­fen (so auch OLG Köln, a.a.O.;
OLG Olden­burg, a.a.O.; OLG Stutt­gart, a.a.O.; Thüsing/​Flink/​Rombey, a.a.O.).
d) Schließ­lich ist auch zu berück­sich­ti­gen, dass die Ertei­lung von zutref­fen­den
Boni­täts­aus­künf­ten – unter ande­rem durch die Beklag­te -, die auf der Spei­che­rung und
Über­mitt­lung von Infor­ma­tio­nen über das Vor­lie­gen von frü­he­ren oder gegen­wär­ti­gen
Zah­lungs­stö­run­gen ein­schließ­lich der Ertei­lung von Rest­schuld­be­frei­un­gen beru­hen, für die
Kre­dit­ver­ga­be und somit für das Funk­tio­nie­ren der Wirt­schaft von erheb­li­cher Bedeu­tung ist
und daher im All­ge­mein­in­ter­es­se liegt. Denn indem die Beklag­te poten­ti­el­len Kre­dit­ge­bern
bzw. Anbie­tern von Ver­trä­gen mit kre­dit­re­le­van­ten Inhal­ten Zugang zu nicht durch die
Betrof­fe­nen gefil­ter­ten Infor­ma­tio­nen ermög­licht, trägt sie zur Auf­recht­erhal­tung eines
Markt­um­fel­des bei, in dem über­haupt ver­gleichs­wei­se leicht zugäng­li­che Ver­trä­ge mit
kre­dit­re­le­van­ten Ange­bo­ten ange­bo­ten wer­den kön­nen, weil sich die Anbie­ter schnell und
unbü­ro­kra­tisch ein Bild von einem gro­ßen Kun­den­stamm machen kön­nen. Dass
Daten­ban­ken zur Beur­tei­lung der Kre­dit­fä­hig- und ‑wür­dig­keit von Ver­brau­chern zweck­mä­ßig
und sinn­voll sein kön­nen wird auch durch Art. 8 der Richt­li­nie 2008/​48/​EG
(Ver­brau­cher­kre­dit-RL) belegt, die die Ver­ga­be von Ver­brau­cher­kre­di­ten unter die
Vor­aus­set­zung einer auch daten­bank­ge­stütz­ten Kre­dit­wür­dig­keits­prü­fung stellt, wenn­gleich
dies nicht zwin­gend durch den natio­na­len Gesetz­ge­ber umzu­set­zen ist (so auch OLG Köln,
a.a.O.; OLG Stutt­gart, a.a.O.).
e) Das auf Sei­ten der Beklag­ten bestehen­de berech­tig­te Inter­es­se an der Ver­ar­bei­tung von
Infor­ma­tio­nen über die Ertei­lung einer Rest­schuld­be­frei­ung ist auch nicht nach Ablauf der in
§ 3 Inso­Bek­VO für die öffent­li­che Bekannt­ma­chung vor­ge­se­he­nen Frist von sechs Mona­ten
ohne wei­te­res ent­fal­len. Das in Art. 6 Abs. 1 DS-GVO euro­pa­recht­lich nor­mier­te berech­tig­te
Inter­es­se an der Daten­ver­ar­bei­tung wird durch die Anord­nung einer Spei­cher­frist in § 3
Inso­Bek­VO als natio­na­les Recht, das über­dies allein für öffent­li­che Bekannt­ma­chun­gen im
Insol­venz­ver­fah­ren gilt, nicht näher kon­kre­ti­siert und beschränkt.
Das OLG Köln, des­sen nach­ste­hend zitier­ten über­zeu­gen­den Erwä­gun­gen sich der Senat
zur Ver­mei­dung von Wie­der­ho­lun­gen anschließt, hat hier­zu aus­ge­führt:
„© Ent­ge­gen dem Stand­punkt des Ober­lan­des­ge­richts Schles­wig (a.a.O., NZI 2021,
794 mit inso­fern zust. Anm. Gutow­ski; zustim­mend auch Brzo­za, juris­PR-InsR
16/​2021 Anm. 2) und dem des Ver­wal­tungs­ge­richts Wies­ba­den (a.a.O., Beck­RS
2021, 24583) ist bei der Inter­es­sen­ab­wä­gung nicht maß­geb­lich (auch) auf die
gesetz­li­chen Wer­tun­gen aus § 3 Inso­BekV abzu­stel­len, wonach Ein­tra­gun­gen über
die Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung in den öffent­li­chen
Insol­venz­be­kannt­ma­chun­gen im Inter­net schon nach sechs Mona­ten zu löschen sind.
Es ist – die­se Sechs-Monats-Frist wäre hier unstrei­tig abge­lau­fen – auch nicht allein
des­we­gen das Inter­es­se der Kun­den der Beklag­ten nicht (mehr) “berech­tigt” und die
wei­te­re Daten­ver­ar­bei­tun­g/-vor­hal­tung durch die Beklag­te damit qua­si auto­ma­tisch
durch Zeit­ab­lauf rechts­wid­rig gewor­den.
Das könn­te man zwar argu­men­ta­tiv dar­auf stüt­zen, dass man mit län­ge­ren
Lösch­fris­ten im pri­va­ten Bereich nur das in die­sen gesetz­li­chen Vor­ga­ben für die
öffent­li­che Hand zum Aus­druck kom­men­de Ziel kon­ter­ka­rie­ren wür­de, einem
Schuld­ner nach der Wohl­ver­hal­tens­pe­ri­ode und der Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung
einen mög­lichst ein­fa­chen “Neu­start” zu ermög­li­chen. Mit Heyer (ZVI 2021, 291)
könn­te man mit einer ein­heit­li­chen Les­art auch eine Art “Rechts­ein­heit­lich­keit“
zwi­schen Insol­venz- und Daten­schutz­recht her­stel­len und wür­de zudem ver­mei­den,
dass es nach Weg­fall der staat­li­chen Ver­öf­fent­li­chung der Infor­ma­tio­nen noch zu einer
Art “Vor­rats­da­ten­hal­tung” durch Pri­va­te in einer “Par­al­lel­hal­tung” von Daten für
län­ge­re Zeit­räu­me kom­men wür­de. Doch tra­gen die­se Argu­men­te alle­samt nicht:
(aa) Unmit­tel­bar ist die gesetz­li­che Rege­lung auf Ein­tra­gun­gen in der Daten­bank der
Beklag­ten ohne­hin schon nicht anwend­bar, denn die in der Vor­schrift ange­ord­ne­te
Spei­cher­frist betrifft allein öffent­li­che Bekannt­ma­chun­gen im Insol­venz­ver­fah­ren (so
auch OLG Olden­burg, a.a.O., GRUR-RS 2021, 35540 Rn. 18).
(bb) Eine ana­lo­ge Anwen­dung schei­det schon mit Blick auf die feh­len­de (plan­wid­ri­ge)
Rege­lungs­lü­cke aus. Die Par­tei­en dis­ku­tie­ren im Ver­fah­ren selbst die Über­le­gun­gen
des natio­na­len Gesetz­ge­bers, die deut­lich gegen einen (sei es auch nur “mit­tel­ba­ren”)
Rege­lungs­wil­len und/​oder eine plan­wid­ri­ge Rege­lungs­lü­cke spre­chen: Denn in der
letz­ten Legis­la­tur­pe­ri­ode sah ein frü­her Refe­ren­ten­ent­wurf zu § 301 Abs. 5 InsO-RefE
eine aus­drück­li­che gesetz­li­che Rege­lung hin­sicht­lich kur­zer Spei­cher­fris­ten von
Aus­kunftei­en vor. Nach­dem dage­gen u.a. gera­de euro­pa­recht­li­che Beden­ken laut
gewor­den waren (Thüsing/​Flink/​Rombey, NZI 2020, 611 ff.), hat man bewusst von
einer sol­chen Rege­lung abge­se­hen (BT-Drs. 19/​25322, 5, 7) und allein eine
Eva­lu­ie­rungs­klau­sel in Art. 107a Abs. 1 S. 2 EGIn­sO ins Gesetz auf­ge­nom­men.
Ange­sichts des­sen kann es schon metho­disch selbst nur mit Blick auf das natio­na­le
Recht nicht ange­hen, nun­mehr aus die­ser Norm all­ge­mein­gül­ti­ge Aus­sa­gen auch für
Aus­kunftei­en abzu­lei­ten, mit denen man den offen­kun­di­gen “Nicht-Rege­lungs-Wil­len“
des Gesetz­ge­bers unter­lau­fen wür­de (zutref­fend Thü­sing, EWiR 2021, 437, 438).
Soweit das Ober­lan­des­ge­richt Schles­wig (a.a.O., NZI 2021, 794) dem­ge­gen­über
aus­ge­führt hat, dass gera­de man­gels gesetz­li­cher Rege­lung (in Aus­fül­lung der
gesetz­li­chen Öff­nungs­klau­seln aus Art. 23 Abs. 1 lit. i und lit. j DSGVO usw.) die
gesetz­li­che Grund­wer­tung aus § 3 Inso­BekV allein maß­geb­lich blei­be, trägt auch dies
nicht, zumal die so her­an­ge­zo­ge­ne Frist dann sogar noch kür­zer wäre als die­je­ni­ge in
dem bewusst ver­wor­fe­nen Ent­wurf (Jah­res­frist).
Das wei­te­re Argu­ment des Ober­lan­des­ge­richts Schles­wig (a.a.O., NZI 2021, 794), die
feh­len­de Fort­schrei­bung von expli­zi­ten gesetz­li­chen Rege­lun­gen zu Aus­kunftei­en wie
in den frü­he­ren §§ 28, 29, 35 BDSG a.F. kön­ne nicht unbe­rück­sich­tigt blei­ben und
habe wohl auch einen Para­dig­men­wech­sel mit sich gebracht, trägt eben­falls nach
Auf­fas­sung des Senats kei­ne ande­re Sicht­wei­se: Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO kann
abs­trakt die Daten­ver­ar­bei­tung in Abwä­gung der wider­strei­ten­den Inter­es­sen
durch­aus recht­fer­ti­gen – was auch das Ober­lan­des­ge­richt Schles­wig zumin­dest für die
ers­ten sechs Mona­te nicht in Abre­de stellt. Auch sonst kön­nen aber die zu den
frü­he­ren – auf Basis der damals noch gel­ten­den Daten­schutz­richt­li­nie RL 95/​46/​EG zu
ver­ste­hen­den – Rege­lun­gen aus dem BDSG aF erkenn­ba­ren Wer­tungs- und
Leit­ent­schei­dun­gen regel­mä­ßig mit­tel­bar bei der Abwä­gung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit f.
DSGVO eine Rol­le spie­len. So hat der Senat für Bewer­tungs­por­ta­le etwa die
Recht­spre­chung zu § 29 BDSG aF weit­ge­hend fort­schrei­ben kön­nen, weil es letzt­lich
nicht zu einer sub­stan­ti­el­len Ver­än­de­rung des Prü­fungs­maß­stabs gekom­men und
viel­mehr bei einer umfas­sen­den Ein­zel­fall­ab­wä­gung geblie­ben ist (Senat, Urt. v.
14.11.2019 – 15 U 126/​19, Beck­RS 2019, 28523 – bestä­tigt durch BGH VI ZR 489/​19).
Nichts ande­res gilt auch hier, zumal schon frü­her mit Blick u.a. auf Art. 6 Abs. 1 lit. e
der RL 95/​46/​EG kei­ne dau­er­haf­te Daten­ver­ar­bei­tung ohne Ober­gren­zen zuläs­sig war
und sich allein durch die Tat­sa­che, dass sich die Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge dog­ma­tisch
von §§ 28, 29 BDSG aF nun­mehr auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO ver­scho­ben hat, an
der Aus­gangs­si­tua­ti­on und dem Abwä­gungs­ge­bot nichts geän­dert hat. Dann aber
spricht nichts dage­gen, wie bis­her auch Fris­ten über sechs Mona­ten noch
(typi­sie­rend) bei der Inter­es­sen­ab­wä­gung als ange­mes­sen anzu­se­hen – zumal Art. 17
Abs. 1 lit c., 21 Abs. 1 DSGVO eine inter­es­sen­ge­rech­te Abmil­de­rung im Ein­zel­fall
erlau­ben.
Unge­ach­tet des­sen spre­chen im Übri­gen auch ent­schei­den­de sys­te­ma­ti­sche
Argu­men­te gegen eine ent­spre­chen­de Anwen­dung des § 3 Inso­BekV und/​oder eine
nur mit­tel­ba­re Aus­wir­kung der natio­na­len Rege­lung zu den Lösch­fris­ten in öffent­li­chen
Insol­venz­be­kannt­ma­chun­gen bei der Anwen­dung der DSGVO: Wie das Land­ge­richt
Gie­ßen (Urt. v. 4.10.2021 – 5 O 457/​20, Beck­RS 2021, 29339) zutref­fend aus­ge­führt
hat, über­zeugt es schon per se nicht, zur Aus­le­gung der euro­pa­recht­li­chen Rege­lung
in Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO auf Rege­lun­gen im natio­na­len Recht zurück­zu­grei­fen (so
auch Thü­sing, EWiR 2021, 437 f.), soweit es – was hier nicht der Fall ist – nicht
zumin­dest um eine kla­re, ein­deu­ti­ge und trans­pa­ren­te Inan­spruch­nah­me der
gesetz­li­chen Öff­nungs­klau­seln (auch) zu Art. 17 DSGVO etwa in Art. 23 lit. i und j
DSGVO geht. Letzt­lich wür­den so nur erheb­li­chen Ungleich­hei­ten Tür und Tor
geöff­net, wenn in den ver­schie­de­nen Mit­glieds­staa­ten (zufäl­lig) unter­schied­li­che
Lösch­fris­ten für Insol­venz­be­kannt­ma­chun­gen gere­gelt wären. Mögen auch über Art.
23 lit. i und j DSGVO unter­schied­li­che natio­na­le Rege­lun­gen zuge­las­sen sein, wäre
dazu zumin­dest eine bewuss­te gesetz­ge­be­ri­sche Ent­schei­dung von­nö­ten, an der es
hier aber gera­de fehlt.
(cc) Auch eine nur mit­tel­ba­re Berück­sich­ti­gung des Rege­lungs­ge­halts des § 3
Inso­BekV inner­halb der Abwä­gung bei Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO – die das
Ober­lan­des­ge­richt Schles­wig wohl eher vor Augen hat­te, weil es die Berech­ti­gung
eines Inter­es­ses in Zwei­fel zieht, wenn die­ses “der Rechts­ord­nung im wei­tes­ten Sin­ne
zuwi­der­lau­fen” wür­de (OLG Schles­wig a.a.O., Rn. 35, 40) – schei­det aus. Auch
inso­fern schließt sich der Senat den Aus­füh­run­gen des Ober­lan­des­ge­richt Olden­burg
(a.a.O., GRUR-RS 2021, 35540) an.
Zum einen strei­ten dage­gen eben­falls die gera­de ange­spro­che­nen dog­ma­tisch­sys­te­ma­ti­schen Beden­ken. Zum ande­ren fehlt es rich­ti­ger­wei­se auch an der Ver­gleich­bar­keit der gesetz­lich gere­gel­ten mit der hier vor­lie­gen­den Situa­ti­on: Sowohl hin­sicht­lich der per­so­nel­len als der inhalt­li­chen Reich­wei­te der jewei­li­gen Daten­ver­ar­bei­tung sind die Sach­ver­hal­te nicht ver­gleich­bar. Auf der Inter­net­platt­form (Insol­venz­be­kannt­ma­chungs­re­gis­ter) sind die dort ent­hal­te­nen Ein­tra­gun­gen – bei denen es letzt­lich auch um staat­li­che Ein­grif­fe geht – für jeder­mann kos­ten­frei und
ohne Regis­trie­rung bzw. ohne Dar­le­gung eines berech­tig­ten Inter­es­ses abzu­ru­fen. Es
besteht also ohne wei­te­res die Mög­lich­keit, nach den Namen belie­bi­ger Nach­barn,
Bekann­ten oder Kol­le­gen zu suchen und in Erfah­rung zu brin­gen, ob die­se von einem
Insol­venz­ver­fah­ren betrof­fen sind. Nach einer Frist von zwei Wochen ab der
Ver­öf­fent­li­chung ist zwar bei Ver­brau­cher­insol­ven­zen noch die Ein­ga­be wei­te­rer
Para­me­ter (Sitz des Insol­venz­ge­richts sowie Fami­li­en­na­me oder Wohn­sitz des
Schuld­ners oder Akten­zei­chen des Insol­venz­ge­richts) erfor­der­lich. Ins­ge­samt bleibt es
jedoch auch unter Berück­sich­ti­gung des­sen dabei, dass eine Ein­sicht durch belie­bi­ge
Drit­te jeden­falls ohne gro­ße Schwie­rig­kei­ten letzt­lich schon aus rei­ner Neu­gier
erfol­gen kann. Vor dem Hin­ter­grund die­ser leich­ten Abruf­bar­keit ist es aber fast
zwin­gend, dass der Gesetz­ge­ber hier eine (enge) Höchst­frist für die Spei­che­rung von
nur sechs Mona­ten vor­ge­se­hen hat.
Eine damit ver­gleich­ba­re Situa­ti­on ist bei der Spei­che­rung und Ver­ar­bei­tung von
Daten durch die Beklag­te nicht gege­ben. Die­se erteilt nur ihren Ver­trags­part­nern
(Ban­ken, Spar­kas­sen, Genos­sen­schafts­ban­ken, Kreditkarten‑, Fac­to­ring- und
Lea­sing­un­ter­neh­men etc.) und auch die­sen erst bei “berech­tig­tem Inter­es­se“
Aus­künf­te, wobei ein sol­ches “berech­tig­tes Inter­es­se” unter ande­rem vor­liegt, wenn
ein Unter­neh­men gegen­über dem betref­fen­den Schuld­ner mit einer Dienst­leis­tung
oder einer Lie­fe­rung in Vor­leis­tung geht und damit ein wirt­schaft­li­ches Risi­ko trägt.
Damit ist zum einen der Kreis an poten­ti­el­len Aus­kunfts­be­rech­tig­ten gegen­über
dem­je­ni­gen der Platt­form Inter­net­adres­se 1 deut­lich gerin­ger und zum ande­ren wird
eine Aus­kunft von der Beklag­ten als pri­vat­recht­li­cher juris­ti­scher Per­son an die­sen
per­so­nell gerin­ge­ren Kreis nur in bestimm­ten Kon­stel­la­tio­nen, näm­lich bei einer
finan­zi­el­len Vor­leis­tung gegen­über dem Schuld­ner, auf­grund eines erkenn­ba­ren
Inter­es­ses erteilt. Da der Gesetz­ge­ber bei § 3 Inso­BekV eine sol­che Kon­stel­la­ti­on
ersicht­lich nicht vor Augen hat­te, kann nach Ansicht des Senats auch nicht
dahin­ge­hend argu­men­tiert wer­den, dass die im “J” ent­hal­te­ne Rege­lung der
gesetz­ge­be­ri­schen Inten­ti­on zuwi­der­lau­fen wür­de. Der Senat ver­kennt dabei aber
aus­drück­lich nicht, dass gera­de in den Fäl­len, in denen eine (ent­gelt­li­che) Aus­kunft
der Beklag­ten ein­ge­holt wird, oft für die Betrof­fe­nen beson­ders wich­ti­ge
“Grund­la­gen­ent­schei­dun­gen” (wie etwa Kre­dit­ver­trag, Mie­te usw.) anste­hen und die
Daten­ver­ar­bei­tung in sol­cher­art “kri­ti­schen” Situa­tio­nen beson­ders belas­tend wir­ken
mag. Indes zeigt dies aber im Gegen­zug gera­de auch das berech­tig­te Inter­es­se der
“Drit­ten”, so dass die The­se etwa des Ver­wal­tungs­ge­richts Wies­ba­den (a.a.O.,
Beck­RS 2021, 24583), dass im Fal­le einer zunächst zuläs­si­gen Spei­che­rung der
Daten aus öffent­li­chen Regis­tern bei Wirt­schafts­aus­kunftei­en dann “höchs­tens“
die­sel­ben Spei­cher- und Lösch­fris­ten gel­ten dür­fen, wie in den öffent­li­chen Regis­tern,
unter dem Regime des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gera­de nicht über­zeugt. …“
(OLG Köln, Urteil vom 27. Janu­ar 2022 – 15 U 153/​21 –, Rn. 38 – 47, juris)
f) Ent­spre­chend den Vor­ga­ben der DS-GVO (Erwä­gungs­grund Nr. 39) muss die Spei­cher­frist
für per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten auf das unbe­dingt erfor­der­li­che Min­dest­maß beschränkt
blei­ben und soll­te der Ver­ant­wort­li­che Fris­ten für ihre Löschung oder regel­mä­ßi­ge
Über­prü­fung vor­se­hen. Der von der Beklag­ten vor­ge­leg­te code of con­duct (Anla­ge B1) sieht
bei per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten, denen Ver­öf­fent­li­chun­gen zu Insol­venz­ver­fah­ren zugrun­de
lie­gen, eine Löschung nach drei Jah­ren vor (Ziff. II 2. b). Auf Basis die­ser Rege­lung ist die
Spei­che­rung und wei­te­re Ver­ar­bei­tung der Daten des Klä­gers bean­stan­dungs­frei, da die
maß­geb­li­che 3‑Jah­res-Frist noch nicht abge­lau­fen ist.
Für die Beur­tei­lung der Recht­mä­ßig­keit der Spei­che­rung ist aber auf den code of con­duct
nicht ent­schei­dend abzu­stel­len. Denn die­ser gewährt als Ver­hal­tens­re­gel i. S. d. Art. 40 Abs.
1 DS-GVO kei­ne eige­nen Rech­te, son­dern dient ledig­lich als Ermes­sens­leit­li­nie für die
ord­nungs­ge­mä­ße Anwen­dung der DS-GVO (vgl. OLG Stutt­gart, a.a.O., m.w.N.) sowie zur
Prä­zi­sie­rung der Inter­es­sen der Ver­ant­wort­li­chen (VG Wies­ba­den, Beschluss vom
11.01.2021 – 6 K 1045/​20 = ZD 2021, 230, Rn. 5; Thüsing/​Fink/​Rombey, a.a.O.). Aus dem
blo­ßen Ver­weis auf Ver­hal­tens­re­geln in Art. 40 DS-GVO ergibt sich kei­ne gesetz­li­che
Legi­ti­ma­ti­on. Deren all­ge­mei­nen Gül­tig­keit wür­de nach Art. 40 Abs. 9 DS-GVO einen
Beschluss der euro­päi­schen Kom­mis­si­on vor­aus­set­zen, der hier aber nicht ersicht­lich ist.
Der code of con­duct wur­de ledig­lich nach Art. 40 Abs. 5 DS-GVO durch die zustän­di­ge
Behör­de geneh­migt. Die not­wen­di­ge Abwä­gung ist daher selbst­stän­dig unter
Berück­sich­ti­gung der jewei­li­gen kon­kre­ten Umstän­de jedes Ein­zel­falls durch­zu­füh­ren und
lässt sich nicht durch einen all­ge­mei­nen Ver­weis auf die Spei­cher- und Löschungs­fris­ten in
den Ver­hal­tens­ko­dex erset­zen. Dies wird auch durch die Ver­hal­tens­re­geln selbst bestä­tigt,
die ent­spre­chend der Rege­lung in Ziff. I eine beson­de­re Prü­fung im Ein­zel­fall nicht
aus­schlie­ßen und jeden­falls im Fal­le eines Wider­spruchs des Betrof­fe­nen als gebo­ten
anse­hen.
g) Man­gels kon­kre­ter Rege­lun­gen und Höchst­fris­ten zur Dau­er einer Spei­che­rung von
per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten in der DS-GVO ist die daten­schutz­recht­li­che Zuläs­sig­keit der
Spei­che­rung der Infor­ma­tio­nen über die Rest­schuld­be­frei­ung anhand einer im jewei­li­gen
Ein­zel­fall vor­zu­neh­men­den Inter­es­sen­ab­wä­gung zu beur­tei­len. Die Abwä­gung, die auf der
Tat­sa­chen­grund­la­ge zum Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung zu tref­fen ist, ergibt
hier, dass die Beklag­te nicht zu einer (vor­zei­ti­gen) Löschung des Ein­trags über die
Rest­schuld­be­frei­ung ver­pflich­tet ist. Dem Klä­ger ist viel­mehr zuzu­mu­ten, wei­te­re sie­ben
Mona­te bis zum Ablauf der regel­mä­ßi­gen drei­jäh­ri­gen Spei­cher­frist am 16.03.2023
abzu­war­ten.

Zwar las­sen die Schrei­ben der Beklag­ten, mit denen sie auf das Löschungs­be­geh­ren des
Klä­gers reagier­te, nicht erken­nen, dass sie – wie in den Ver­hal­tens­re­geln vor­ge­se­hen – eine
indi­vi­du­el­le Prü­fung des Ein­zel­falls vor­ge­nom­men hät­te. Dies ist aber unschäd­lich. Die vom
Klä­ger mit Schrei­ben vom 15.07.2020 vor­ge­tra­ge­nen Grün­de gebie­ten eben­so wie sein
Tat­sa­chen­vor­brin­gen im gericht­li­chen Ver­fah­ren eine Löschung des Ein­trags vor Ablauf der
Drei-Jah­res­frist nicht. Im Ergeb­nis der Abwä­gung über­wie­gen viel­mehr die auf Sei­ten der
Kun­den der Beklag­ten bestehen­den Inter­es­sen an der Ertei­lung von Infor­ma­tio­nen über die
Rest­schuld­be­frei­ung die zuguns­ten des Klä­gers bestehen­den schutz­wür­di­gen Inter­es­sen.
Der Klä­ger hat kei­ne sich aus sei­ner beson­de­ren Situa­ti­on erge­ben­den Grün­de gegen die
wei­te­re Ver­ar­bei­tung dar­ge­legt. Denn hier­un­ter fal­len nur aty­pi­sche, beson­ders
schutz­wür­di­ge per­sön­li­che Inter­es­sen, die im Rah­men der pau­scha­lie­ren­den, typi­sie­ren­den
Abwä­gung des Pri­vat­heits­in­ter­es­ses gegen das Aus­wer­tungs­in­ter­es­se nach Art. 6 Abs. 1 e)
oder f) DS-GVO kei­ne Berück­sich­ti­gung fin­den kön­nen, also kon­kre­te Umstän­de des
Ein­zel­falls, die eine beson­de­re Schutz­wür­dig­keit des Betrof­fe­nen begrün­den (Paal/​Pauly,
Mar­ti­ni, Art. 21 DS-GVO, Rn. 30).
Dass der Klä­ger auf­grund des Ein­trags über die erfolg­te Rest­schuld­be­frei­ung bei sei­ner
wirt­schaft­li­chen Betä­ti­gung Nach­tei­le erlei­det, weil poten­ti­el­le Kun­den nach Kennt­nis der
frü­he­ren Insol­venz von einer Beauf­tra­gung abse­hen, Lie­fe­ran­ten nur gegen Vor­kas­se bzw.
Kau­ti­ons­zah­lung in Ver­trags­be­zie­hun­gen mit ihm tre­ten und er kei­ne für sei­ne geschäft­li­che
Tätig­keit erfor­der­li­chen Kre­di­te erhält, begrün­det bereits kei­ne erheb­li­chen Umstän­de des
Ein­zel­fal­les, die den Klä­ger von sons­ti­gen Schuld­nern, denen eine Rest­schuld­be­frei­ung
erteilt wur­de, unter­schei­den. Es han­delt sich dabei viel­mehr gera­de um die typi­schen Fol­gen
frü­he­ren, nicht ver­trags­ge­mä­ßen Zah­lungs­ver­hal­tens.
Es fehlt über­dies auch an der kon­kre­ten und nach­voll­zieh­ba­ren Dar­le­gung, in wel­cher
wirt­schaft­li­chen Tätig­keit er durch den streit­ge­gen­ständ­li­chen Ein­trag ein­ge­schränkt ist. So
hat er zwar bereits nach Anmel­dung sei­nes Neben­ge­wer­bes am 20.08.2019 offen­sicht­lich
erheb­li­che Ein­künf­te erzielt, wie einer­seits der vor­ge­leg­ten BWA zum 31.12.2019 zu
ent­neh­men ist und ander­seits durch den Umstand belegt wird, dass er bereits rund 3 Mona­te
nach Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung ein Haus­grund­stück erwer­ben konn­te. Dies belegt
aber auch, dass er in sei­nem wirt­schaft­li­chen Han­deln offen­sicht­lich nicht ein­mal wäh­rend
der lau­fen­den Wohl­ver­hal­tens­pha­se vor Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung in erheb­li­chem
Maße ein­ge­schränkt war und es ihm danach gelun­gen ist, inner­halb kür­zes­ter Zeit nicht ganz
uner­heb­li­che finan­zi­el­le Mit­tel anzu­spa­ren. Es erschließt sich daher nicht, aus wel­chem
Grund er gera­de auf­grund des Ein­trags zur Rest­schuld­be­frei­ung bei sei­ner gewerb­li­chen
Tätig­keit Wett­be­werbs­nach­te erlit­ten haben will, zumal er offen­sicht­lich schon knapp ein Jahr
spä­ter im März 2021 über genü­gend finan­zi­el­le Mit­tel ver­füg­te, um Grund­stü­cke für ein
Bau­pro­jekt zur Alters­si­che­rung zu erwer­ben. Glei­ches gilt hin­sicht­lich sei­ner angeb­li­chen
Schwie­rig­kei­ten bei der Auf­trags­an­nah­me und ‑umset­zung wegen feh­len­der Mög­lich­keit,
eine Bank­bürg­schaft stel­len zu kön­nen. Die Behaup­tung des Klä­gers, gera­de infol­ge des
Ein­trags der Rest­schuld­be­frei­ung habe ein Bau­ma­schi­nen­ver­lei­her von ihm eine
Kau­ti­ons­leis­tung gefor­dert, ist schon des­halb nicht nach­voll­zieh­bar, weil die Beklag­te hier­zu
unwi­der­spro­chen auf die Bran­chen­üb­lich­keit sol­cher Kau­ti­ons­zah­lun­gen hin­ge­wie­sen hat,
ein Zusam­men­hang mit dem Ein­trag der Rest­schuld­be­frei­ung nicht belegt oder sonst wie
ersicht­lich ist und die Kau­ti­ons­leis­tung der Höhe nach kei­ne beson­de­ren Schwie­rig­kei­ten für
den Geschäfts­be­trieb des Klä­gers auf­wei­sen soll­te. Auch soweit der Klä­ger dar­auf ver­weist,
dass ihm sei­ne Haus­bank die Gewäh­rung eines KfW-Kre­dits für sein Unter­neh­men
ver­wei­gert habe, fehlt es an der Dar­le­gung eines kon­kre­ten Bezugs zu dem Ein­trag der
Rest­schuld­be­frei­ung bei der Beklag­ten. Die Beklag­te hat inso­weit nach­voll­zieh­bar dar­ge­legt,
dass ein der­ar­ti­ger Kre­dit – unab­hän­gig von dem Ein­trag – wegen feh­len­der Vor­aus­set­zun­gen
bzw. aus ande­ren Grün­den nicht gewährt wer­de, über­dies sei davon aus­zu­ge­hen, dass die
Bank des Klä­gers von dem frü­he­ren Insol­venz­ver­fah­ren und dem Ein­tritt der
Rest­schuld­be­frei­ung ohne­hin Kennt­nis gehabt habe. Der Klä­ger ist die­sen Ein­wän­den nicht
sub­stan­ti­iert ent­ge­gen­ge­tre­ten. Glei­ches gilt für die angeb­li­chen Schwie­rig­kei­ten bei der
Anmie­tung bzw. Pacht von Gewer­be­räu­men. Der Klä­ger hat hier­zu ledig­lich das Schrei­ben
eines Ver­päch­ters mit dem Hin­weis dar­auf vor­ge­legt, er möge eine Schufa-Aus­kunft
nach­rei­chen. Dass die Ver­pach­tung wegen des Ein­trags geschei­tert wäre, wird hier­durch
nicht belegt. Dar­über hin­aus­ge­hen­de Bemü­hun­gen des Klä­gers zur Anmie­tung von
Gewer­be­räu­men wer­den bereits nicht vor­ge­tra­gen. Soweit er aus­führt, dass er über ein
erheb­li­ches Ein­kom­men aus sei­ner Gewer­be­aus­übung auch nach der Ertei­lung der
Rest­schuld­be­frei­ung ver­fü­ge, ist unver­ständ­lich, dass es ihm nicht gelun­gen ist, poten­ti­el­le
Geschäfts­part­ner von sei­ner Kre­dit­wür­dig­keit zu über­zeu­gen und allein die Infor­ma­ti­on über
die Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung ihn kre­dit­un­wür­dig erschei­nen lässt.
Unbe­scha­det des­sen ist es aber auch nicht Zweck der Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung,
dass der Schuld­ner wie­der am Wirt­schafts­le­ben teil­neh­men kann, als ob es das
Insol­venz­ver­fah­ren gar nicht gege­ben hät­te. Der Umstand, dass einer Per­son die
Rest­schuld­be­frei­ung erteilt wur­de, hat einen unmit­tel­ba­ren Bezug zu ihrer
Zah­lungs­un­fä­hig­keit oder ‑unwil­lig­keit (vgl. Gola DSGVO/​Schulz, 2. Aufl. 2018, DSGVO Art.
6 Rn. 125/​126). U.a. wird hier­aus für die Gläu­bi­ger ersicht­lich, dass es dem Schuld­ner trotz
Erfül­lung sei­ner Erwerbs­ob­lie­gen­heit (§ 287b InsO) nicht mög­lich war, im Rah­men des
Insol­venz­ver­fah­rens die For­de­run­gen der Insol­venz­gläu­bi­ger zu erfül­len. Im vor­lie­gen­den
Fall kommt hin­zu, dass es nach Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens 2014 zu kei­ner
Ver­kür­zung der Wohl­ver­hal­tens­pha­se kam; es dem Klä­ger dem­nach wäh­rend der Insol­venz
nicht ein­mal gelun­gen ist, Ein­künf­te in einer Höhe zu erzie­len, die es ihm ermög­licht hät­ten,
zumin­dest die Ver­fah­rens­kos­ten abzu­tra­gen. Der Klä­ger kann nicht ver­lan­gen, einer Per­son
gleich­ge­stellt zu wer­den, die nie­mals von einer Insol­venz betrof­fen war. Ein sol­ches
Inter­es­se ist nicht schutz­wür­dig und kann des­halb auch nicht offen­sicht­lich das Inter­es­se von
zukünf­ti­gen Geschäfts­part­nern an der Über­prü­fung der Kre­dit­wür­dig­keit ihrer Schuld­ner
über­wie­gen. Für poten­ti­el­le Geschäfts­part­ner des Schuld­ners ist es im Rah­men der
Boni­täts­prü­fung wich­tig zu erfah­ren, ob bei dem Schuld­ner die Gefahr besteht, wie­der
insol­vent zu wer­den. Für die Ein­schät­zung die­ser Gefahr kann die Ertei­lung der
Rest­schuld­be­frei­ung ein nicht uner­heb­li­ches Indiz sein (vgl. OLG Frank­furt am Main, Urt. v.
14.12.2015, Rn. 16, juris). Wäre die Beklag­te zur Löschung der streit­ge­gen­ständ­li­chen
Ein­trä­ge ver­pflich­tet, wür­de sie ihren Ver­trags­part­nern die Aus­kunft geben, dass ihr kei­ne
Kennt­nis­se über Unzu­ver­läs­sig­kei­ten des Klä­gers bei der Beglei­chung von For­de­run­gen aus
den letz­ten drei Jah­ren vor­lie­gen, was jedoch nicht zutref­fend wäre (vgl. LG Ham­burg, Urteil
vom 23. Juli 2020 – 334 O 161/​19 –, Rn. 28, juris).
Die behaup­te­ten Schwie­rig­kei­ten und Ein­schrän­kun­gen bei der pri­va­ten Lebens­füh­rung
gehen eben­falls nicht über das Maß hin­aus, das dem Klä­ger zumut­bar ist und begrün­den
nicht sei­ne beson­de­re Schutz­wür­dig­keit. Der Klä­ger hat bereits wäh­rend der
Wohl­ver­hal­tens­pha­se einen Miet­ver­trag abschlie­ßen kön­nen. Dass die Ver­wei­ge­rung eines
Sanie­rungs­kre­dits für die Wohn­im­mo­bi­lie auf dem Ein­trag der Rest­schuld­be­frei­ung beruht,
ist bereits nicht nach­ge­wie­sen, zumal die Bank hier­über bereits infor­miert gewe­sen sein
dürf­te. Dem Schuld­ner ist es über­dies nach Auf­fas­sung des Senats zumut­bar, den Erwerb
und die Sanie­rung von Wohn­ei­gen­tum bis zum Ablauf der Lösch­frist zurück­zu­stel­len und
wäh­rend die­ser Zeit sei­ne Eigen­ka­pi­tal­ba­sis zu stär­ken. Die­sel­ben Erwä­gun­gen gel­ten für
die behaup­te­te Ver­wei­ge­rung der Eröff­nung eines eige­nen Giro­kon­tos. Die Wei­ge­rung einer
Ver­si­che­rung, eine pri­va­te Kran­ken­ver­si­che­rung sowie eine Risi­ko­le­bens­ver­si­che­rung
abzu­schlie­ßen und das Ver­lan­gen nach einer – der Höhe nach mode­ra­ten – Kau­ti­ons­zah­lung
bei Abschluss eines Mobil­funk­ver­tra­ges ist zumin­dest inner­halb des Regel­spei­cher­zeit­raums
von drei Jah­ren selbst dann kein unzu­mut­ba­rer Nach­teil, wenn sie auf dem
streit­ge­gen­ständ­li­chen Ein­trag beru­hen soll­ten. Die Wie­der­ein­glie­de­rung und Teil­ha­be des
Klä­gers am all­ge­mei­nen Wirt­schafts­le­ben wird dadurch nicht in erheb­li­cher Wei­se
ein­ge­schränkt.
Der mit dem Antrag zu 2) gel­tend gemach­te Anspruch auf Neu­be­rech­nung des sog.
Score-Wer­tes, der im Wege der Aus­le­gung dahin zu ver­ste­hen ist, dass der Klä­ger kei­ne
sta­ti­sche Berech­nung, son­dern viel­mehr die Ver­pflich­tung der Beklag­ten errei­chen will,
sei­nen Score-Wert jeweils ohne Berück­sich­ti­gung der gelösch­ten Ein­tra­gun­gen neu zu
ermit­teln, ist eben­falls unbe­grün­det, da die ange­grif­fe­nen Daten recht­mä­ßig gespei­chert
wer­den (s.o.) und damit auch bei der Ermitt­lung des Score-Wer­tes wei­ter­hin berück­sich­tigt
wer­den dürfen.

III.
Die Kos­ten­ent­schei­dung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Ent­schei­dung über die vor­läu­fi­ge
Voll­streck­bar­keit fin­det ihre Rechts­grund­la­ge in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revi­si­on war gemäß § 543 Abs. 1 ZPO zur Klä­rung der Fra­ge zuzu­las­sen, ob sich aus
der Frist des § 3 Inso­Bek­VO eine Bin­dung auch für die Beklag­te ergibt. Die­se Fra­ge stellt
sich über den Ein­zel­fall hin­aus in einer Viel­zahl von Fäl­len und ist des­halb für die
All­ge­mein­heit von beson­de­rer Bedeu­tung. Dar­über hin­aus erfor­dert die Siche­rung einer
ein­heit­li­chen Recht­spre­chung eine Ent­schei­dung des Bun­des­ge­richts­hofs.
Der Streit­wert wur­de gem. § 3 ZPO festgesetzt.

Stel­lung­nah­me

Die Fra­ge der Löschung der Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung z. B. bei der SCHUFA ist zwi­schen den Ober­ge­rich­ten sehr umstrit­ten. Auf der einen Sei­te ver­tritt das OLG die Auf­fas­sung, dass ein Anspruch auf Löschung 6 Mona­te nach Ablauf des Insol­venz­ver­fah­rens und Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung besteht. In der hier auf­ge­führ­ten Ent­schei­dung ver­tritt das OLG Dres­den die gegen­tei­li­ge Auf­fas­sung. Eine Aus­wer­tung die­ser Ent­schei­dun­gen fin­den sie in unse­rem Bei­trag:
Schuf­alö­schung 6 Mona­te nach Rest­schuld­be­frei­ung.

Urteil im Insolenzrecht

AG Nor­der­stedt, Beschl. vom 15.9.2022 – 66 IN 90/​19

zuletzt bear­bei­tet am: 7. Novem­ber 2022 von RA Dirk Tholl

Die Ent­schei­dung

Der Antrag des Schuld­ners vom 30.08.2022 auf Frei­ga­be der Ener­gie­preis­pau­scha­le wird zurückgewiesen.

Grün­de

Mit Beschluss vom 01.08.2019 wur­de über das Ver­mö­gen des Schuld­ners das Insol­venz­ver­fah­ren eröff­net. Die­ses ist bis­lang nicht been­det worden.

Mit Antrag vom 30.08.2022, ein­ge­gan­gen am 01.09.2022, hat der als ange­stell­ter Zahn­arzt täti­ge Schuld­ner (s. letz­ter Bericht des Insol­venz­ver­wal­ters) die Frei­ga­be der Ener­gie­preis­pau­scha­le in Höhe von 300,- € bean­tragt. Die­se sei auf­grund der Zweck­be­stim­mung (Min­de­rung der Belas­tun­gen durch die gestie­ge­nen Ener­gie­kos­ten) gem. § 851 ZPO unpfänd­bar. Er ver­wies auf die Recht­spre­chung des BGH zur Unpfänd­bar­keit der staat­li­chen Coro­na-Hil­fen (BGH 10.03.2021, VII ZB 24/​20).

Des Wei­te­ren benö­ti­ge er die Zah­lung drin­gend, um sein Exis­tenz­mi­ni­mum zu sichern, sodass ein Anspruch auf Frei­ga­be gem. § 765a ZPO bestehe.

Der Insol­venz­ver­wal­ter wur­de gehört und hat kei­ne Stel­lung­nah­me abge­ge­ben. Der Schuld­ner hat trotz Auf­for­de­rung weder die Daten sei­nes aktu­el­len Arbeit­ge­bers noch einen Nach­weis erbracht, dass er die Ener­gie­preis­pau­scha­le aus­ge­zahlt bekom­men soll. Auch hat er trotz Auf­for­de­rung kei­ne Begrün­dung für sei­nen auf § 765a ZPO gestütz­ten Antrag geliefert.

Der Antrag des Schuld­ners ist daher schon man­gels Glaub­haft­ma­chung und man­gels nöti­gem Vor­trag zurückzuweisen.

In der Sache geht das Insol­venz­ge­richt aber auch davon aus, dass die Ener­gie­preis­pau­scha­le pfänd­bar ist, sodass der Antrag auch bei wei­te­rem Schuld­ner­vor­trag bzw. wei­te­rer Glaub­haft­ma­chung grund­sätz­lich zurück­zu­wei­sen ist.

Die gesetz­li­chen Rege­lun­gen zur Ener­gie­preis­pau­scha­le fin­den sich in den §§ 112 ff. EStG. Sie beträgt ein­ma­lig 300,- €, § 112 Abs.2 EStG. Der Aus­zah­lungs­an­spruch ent­steht grund­sätz­lich am 01. Sep­tem­ber 2022, § 114 EStG und wird an Arbeit­neh­mer grund­sätz­lich (es gibt Aus­nah­men: §§ 117 Abs.1 S.2, Abs.3 S. 3 EStG, wes­halb es nötig ist, dass der Schuld­ner den tat­säch­li­chen Bezug glaub­haft macht) durch den Arbeit­ge­ber in die­sem Monat aus­ge­zahlt, wobei der Betrag aus dem ein­zu­be­hal­ten­den Lohn­steu­er­be­trag zu ent­neh­men ist, § 117 Abs.2 S.2 EStG. Sie unter­liegt grund­sätz­lich der Besteue­rung, § 119 EStG, und die für Steu­er­ver­gü­tun­gen gel­ten­den Vor­schrif­ten der Abga­ben­ord­nung sind ent­spre­chend anzu­wen­den, § 120 Abs.1 EStG.

Rege­lun­gen zur (Un-) Pfänd­bar­keit der Ener­gie­preis­pau­scha­le hat der Gesetz­ge­ber nicht geschaf­fen, was nach Wahr­neh­mung des Gerichts in der Voll­stre­ckungs­pra­xis zu spür­ba­rer Unsi­cher­heit bei Schuld­nern, deren Bera­tern, Arbeit­ge­bern und deren Bera­tern sowie bei Insol­venz­ver­wal­tern führt. Auch lässt sich nach Ein­schät­zung des Gerichts aus dem Geset­zes­ent­ste­hungs­vor­gang (insb. BT.-Drucks. 20/​1765) kei­ne Befas­sung mit der Fra­ge der (Un-) Pfänd­bar­keit der Ener­gie­preis­pau­scha­le entnehmen.

Das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um (Home­page, FAQ-Bereich zur Ener­gie­preis­pau­scha­le, Stand 31.08.2022) geht davon aus, dass es sich bei der Ener­gie­preis­pau­scha­le nicht um Arbeits­lohn han­delt und des­we­gen auch nicht der Lohn­pfän­dung unter­fällt. Dem ver­mag sich das Insol­venz­ge­richt anzuschließen.

Zwar ent­stammt die Zah­lung fak­tisch der Brut­to-Lohn­zah­lung des Arbeit­ge­bers. Da sie steu­er­recht­lich aber der ein­zu­be­hal­ten­den Lohn­steu­er zu ent­neh­men ist (§ 117 Abs.2 S.2 EStG), ist sie nicht dem Lohn­be­reich, son­dern dem steu­er­li­chen Bereich zuge­ord­net. Dass die Ener­gie­preis­pau­scha­le nicht als Arbeits­lohn betrach­tet wird, ist daher nach­voll­zieh­bar. Daher unter­fällt sie nach Ansicht des Gerichts auch nicht der Lohnpfändung.

Das hilft aber nur bedingt wei­ter. Zwar besteht hier­mit Klar­heit für eine im Rah­men der Ein­zel­zwangs­voll­stre­ckung aus­ge­brach­te Lohn­pfän­dung, die also kei­ne Abfüh­rungs­pflicht des Dritt­schuld­ners an den Gläu­bi­ger auslöst.

Auch wenn sich nach der Been­di­gung eines Insol­venz­ver­fah­rens die Wohl­ver­hal­tens­pha­se anschließt, in der der Insol­venz­be­schlag ent­fal­len und im Wesent­li­chen nur noch auf­grund der Abtre­tungs­er­klä­rung pfänd­ba­re Lohn­be­stand­tei­le des Schuld­ners an den Treu­hän­der abzu­füh­ren sind, dürf­te nach Ansicht des Gerichts mit­hin aus den­sel­ben Grün­den kei­ne Abfüh­rungs­pflicht mehr bestehen.

Anders ist das nach hie­si­ger Ansicht aber im eröff­ne­ten Insol­venz­ver­fah­ren zu beur­tei­len. Hier umfasst der Insol­venz­be­schlag gem. § 35 Abs.1, 36 Abs.1 InsO alle – auch künf­ti­gen – pfänd­ba­ren Beträ­ge. Die Fra­ge der (Un-) Pfänd­bar­keit der Ener­gie­preis­pau­scha­le wird zudem auch Voll­stre­ckungs­ge­rich­te im Rah­men von Kon­to­frei­ga­be­an­trä­gen beschäf­ti­gen, wenn die Ener­gie­preis­pau­scha­le auf das Pfän­dungs­schutz­kon­to von Schuld­nern aus­ge­zahlt wur­de und dort der vor­ge­merk­te unpfänd­ba­re P‑Kon­to-Betrag über­schrit­ten wird.

Zunächst ist nach Ansicht des Gerichts fest­zu­hal­ten, dass die §§ (36 Abs.1, 4 InsO i.V.m.) 850 ff ZPO kei­ne Anwen­dung fin­den dürf­ten, weil die­se Vor­schrif­ten grund­sätz­lich vor­aus­set­zen, dass Arbeits­ein­kom­men des Schuld­ners vor­liegt. So las­sen sich ins­be­son­de­re aus den §§ 850 a (auch kein Fall der dar­in genann­ten Bei­hil­fen) und f ZPO kei­ne Frei­ga­be­mög­lich­kei­ten herleiten.

Auch § 850i ZPO fin­det nach Ansicht des Gerichts kei­ne Anwen­dung. Die­ser lässt zwar auch Frei­ga­ben bezüg­lich sol­cher Ein­nah­men des Schuld­ners zu, die kein Arbeits­ein­kom­men sind, setzt aber vor­aus, dass die Ein­nah­men vom Schuld­ner eigen­stän­dig, etwa aus kapi­ta­lis­ti­scher Tätig­keit, also durch Han­deln des Schuld­ners erwirt­schaf­tet wer­den. So soll­te der Schuld­ner moti­viert wer­den, Ein­künf­te sel­ber zu erzie­len (z.B. BGH, 26.06.2014, IX ZB 88/​13). Die Ener­gie­preis­pau­scha­le wird jedoch ohne jeg­li­ches Zutun des Schuld­ners aus­ge­zahlt, mit­hin nicht vom Schuld­ner “erwirt­schaf­tet”.

§ 850i ZPO stellt letzt­lich auch auf einen frei­zu­ge­ben­den Betrag ab, der dem ent­spricht, was dem Schuld­ner bei lau­fen­dem Arbeits- oder Dienst­lohn zustün­de. Emp­fän­ger der Ener­gie­preis­pau­scha­le haben aber schon ein regu­lä­res Ein­kom­men (so auch vor­lie­gend der als Zahn­arzt ange­stell­te Schuld­ner), sodass für ergän­zen­de Frei­ga­ben nach § 850i ZPO kein Raum bestehen dürf­te, jeden­falls nicht grundsätzlich.

Nach Ansicht des Gerichts kommt die Ener­gie­preis­pau­scha­le auf­grund der gesetz­li­chen Aus­ge­stal­tung am ehes­ten einer (vor­zei­ti­gen) Steu­er­erstat­tung gleich. Der Staat ver­zich­tet auf einen Lohn­steu­er­an­teil, wodurch eine Aus­zah­lung an den Bür­ger gene­riert wer­den kann. Steu­er­erstat­tungs­an­sprü­che sind gem. § 46 Abs.1 AO grund­sätz­lich pfänd­bar. Auch die­se Betrach­tung führt daher zu der Annah­me, dass die Ener­gie­preis­pau­scha­le pfänd­bar ist.

Frag­lich ist, ob eine Unpfänd­bar­keit gem. § 851 ZPO ange­nom­men wer­den kann.

Nach § 851 Abs.1 ZPO ist eine For­de­rung nur pfänd­bar, wenn sie über­trag­bar ist. Damit ver­weist die Norm unter ande­rem auf § 399 BGB. Danach kann eine For­de­rung nicht abge­tre­ten wer­den, wenn die Leis­tung an einen ande­ren als den ursprüng­li­chen Gläu­bi­ger nicht ohne Ver­än­de­rung ihres Inhalts erfol­gen kann. Hier­zu gehö­ren zweck­ge­bun­de­ne For­de­run­gen, soweit der Zweck­bin­dung ein schutz­wür­di­ges Inter­es­se zugrun­de liegt (BGH, 10.03.2021, VII ZB 24/​20).

Für den Fall der staat­li­chen Coro­na-Hil­fe hat der BGH (BGH, 10.03.2021, VII ZB 24/​20) das Vor­lie­gen die­ser Vor­aus­set­zun­gen ange­nom­men. Die­se die­ne nach den Aus­füh­run­gen des BGH zur Abmil­de­rung der finan­zi­el­len Not­la­gen des betrof­fe­nen Unter­neh­mens bzw. des Selb­stän­di­gen im Zusam­men­hang mit der COVID-19-Pan­de­mie. Sie soll­te jedoch nicht lau­fen­den Lebens­un­ter­halt abde­cken, son­dern insb. Liqui­di­täts­eng­päs­se, die seit dem 01.03.2020 im Zusam­men­hang mit der COVID-19-Pan­de­mie ent­stan­den sind, über­brü­cken. Aus­drück­lich nicht erfasst waren wirt­schaft­li­che Schwie­rig­kei­ten oder Liqui­di­täts­eng­päs­se, die vor dem 01.03.2020 ent­stan­den waren. Die Mit­tel waren nach BGH zur Finan­zie­rung von Ver­bind­lich­kei­ten für fort­lau­fen­de erwerbs­mä­ßi­ge Sach- und Finanz­aus­ga­ben vor­ge­se­hen. Der Zah­lungs­emp­fän­ger hat­te dabei auch die zweck­ent­spre­chen­de Ver­wen­dung zu ver­ant­wor­ten und wäre sogar zur Rück­zah­lung ver­pflich­tet, wenn die Vor­aus­set­zun­gen der Bewil­li­gung nicht vor­ge­le­gen haben.

In den Coro­na-Sofort­hil­fe-Bewil­li­gungs­be­schei­den, die das hier ent­schei­den­de Gericht bis­lang gese­hen hat, war zudem auch eine Rege­lung ent­hal­ten, die Abtre­tung und (Ver-) Pfän­dung der Coro­na-Sofort­hil­fe ausschloss.

Mit die­ser Sach­la­ge ist der Fall der Zah­lung der Ener­gie­preis­pau­scha­le nicht vergleichbar.

Es ist nach Ansicht des Gerichts schon nicht ganz klar, wel­chen Zweck die Ener­gie­preis­pau­scha­le ver­folgt. Nach sub­jek­ti­vem Ein­druck des Gerichts sug­ge­rie­ren die Wort­wahl (“Ener­gie­preis­pau­scha­le”) und auch die media­le Bericht­erstat­tung zwar den Zweck, gestie­ge­ne Ener­gie­kos­ten abzu­mil­dern. Auch ist die Ener­gie­preis­pau­scha­le Teil des Steu­er­ent­las­tungs­ge­set­zes 2022, das insg. Ent­las­tun­gen wegen erheb­li­cher Preis­er­hö­hun­gen im Ener­gie­be­reich her­bei­füh­ren woll­te (BT.-Drucks. 20/​1765, S.1). Kon­kret zur Ener­gie­preis­pau­scha­le wird der Zweck aller­dings “nur” noch als Aus­gleich für die kurz­fris­tig und dras­tisch gestie­ge­nen erwerbs­be­ding­ten Wege­auf­wen­dun­gen von Arbeit­neh­mern defi­niert (BT.-Drucks. 20/​1765, S. 23).

Neben die­ser Unklar­heit, wel­chen genau­en Zweck die Ener­gie­preis­pau­scha­le ver­folgt, ist weder an irgend­ei­ner Stel­le die Abtre­tung oder (Ver-) Pfän­dung aus­ge­schlos­sen wor­den noch ist die Ein­setz­bar­keit der Mit­tel wie im Fal­le der Coro­na-Sofort­hil­fe beschränkt wor­den. Im Gegen­teil, es steht dem Schuld­ner frei zu ent­schei­den, wofür er die Ener­gie­preis­pau­scha­le aus­gibt. Er kann sich z.B. dazu ent­schei­den, sie in Alt­schul­den, Din­ge des täg­li­chen Bedarfs oder aber auch Luxus­gü­ter zu inves­tie­ren. Es gibt kei­ne Beschrän­kung und auch kei­ne Rück­zah­lungs­ver­pflich­tung bei nicht zweck­ent­spre­chen­dem Gebrauch.

Eine Zweck­bin­dung im Sin­ne des § 851 Abs.1 ZPO ver­mag das Gericht daher nicht zu erken­nen, sodass eine Unpfänd­bar­keit gem. § 851 ZPO aus­schei­det (so auch Wip­per­fürth, ZIn­sO 2022, S.1665 (1667); Ahrens, NJW-Spe­zi­al 2022, 341).

Über­legt wer­den kann noch, ob es sich bei der Ener­gie­preis­pau­scha­le um eine Sozi­al­leis­tung han­delt, die gem. § 54 SGB I (teil­wei­se) unpfänd­bar sein könn­te. Zumin­dest geht das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um davon aus, dass es sich um eine Sozi­al­leis­tung han­de­le (Home­page, FAQ-Bereich zur Ener­gie­preis­pau­scha­le, Stand 31.08.2022 a.E.). Die­se Auf­fas­sung teilt das Gericht jedoch nicht.

Genau genom­men han­delt es sich bei der Ener­gie­preis­pau­scha­le ja noch nicht ein­mal um eine Zah­lung, son­dern um einen Steu­er­ver­zicht. Sie ist auch nicht im SGB gere­gelt, wo Sozi­al­leis­tun­gen vor­ran­gig gere­gelt wer­den, § 1 Abs.1 S.1 SGB I. § 54 SGB I kann sich nach Ansicht des Gerichts grund­sätz­lich auch nur auf im SGB gere­gel­te Sozi­al­leis­tun­gen bezie­hen (abge­se­hen von den in § 54 SGB I selbst gere­gel­ten Aus­nah­me­fäl­len). Dass gem. § 54 Abs.2 SGB I die Pfän­dung bei dem als Zahn­arzt ange­stell­ten Schuld­ner vor­lie­gend nicht der Bil­lig­keit ent­spricht, ist zudem auch nicht ersichtlich.

Mit der Ener­gie­preis­pau­scha­le ist auch kei­ner­lei Bedürf­tig­keits­prü­fung oder Rück­zah­lungs­ver­pflich­tung ver­bun­den. Das spricht nach hie­si­ger Ansicht eben­falls gegen die Annah­me, es han­de­le sich um eine Sozialleistung.

Auch scheint sich der Gesetz­ge­ber nach Ansicht des Gerichts selbst von der Ein­grup­pie­rung als Sozi­al­leis­tung abge­grenzt zu haben. Die Rege­lung des § 122 EStG sah er als erfor­der­lich an, damit die mit der Zah­lung der Ener­gie­preis­pau­scha­le inten­dier­te Wir­kung bei Emp­fän­gern von Sozi­al­leis­tun­gen erzielt wird (BT.-Drucks. 20/​1765, S. 26). Zu Emp­fän­gern von Sozi­al­leis­tun­gen – so ver­steht es das Gericht – zählt der Gesetz­ge­ber also nicht die­je­ni­gen, die nur eine Ener­gie­preis­pau­scha­le erhalten.

Zwar ist auch Kin­der­geld nicht im Sozi­al­ge­setz­buch gere­gelt (§§ 62 ff. EStG). Dort fin­det sich dann aber eine geson­der­te Rege­lung zur (Un-) Pfänd­bar­keit der Leis­tung, § 76 EStG. In die­sem Zusam­men­hang ist auch fest­zu­stel­len, dass zwei im sel­ben Gesetz gere­gel­te Leis­tun­gen (Kin­der­geld /​ Ener­gie­preis­pau­scha­le) exis­tie­ren. Bei einer der bei­den gibt es eine kon­kre­te Pfän­dungs­re­ge­lung, bei der ande­ren nicht. Auch das spricht nach Ansicht des Gerichts dafür, von der Pfänd­bar­keit der Ener­gie­preis­pau­scha­le auszugehen.

Ob der Gesetz­ge­ber ganz bewusst kei­ne Unpfänd­bar­keit der Ener­gie­preis­pau­scha­le ange­ord­net hat, lässt sich mit den vor­han­de­nen Mate­ria­li­en nach Ansicht des Gerichts nicht auf­klä­ren. Aus­schlie­ßen lässt sich das aber auch nicht. Mög­li­cher­wei­se woll­te der Gesetz­ge­ber lie­ber Gläu­bi­ger als Schuld­ner ent­las­ten, die ja den­sel­ben Preis­stei­ge­run­gen aus­ge­setzt sind und auch auf die Ein­zie­hung ihrer Außen­stän­de ange­wie­sen sein kön­nen. Mög­lich erscheint auch, dass der Gesetz­ge­ber auch die Schul­den­be­glei­chung als Ent­las­tung der Bür­ger ansah.

Nach Allem muss daher nach hier ver­tre­te­ner Ansicht von der Pfänd­bar­keit der Ener­gie­preis­pau­scha­le aus­ge­gan­gen werden.

Letzt­lich könn­te maxi­mal bei Vor­lie­gen der Vor­aus­set­zun­gen des § 765a ZPO eine Voll­stre­ckung ein­ge­schränkt wer­den, wor­auf sich der Schuld­ner vor­lie­gend in sei­nem Antrag auch beru­fen hat. Hier sind jedoch hohe Hür­den zu über­win­den, weil § 765a ZPO nicht per se dafür gedacht ist, der Insol­venz­mas­se zuste­hen­de Beträ­ge zu ent­zie­hen. Auch wären in die­sem Rah­men die Gläu­bi­ger­belan­ge zu berück­sich­ti­gen, bei denen sich die erhöh­ten Ener­gie­kos­ten ja eben­falls nie­der­schla­gen. Vor­lie­gend hat der Schuld­ner inso­weit aber kei­nen Vor­trag gelie­fert, sodass eine Frei­ga­be nach § 765a ZPO hier auch nicht bewil­ligt wer­den kann. Es drängt sich auch nicht auf, dass der Schuld­ner als ange­stell­ter Zahn­arzt sei­ne Exis­tenz nicht sichern kann.

Urteil im Insolenzrecht

BGH, Beschluss vom 7. Sep­tem­ber 2022 – VII ZB 38/​21

Antrag auf Kon­kre­ti­sie­rung einer Aus­kunft nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO!

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BGH, Beschluss vom 7. Sep­tem­ber 2022 – VII ZB 38/​21

Die Ent­schei­dung

Tenor

Ein Antrag des Gläu­bi­gers an das Voll­stre­ckungs­ge­richt auf Kon­kre­ti­sie­rung der von dem Schuld­ner nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO zu ertei­len­den Aus­kunft in dem (Pfän­dungs- und) Über­wei­sungs­be­schluss oder einem die­sen ergän­zen­den Beschluss ist unzulässig.

Der VII. Zivil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat am 7. Sep­tem­ber 2022 durch die Rich­ter Half­mei­er, Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jur­ge­leit sowie die Rich­te­rin­nen Bor­ris und Dr. Brenneisen

beschlos­sen:

Die Rechts­be­schwer­de der Gläu­bi­ge­rin gegen den Beschluss des Land­ge­richts Ber­lin – Zivil­kam­mer 51 – vom 15. Juni 2021 wird auf ihre Kos­ten zurückgewiesen.

Grün­de:

[1] I. Die Gläu­bi­ge­rin betreibt gegen die Schuld­ne­rin die Zwangs­voll­stre­ckung aus einem Kos­ten­fest­set­zungs­be­schluss und der voll­streck­ba­ren Aus­fer­ti­gung eines Tabel­len­aus­zugs nach § 201 Abs. 2 InsO. Auf Antrag der Gläu­bi­ge­rin erließ das Amts­ge­richt – Voll­stre­ckungs­ge­richt – am 21. Okto­ber 2020 einen Pfän­dungs- und Über­wei­sungs­be­schluss, mit dem die fäl­li­gen und künf­tig fäl­li­gen Ansprü­che der Schuld­ne­rin gegen den Dritt­schuld­ner “aus Anwaltsvertrag/​Geschäftsbesorgungsvertrag” sowie Scha­dens­er­satz­an­sprü­che der Schuld­ne­rin aus Anwalts­haf­tung gepfän­det und der Gläu­bi­ge­rin zur Ein­zie­hung über­wie­sen wurden.

[2 ] Mit Schrei­ben vom 18. Janu­ar 2021 hat die Gläu­bi­ge­rin bean­tragt, den Pfän­dungs- und Über­wei­sungs­be­schluss um eine “Anord­nung nach § 836 Abs. 3 ZPO” zu ergän­zen, wonach die Schuld­ne­rin gegen­über dem zustän­di­gen Gerichts­voll­zie­her von der Gläu­bi­ge­rin im Ein­zel­nen vor­ge­ge­be­ne Fra­gen betref­fend die gepfän­de­ten, gegen den Dritt­schuld­ner gerich­te­ten Ansprü­che zu beant­wor­ten und ihre Anga­ben an Eides statt zu ver­si­chern habe. Das Amts­ge­richt – Voll­stre­ckungs­ge­richt – hat den Antrag abge­lehnt. Die hier­ge­gen ein­ge­leg­te Erin­ne­rung der Gläu­bi­ge­rin hat das Amts­ge­richt zurück­ge­wie­sen. Auch ihre gegen die­se Ent­schei­dung erho­be­ne sofor­ti­ge Beschwer­de ist ohne Erfolg geblie­ben. Mit der vom Beschwer­de­ge­richt zuge­las­se­nen Rechts­be­schwer­de ver­folgt die Gläu­bi­ge­rin ihr Anlie­gen weiter.

[3] II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statt­haf­te und auch im Übri­gen zuläs­si­ge Rechts­be­schwer­de ist nicht begründet.

[4] 1. Das Beschwer­de­ge­richt hat, soweit für das Rechts­be­schwer­de­ver­fah­ren von Inter­es­se aus­ge­führt, der Pfän­dungs- und Über­wei­sungs­be­schluss kön­ne nicht um eine Anord­nung ergänzt wer­den, durch die klar­ge­stellt wer­de, wel­che kon­kre­ten Aus­künf­te der Gerichts­voll­zie­her von der Schuld­ne­rin zur Gel­tend­ma­chung der gegen den Dritt­schuld­ner gerich­te­ten For­de­rung ein­zu­ho­len habe.

[5] Kom­me der Schuld­ner sei­ner Aus­kunfts­ver­pflich­tung nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO gegen­über dem Gläu­bi­ger nicht nach, kön­ne die­ser bei dem zustän­di­gen Gerichts­voll­zie­her bean­tra­gen, dass der Schuld­ner die Aus­kunft zu Pro­to­koll des Gerichts­voll­zie­hers erklä­re und an Eides statt ver­si­che­re. Eine Not­wen­dig­keit, den Aus­kunfts­an­spruch des Gläu­bi­gers in dem Pfän­dungs- und Über­wei­sungs­be­schluss voll­streck­bar aus­zu­wei­sen, bestehe nicht. Der Anspruch sei gesetz­li­che Fol­ge der Pfän­dung und Über­wei­sung der For­de­rung und wer­de durch deren kla­re und bestimm­te Beschrei­bung im Pfän­dungs- und Über­wei­sungs­be­schluss gegen­ständ­lich begrenzt und hin­rei­chend bestimmt bezeich­net. Dies gel­te unge­ach­tet des­sen, dass der Gläu­bi­ger gegen­über dem zustän­di­gen Gerichts­voll­zie­her Fra­gen benen­nen kön­ne, deren Beant­wor­tung in sei­nem beson­de­ren Inter­es­se liege.

[6] Soweit das Voll­stre­ckungs­ge­richt nach höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung auf Antrag des Gläu­bi­gers in dem das Haupt­recht pfän­den­den Beschluss die Mit­pfän­dung von Neben­rech­ten klar­stel­lend aus­spre­chen kön­ne, gel­te dies nicht glei­cher­ma­ßen für den Aus­kunfts­an­spruch. Zur Bewir­kung der Her­aus­ga­be von Urkun­den im Wege der Zwangs­voll­stre­ckung sei deren hin­rei­chend bestimm­te Bezeich­nung erfor­der­lich. Die Aus­kunfts­pflicht sei dage­gen durch die kla­re Bezeich­nung der gepfän­de­ten For­de­rung aus­rei­chend bestimmt. Inso­weit erlei­de der Gläu­bi­ger kei­nen Nach­teil. Wei­ge­re sich der Gerichts­voll­zie­her, die von dem Gläu­bi­ger gefor­der­ten Aus­künf­te bei dem Schuld­ner ein­zu­ho­len, kön­ne der Gläu­bi­ger Erin­ne­rung nach § 766 ZPO einlegen.

[7] 2. Das hält recht­li­cher Über­prü­fung stand.

[8] a) Nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist der Schuld­ner auf Grund der Über­wei­sung einer angeb­lich bestehen­den For­de­rung ver­pflich­tet, dem Gläu­bi­ger die zur Gel­tend­ma­chung der For­de­rung nöti­ge Aus­kunft zu ertei­len und die ihm über die For­de­rung vor­han­de­nen Urkun­den her­aus­zu­ge­ben. Die Vor­schrift soll dem Gläu­bi­ger die Ein­zie­hung der For­de­rung beim Dritt­schuld­ner erleich­tern. Die Aus­kunfts- und Her­aus­ga­be­pflicht dient sei­nem Inter­es­se, die zur Durch­set­zung der For­de­rung not­wen­di­gen Infor­ma­tio­nen zu erhal­ten. Der Gläu­bi­ger soll in die Lage ver­setzt wer­den, die Aus­sich­ten einer Dritt­schuld­ner­kla­ge zu über­prü­fen und not­falls eine sol­che exakt bezif­fern kön­nen. Unnö­ti­ge und risi­ko­be­haf­te­te Dritt­schuld­ner­kla­gen sol­len ver­mie­den wer­den (vgl. BGH, Beschluss vom

9. Febru­ar 2012 – VII ZB 49/​10 Rn. 7, BGHZ 192, 314; Beschluss vom

21. Febru­ar 2013 – VII ZB 59/​10 Rn. 5 m.w.N., MDR 2013, 548). Die Aus­kunfts­pflicht bezieht sich auf alle für die Ein­zie­hung der über­wie­se­nen For­de­rung erheb­li­chen Ein­zel­hei­ten, wie etwa Tat­sa­chen zum Grund oder zur Berech­nung der Höhe der For­de­rung oder zur Ent­kräf­tung von Ein­wen­dun­gen des Dritt­schuld­ners. Inhalt und Umfang die­ser Pflicht rich­ten sich inso­weit nach den jewei­li­gen Umstän­den des Ein­zel­falls (Musielak/​Voit/​Flockenhaus, ZPO, 19. Aufl., § 836 Rn. 6; Zöller/​Herget, ZPO, 34. Aufl., § 836 Rn. 10).

[9] b) Zu Recht sind die Vor­in­stan­zen davon aus­ge­gan­gen, dass das Voll­stre­ckungs­ge­richt nicht befugt ist, den Inhalt und Umfang der den Schuld­ner tref­fen­den Aus­kunfts­ver­pflich­tung nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO auf Antrag des Gläu­bi­gers durch Aus­kunfts- oder Offen­ba­rungs­an­ord­nun­gen in dem Über­wei­sungs­be­schluss oder einem die­sen ergän­zen­den Beschluss fest­zu­le­gen. Die Ent­schei­dung, ob eine von dem Gläu­bi­ger begehr­te Aus­kunft zur Gel­tend­ma­chung der For­de­rung gegen­über dem Dritt­schuld­ner nötig ist, obliegt nach dem Gesetz dem Gerichts­voll­zie­her. Der Antrag der Gläu­bi­ge­rin an das Voll­stre­ckungs­ge­richt, den Pfän­dungs- und Über­wei­sungs­be­schluss um einen an den Schuld­ner gerich­te­ten Fra­gen­ka­ta­log zu ergän­zen, ist des­halb unzu­läs­sig (Zöller/​Herget, ZPO, 34. Aufl., § 836 Rn. 15; Stöber/​Rellermeyer, For­de­rungs­pfän­dung, 17. Aufl., B. 264; Stö­ber, MDR 2001, 301, 303, 305; Wer­ten­bruch, DGVZ 2001, 65, 66; Schuschke/​Plücker in Schuschke/​Walker/​Kessen/​Thole, ZPO, 7. Aufl., § 836 Rn. 7, 16 f.; a.A. LG Ver­den, Beschluss vom 31. Mai 2002 – 1 T 54/​02, Jur­Bü­ro 2004, 499; Hor­nung, RPfle­ger 1998, 381, 400; Behr, Jur­Bü­ro 2004, 499, 501; Hint­zen in: Wolf/​Hintzen, Hand­buch der Mobi­li­ar­voll­stre­ckung, 2. Aufl., Teil E Kap A Rn. 58; Steder in: Kel­ler, Hand­buch Zwangs­voll­stre­ckungs­recht, 2013, A. Pfän­dung von For­de­run­gen – All­ge­mein Rn. 347).

[10] aa) Gemäß § 836 Abs. 3 Satz 2 ZPO hat ein Schuld­ner, der sei­ner Aus­kunfts­ver­pflich­tung nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO gegen­über dem Gläu­bi­ger nicht nach­kommt, die Aus­kunft auf Antrag des Gläu­bi­gers zu Pro­to­koll zu geben und sei­ne Anga­ben an Eides statt zu ver­si­chern. Die­ses Ver­fah­ren zur Erlan­gung der nöti­gen Aus­künf­te des Schuld­ners ist im Zuge der 2. Zwangs­voll­stre­ckungs­rechts­no­vel­le (Zwei­tes Gesetz zur Ände­rung zwangs­voll­stre­ckungs­recht­li­cher Vor­schrif­ten vom 17. Dezem­ber 1997, BGBl. I S. 3039 ff.) ein­ge­führt wor­den, um dem Gläu­bi­ger bei Mei­dung eines zeit- und kos­ten­in­ten­si­ven Kla­ge­ver­fah­rens eine beschleu­nig­te Durch­set­zung sei­nes Aus­kunfts­an­spruchs im Rah­men der Zwangs­voll­stre­ckung zu ermög­li­chen (vgl. BT-Drucks. 13/​341, S. 11, 35 zu § 836 Abs. 3 Satz 2 ZPO i.d.F. vom 17. Dezem­ber 1997). Durch das Gesetz zur Reform der Sach­auf­klä­rung in der Zwangs­voll­stre­ckung vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2258) ist die­ses Ver­fah­ren an die zeit­gleich Gesetz gewor­de­nen Vor­schrif­ten betref­fend die Abga­be der Ver­mö­gens­aus­kunft des Schuld­ners (§§ 802a ff. ZPO) ange­passt wor­den, im Kern aber unver­än­dert geblie­ben (vgl. BT-Drucks. 16/​10069, S. 35). Zustän­dig für die Pro­to­kol­lie­rung der Aus­künf­te des Schuld­ners und die sich dar­an anschlie­ßen­de Abnah­me der eides­statt­li­chen Ver­si­che­rung ist nach § 836 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 802e ZPO der Gerichts­voll­zie­her. Die­ser hat nach § 836 Abs. 3 Satz 2 ZPO dar­über zu befin­den, ob eine von dem Gläu­bi­ger begehr­te Aus­kunft zur Gel­tend­ma­chung der über­wie­se­nen For­de­rung im Sin­ne von § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO nötig ist oder nicht (vgl. Wer­ten­bruch, DGVZ 2001, 65, 66 zu § 836 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. §§ 899 ff. ZPO i.d.F. vom 17. Dezem­ber 1997; im Ergeb­nis eben­so: David, MDR 2000, 195, 196 f.; Schuschke/​Plücker in Schuschke/​Walker/​Kessen/​Thole, ZPO, 7. Aufl., § 836 Rn. 17).

[11] Die­se Prü­fung kann erst – nach Erlass des Pfän­dungs- und Über­wei­sungs­be­schlus­ses – auf der Grund­la­ge der Aus­kunft des Schuld­ners zum Bestehen der gepfän­de­ten und über­wie­se­nen angeb­li­chen For­de­rung erfol­gen. Erklärt der Schuld­ner bei­spiels­wei­se, dass die­se For­de­rung nicht besteht, kön­nen sich – je nach den Umstän­den – wei­ter­ge­hen­de Fra­gen erüb­ri­gen. Dem Voll­stre­ckungs­ge­richt, das mit dem Erlass des Pfän­dungs- und Über­wei­sungs­be­schlus­ses erst die Grund­la­ge für den Aus­kunfts­an­spruch nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO schafft und den Schuld­ner vor der Pfän­dung grund­sätz­lich nicht anhört (§ 834 ZPO), ist unbe­kannt, wie sich der Schuld­ner zum Bestehen der angeb­li­chen For­de­rung äußern wird. Es könn­te des­halb nur hypo­the­ti­sche Fra­gen for­mu­lie­ren, deren Bedeu­tung unge­wiss ist. Gera­de das hat der Gesetz­ge­ber nicht gewollt. Er hat viel­mehr ein pra­xis­na­hes Ver­fah­ren geschaf­fen, in dem der Gerichts­voll­zie­her im Rah­men der Pro­to­kol­lie­rung und Abga­be der eides­statt­li­chen Ver­si­che­rung fle­xi­bel und sach­ge­recht auf die Erklä­run­gen des Schuld­ners reagie­ren kann.

[12] Eine Zustän­dig­keit des Voll­stre­ckungs­ge­richts in die­sem Zusam­men­hang wider­sprä­che zudem dem erklär­ten Ziel des Gesetz­ge­bers der 2. Zwangs­voll­stre­ckungs­rechts­no­vel­le, durch die Ver­la­ge­rung von Kom­pe­ten­zen auf die Gerichts­voll­zie­her eine Ent­las­tung der Voll­stre­ckungs­ge­rich­te her­bei­zu­füh­ren (vgl. BT-Drucks. 13/​341, S. 12 f.).

[13] bb) Soweit die Rechts­be­schwer­de meint, es sei gebo­ten, die zur Gel­tend­ma­chung der gepfän­de­ten For­de­rung nöti­gen Aus­künf­te in den Über­wei­sungs­be­schluss oder in einen die­sen ergän­zen­den Beschluss auf­zu­neh­men, um dem Gläu­bi­ger die zwangs­wei­se Durch­set­zung der Aus­kunfts­ver­pflich­tung in dem Ver­fah­ren nach § 836 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu ermög­li­chen, ist die­ser Ein­wand ange­sichts der Sys­te­ma­tik und Zustän­dig­keits­ver­tei­lung des Geset­zes und der sich dar­aus erge­ben­den Kom­pe­ten­zen des Gerichts­voll­zie­hers unbe­grün­det; er ist zudem inhalt­lich unzutreffend:

[14] (1) Die Aus­kunfts­ver­pflich­tung des Schuld­ners nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist – wie das Beschwer­de­ge­richt zu Recht aus­führt – unmit­tel­ba­re gesetz­li­che Fol­ge einer wirk­sa­men Über­wei­sung der gegen den Dritt­schuld­ner gerich­te­ten For­de­rung (vgl. Stö­ber, MDR 2001, 301, 303). Der erlas­se­ne Über­wei­sungs­be­schluss belegt für die­sen Fall, dass dem Gläu­bi­ger hin­sicht­lich der über­wie­se­nen For­de­rung ein ent­spre­chen­der Aus­kunfts­an­spruch gegen den Schuld­ner zusteht, und bil­det neben dem gegen den Schuld­ner gerich­te­ten Voll­stre­ckungs­ti­tel als “ergän­zen­der Titel” die Grund­la­ge für die Durch­set­zung die­ses Anspruchs (vgl. BT-Drucks. 13/​341, S. 35; BT-Drucks. 16/​10069, S. 35; vgl. auch Stö­ber, MDR 2001, 301, 303).

[15] Auch bedarf es für die zwangs­wei­se Durch­set­zung der Aus­kunfts­ver­pflich­tung des Schuld­ners nach § 836 Abs. 3 Satz 2 ZPO kei­ner inhalt­li­chen Prä­zi­sie­rung der zu ertei­len­den Aus­künf­te in dem Über­wei­sungs­be­schluss. Der Aus­kunfts­an­spruch bezieht sich auf die von der Über­wei­sung erfass­te For­de­rung des Schuld­ners gegen den Dritt­schuld­ner. Die­se For­de­rung ist in dem Über­wei­sungs­be­schluss – eben­so wie in dem zugrun­de­lie­gen­den Pfän­dungs­be­schluss – so bestimmt zu bezeich­nen, dass fest­steht, wel­cher Anspruch Gegen­stand der Zwangs­voll­stre­ckung ist (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 25. März 2010 – VII ZB 11/​08 Rn. 9 m.w.N., Jur­Bü­ro 2010, 440 zu Pfän­dungs­be­schlüs­sen). Wird die­sem Erfor­der­nis Rech­nung getra­gen, ist der Gegen­stand der Aus­kunfts­pflicht nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO hin­rei­chend bestimmt (vgl. Stö­ber, MDR 2001, 301, 302, 304).

[16] (2) Zudem besteht kein prak­ti­sches Bedürf­nis für eine “dekla­ra­to­ri­sche” Benen­nung der nöti­gen Aus­künf­te in einem Über­wei­sungs­be­schluss, um dem Gerichts­voll­zie­her eine Ori­en­tie­rungs­hil­fe zu geben (sie­he II. 2. b) aa)).

[17] Es steht dem Gläu­bi­ger, der von dem Schuld­ner die zur Gel­tend­ma­chung der gegen den Dritt­schuld­ner gerich­te­ten For­de­rung nöti­gen Aus­künf­te nicht erhält, außer­dem frei, bei Beauf­tra­gung des Gerichts­voll­zie­hers mit der Durch­füh­rung des Ver­fah­rens nach § 836 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Fra­gen auf­zu­lis­ten, die sei­nes Erach­tens für die Durch­set­zung der über­wie­se­nen For­de­rung erfor­der­lich sind (vgl. David, MDR 2000, 195 f.; HK-ZV/­Bendt­sen, 4. Aufl., § 836 Rn. 20). Zusätz­lich kann er – wie sich aus § 836 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 802f Abs. 4 Satz 2, § 802i Abs. 1 Satz 3 ZPO ergibt – grund­sätz­lich an dem Ter­min zur Abga­be der Aus­kunft und eides­statt­li­chen Ver­si­che­rung durch den Schuld­ner teil­neh­men und dar­auf hin­wir­ken, dass die­ser dem Gerichts­voll­zie­her die aus Sicht des Gläu­bi­gers nöti­gen Aus­künf­te erteilt.

[18] cc) Schließ­lich kann ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Rechts­be­schwer­de aus der Recht­spre­chung des Senats, wonach die von dem Schuld­ner nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO her­aus­zu­ge­ben­den Urkun­den über die über­wie­se­ne For­de­rung auf Ver­lan­gen des Gläu­bi­gers in dem Über­wei­sungs­be­schluss im Ein­zel­nen zu bezeich­nen sind (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2006 – VII ZB 142/​05 Rn. 9, MDR 2007, 50; Beschluss vom 9. Febru­ar 2012 – VII ZB 49/​10 Rn. 19, BGHZ 192, 314; Beschluss vom 21. Febru­ar 2013 – VII ZB 59/​10 Rn. 10, MDR 2013, 548), nicht abge­lei­tet wer­den, dass Ent­spre­chen­des auch für die von dem Schuld­ner an den Gläu­bi­ger zu ertei­len­de Aus­kunft zu gel­ten habe.

[19] Die von der Rechts­be­schwer­de in Bezug genom­me­ne Recht­spre­chung des Senats fin­det ihre Recht­fer­ti­gung dar­in, dass der Her­aus­ga­be­an­spruch des Gläu­bi­gers nach § 836 Abs. 3 Satz 5 i.V.m. § 883 ZPO zu voll­stre­cken ist, sofern der Schuld­ner dem Gläu­bi­ger her­aus­zu­ge­ben­den Urkun­den nicht frei­wil­lig über­gibt. Für die Voll­stre­ckung eines auf bestimm­te Urkun­den gerich­te­ten Her­aus­ga­be­an­spruchs nach § 883 Abs. 1 ZPO ist im Grund­satz aner­kannt, dass sich aus dem der Voll­stre­ckung zugrun­de lie­gen­den Titel im Ein­zel­nen erge­ben muss, wel­che Urkun­den her­aus­zu­ge­ben sind, da es nicht dem Voll­stre­ckungs­or­gan über­las­sen blei­ben kann, aus einer Viel­zahl von im Gewahr­sam des Schuld­ners befind­li­chen Schrift­stü­cken die­je­ni­gen her­aus­zu­su­chen, die von dem titu­lier­ten Leis­tungs­an­spruch des Gläu­bi­gers umfasst sind (vgl. BGH, Urteil vom 26. Janu­ar 1983 – IVb ZR 355/​81, MDR 1983, 650, juris Rn. 10 f.; OLG Cel­le, Beschluss vom 4. April 2014 – 4 W 55/​14, MDR 2014, 1170, juris Rn. 5). Dies erfor­dert es, die von dem Schuld­ner nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO her­aus­zu­ge­ben­den Unter­la­gen in dem Über­wei­sungs­be­schluss im Ein­zel­nen zu benen­nen. Die­se Grund­sät­ze las­sen sich auf den hier maß­geb­li­chen Sach­ver­halt nicht über­tra­gen, da der Aus­kunfts­an­spruch des Gläu­bi­gers aus § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO in dem Ver­fah­ren auf Abga­be einer eides­statt­li­chen Ver­si­che­rung nach § 836 Abs. 3 Satz 2 bis 4 ZPO zwangs­wei­se durch­zu­set­zen ist, in des­sen Rah­men – wie dar­ge­legt (sie­he II. 2. b) aa)) – der Gerichts­voll­zie­her – vor­be­halt­lich einer gericht­li­chen Über­prü­fung – in ähn­li­cher Wei­se wie im Fall von § 802c Abs. 2

Satz 2 ZPO dar­über zu befin­den hat, wel­che Aus­künf­te im Zwei­fel zur Gel­tend­ma­chung der For­de­rung des Gläu­bi­gers erfor­der­lich sind.

[20] III. Die Kos­ten­ent­schei­dung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.