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Urteil im Insolenzrecht

OLG Dres­den, Urteil vom 9.8.2022 – 4 U 243/​22

Kei­ne Löschung von Daten 6 Mona­te nach Rest­s­schuld­be­frei­ung!

Anders jedoch das OLG Schles­wig, Urteil vom 02.07.2021, Az. 17 U 15/​21! => hier.

Sach­ver­halt

Leit­sät­ze

  1. Die Spei­cher­fris­ten der Inso­Bek­VO sind für die Fra­ge, wie lan­ge die Infor­ma­ti­on über die
    Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung in einem Boni­täts­in­for­ma­ti­ons­sys­tem vor­ge­hal­ten wer­den
    darf, nicht heranzuziehen.
  2. Die Ent­schei­dung hängt viel­mehr von einer Abwä­gung im Ein­zel­fall ab, die auf Sei­ten des
    Betrof­fe­nen die kon­kre­te und nach­voll­zieh­ba­re Dar­le­gung von Umstän­den des Ein­zel­falls
    ver­langt, die ihn von sons­ti­gen Schuld­nern, denen eine Rest­schuld­be­frei­ung erteilt wor­den
    ist, unter­schei­det.
    OLG Dres­den, 4. Zivil­se­nat, Urteil vom 9. August 2022, Az.: 4 U 243/​22

Urteil

I.


Die Par­tei­en strei­ten über einen Anspruch des Klä­gers auf Löschung per­so­nen­be­zo­ge­ner
Daten aus der Daten­bank der Beklag­ten.
Der Klä­ger ist als selbst­stän­di­ger Unter­neh­mer tätig. Die Beklag­te ist eine Akti­en­ge­sell­schaft
und betreibt ein Boni­täts­in­for­ma­ti­ons­sys­tem, wel­ches auf der Samm­lung, Spei­che­rung,
Ver­ar­bei­tung und Wei­ter­ga­be von Wirt­schafts­da­ten natür­li­cher und juris­ti­scher Per­so­nen
auf­baut. Die­se Daten sol­len ins­be­son­de­re Kre­dit­ge­ber vor Ver­lus­ten im Kre­dit­ge­schäft mit
poten­ti­el­len Kre­dit­neh­mern schüt­zen. Bei Aus­künf­ten über poten­ti­el­le Ver­trags­part­ner ihrer
Kun­den bil­det die Beklag­te für die­se Ver­trags­part­ner auf­grund der über sie gespei­cher­ten
Daten einen Score-Wert, der etwas über die Boni­tät aus­sa­gen soll. Die Beklag­te spei­chert
auch die im län­der­über­grei­fen­den Inter­net­por­tal unter
„www​.insol​venz​be​kannt​ma​chun​gen​.de“ (nach­fol­gend nur „öffent­li­ches Regis­ter“)
ver­öf­fent­lich­ten Infor­ma­tio­nen in ihrer eige­nen Daten­bank und stellt sie zum Abruf durch
Drit­te bereit.
Im Jahr 2014 wur­de über das Ver­mö­gen des Klä­gers ein Insol­venz­ver­fah­ren eröff­net. Am
20.08.2019 mel­de­te der Klä­ger ein (Neben-)Gewerbe an. Nach Ablauf der
Wohl­ver­hal­tens­pha­se am 16.03.2020 wur­de dem Klä­ger Rest­schuld­be­frei­ung erteilt. Die­se
Infor­ma­ti­on wur­de im öffent­li­chen Regis­ter ver­öf­fent­licht und von dort von der Beklag­ten
unmit­tel­bar – ent­spre­chend ihrer übli­chen und stan­dar­di­sier­ten Arbeits­wei­se – erho­ben.
Nach den für die Beklag­te gel­ten­den Ver­hal­tens­re­geln (Code of Con­duct), die zwi­schen dem
Ver­band „Die W…… e.V.“, des­sen Mit­glied die Beklag­te ist, und den
Daten­schutz­auf­sichts­be­hör­den des Bun­des und der Län­der abge­stimmt und auf Antrag des
Bran­chen­ver­bands von der zustän­di­gen Auf­sichts­be­hör­de geneh­migt wor­den sind, ist die­ser
Daten­satz noch bis zum 15.3.2023 bei der Beklag­ten abruf­bar.
Der Klä­ger for­der­te die Beklag­te mit Schrei­ben vom 15.07.2020 auf, die Infor­ma­ti­on über die
Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung nicht mehr Drit­ten zu über­las­sen, da er einen
Löschungs­an­spruch nach 6 Mona­ten – gleich­lau­fend zur Bekannt­ma­chungs­dau­er in den
Insol­venz­re­gis­tern – aus der DS-GVO habe. Dies wies die Beklag­te mit Schrei­ben vom
16.07.2020 zurück, sie lehn­te eine Löschung der ihr vor­lie­gen­den Infor­ma­tio­nen vor Ablauf der drei­jäh­ri­gen Spei­cher­fris­ten ab.
Der Klä­ger behaup­tet, er habe infol­ge­des­sen zahl­rei­che wirt­schaft­lich vor­teil­haf­te Ver­trä­ge
nicht erhal­ten. So habe sei­ne Bank die Gewäh­rung eines Kre­dit­ver­tra­ges abge­lehnt, den er
für die Sanie­rung des von ihm mit nota­ri­el­lem Ver­trag vom 3.6.2020 zum Preis von 15.000,-
EUR erwor­be­nen Haus­grund­stücks benö­ti­ge, so dass er wei­ter­hin erheb­li­che Miet­zah­lun­gen
für ein von ihm und sei­ner Fami­lie bewohn­tes Haus leis­ten müs­se. Fer­ner sei ihm ein KfW­Kre­dit, den er für sein Unter­neh­men pan­de­mie­be­dingt erhal­ten hät­te, von sei­ner Haus­bank
wegen des Ein­trags ver­wehrt wor­den. Er sei in sei­ner wirt­schaft­li­chen Betä­ti­gung durch die
Ein­tra­gung stark ein­ge­schränkt, da er kei­ne Gewer­be­räu­me anmie­ten kön­ne, und erlei­de in
sei­ner Wett­be­werbs­fä­hig­keit Nach­tei­le, da er die von poten­ti­el­len Auf­trags­ge­bern ver­lang­te
Bank­bürg­schaft nicht erhal­te, u.a. habe er einen Rad­la­der nur gegen Kau­ti­ons­zah­lung
anmie­ten kön­nen. Auch einen Mobil­funk­ver­trag habe er nur gegen Kau­ti­ons­zah­lung
abschlie­ßen kön­nen. Der Abschluss einer güns­ti­gen pri­va­ten Kran­ken­ver­si­che­rung und einer
Risi­ko­le­bens­ver­si­che­rung sei wegen des bei der Beklag­ten gespei­cher­ten Ein­trags
fehl­ge­schla­gen. Er ver­fü­ge aus sei­ner selbst­stän­di­gen Tätig­keit über ein erheb­li­ches
Ein­kom­men in Höhe von rund 4.000,- EUR monat­lich; dies wer­de auch durch den Abschluss
eines nota­ri­el­len Kauf­ver­tra­ges vom 11.03.2021 belegt, mit dem er Grund­stü­cke für ein
Bau­pro­jekt zur Alters­si­che­rung zum Preis von 17.750,- EUR erwor­ben habe.
Das Land­ge­richt hat die Kla­ge abge­wie­sen. Zur Begrün­dung sei­ner hier­ge­gen gerich­te­ten
Beru­fung wie­der­holt und ver­tieft er unter Bezug­nah­me auf eine Ent­schei­dung des OLG
Schles­wig sei­ne Rechtsansicht.


Er bean­tragt,


das Urteil des Land­ge­richts Chem­nitz, Az 42365/​21 vom 30.12.2021,
auf­zu­he­ben und die Beklag­te zu verurteilen,

  1. die in Ihrem elek­tro­ni­schen Daten­be­stand (Com­pu­ter) gespei­cher­ten
    Infor­ma­tio­nen: „Aus den öffent­li­chen Ver­zeich­nis­sen der
    Insol­venz­ge­rich­te stammt die Infor­ma­ti­on, dass zu dem unter dem Az.
    15 IN1269 – 14PL209112 geführ­ten Insol­venz­ver­fah­ren die Ertei­lung der
    Rest­schuld­be­frei­ung am 18.3.2020 mit­ge­teilt wur­de.”, zu löschen,
  2. den Score-Wert des Klä­gers in der Wei­se wie­der unver­züg­lich
    her­zu­stel­len, als habe es die unter dem Antrag unter 1) vor­ge­nom­me­ne
    Spei­che­rung nicht gegeben.

Die Beklag­te beantragt,


die Beru­fung zurückzuweisen.


Sie ver­tei­digt die ange­foch­te­ne Ent­schei­dung unter Wie­der­ho­lung und Ver­tie­fung ihres
bis­he­ri­gen Vor­brin­gens und unter Ver­weis auf die hier­zu bis­lang ergan­ge­ne
Recht­spre­chung.


Wegen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf den Akten­in­halt
Bezug genom­men.

II.
Die zuläs­si­ge Beru­fung hat in der Sache kei­nen Erfolg. Das Land­ge­richt hat die Kla­ge zu
Recht abge­wie­sen. Der Klä­ger hat gegen die Beklag­te kei­nen Anspruch auf Löschung der
Ein­tra­gung sei­ner Rest­schuld­be­frei­ung aus Arti­kel 17 Abs. 1 lit. a), c) oder d) DS-GVO.
Weder war die Spei­che­rung der Daten und der wei­te­ren Ver­ar­bei­tung durch die Beklag­te von
Anfang an unrecht­mä­ßig, noch ist die wei­te­re Ver­ar­bei­tung der Daten für die Zwe­cke, für die
sie erho­ben wur­den, nicht mehr notwendig.Bei der Erhe­bung, Spei­che­rung und (poten­ti­el­len) Wei­ter­ga­be der Infor­ma­tio­nen über den
Klä­ger han­delt es sich um eine Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten durch die Beklag­te
gemäß Art. 4 DS-GVO. Die­se ist “Ver­ant­wort­li­che” im Sin­ne von Art. 4 Nr. 7 DS-GVO. Der
Klä­ger hat unstrei­tig kei­ne Ein­wil­li­gung (Art. 6 Abs. 1 lit. a) DS-GVO) erteilt und die Beklag­te
nimmt auch kei­ne Auf­ga­be im öffent­li­chen Inter­es­se oder in Aus­übung öffent­li­cher Gewalt
wahr (Art 6 Abs. 1 lit. e) DS-GVO).Die Ver­ar­bei­tung der klä­ger­be­zo­ge­nen Infor­ma­tio­nen über das Ein­tre­ten der
Rest­schuld­be­frei­ung durch die Beklag­te war jedoch recht­mä­ßig gem. Art 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO.
Ob die 6‑Mo­nats-Frist des § 3 Inso­Bek­VO – die hier zum 16.09.2020 abge­lau­fen ist – eine
gesetz­li­che Grund­la­ge für die Daten­ver­ar­bei­tung auch nicht­öf­fent­li­cher Stel­len dar­stellt,
bedarf inso­fern kei­ner Ent­schei­dung. Die bis zum 16.03.2023 befris­te­te Daten­ver­ar­bei­tung
durch die Beklag­te ist bereits nach Art 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO zuläs­sig (so im Grund­satz
auch: OLG Olden­burg, vom 23.11.2021 – 13 U 63/​21, – juris; OLG Köln, Urteil vom
27.01.2022 – 15 U 153/​21, – juris; KG, Urteil vom 15.02.2022 – 27 U 51/​21, ‑juris; OLG
Stutt­gart, Urteil vom 10.08.2022 – 9 U 24/​22 – Anla­ge BB Bekl.; Thüsing/​Flink/​Rombey, NZI
2021, 951, beck-online; ent­ge­gen OLG Schles­wig, Urteil vom 02.07.2021, 17 U 15/​21, – juris
und vom 03.06.2022 ‑17 U 5/​22 -, juris; Möller/​Zerhusen, ZVI 2022, 98; Brzo­za, juris­PR-InsR
15/​2022 Anm. 3 zu OLG Schles­wig, a.a.O.). Nach die­ser Vor­schrift ist eine
Daten­ver­ar­bei­tung recht­mä­ßig, wenn sie zur Wah­rung berech­tig­ter Inter­es­sen des
Ver­ant­wort­li­chen oder eines Drit­ten erfor­der­lich ist, sofern nicht die Inter­es­sen, Grund­rech­te
und Grund­frei­hei­ten der betrof­fe­nen Per­son, die den Schutz per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten
erfor­dern, über­wie­gen.
a) Die auf den Klä­ger bezo­ge­nen Infor­ma­tio­nen wer­den von der Beklag­ten zur Wah­rung
berech­tig­ter Inter­es­sen ver­ar­bei­tet. Als berech­tig­tes Inter­es­se kommt dabei jedes recht­li­che,
tat­säch­li­che, wirt­schaft­li­che oder ideel­le Inter­es­se in Betracht (OLG Schles­wig, Urteil vom
02.07.2021, Az. 17 U 15/​21, – juris m.w.N.). Nach ihrem Geschäfts­zweck sam­melt, spei­chert
und ver­ar­bei­tet die Beklag­te boni­täts­re­le­van­te Infor­ma­tio­nen über Per­so­nen. Die
Daten­ver­ar­bei­tung dient sodann dazu, ihren Kun­den die­se Infor­ma­tio­nen im Vor­feld von
Ver­trags­ver­hand­lun­gen oder bei Abschluss von Ver­trä­gen zur Ver­fü­gung zu stel­len, damit
die­se ein­schät­zen kön­nen, ob es bei poten­ti­el­len Ver­trags­part­nern mög­li­cher­wei­se zu
Zah­lungs­schwie­rig­kei­ten kommt. Das eige­ne Inter­es­se der Beklag­ten stellt sich als
wirt­schaft­li­ches Inter­es­se im Sin­ne einer mög­lichst umfas­send voll­stän­di­gen Daten­bank mit
mög­lichst vie­len boni­täts­re­le­van­ten Daten zu mög­li­chen Schuld­nern dar (vgl. Brzo­za,
juris­PR-InsR 15/​2022 Anm. 3). Zwar erkennt Erwä­gungs­grund (4) S. 2 aus­drück­lich an, dass
die unter­neh­me­ri­sche Frei­heit bei der Abwä­gung zu berück­sich­ti­gen ist. Ob die zur
Errei­chung ihrer eige­nen Geschäfts­zie­le vor­ge­nom­me­ne Daten­ver­ar­bei­tung für sich
genom­men aber bereits die Annah­me eines zuguns­ten der Beklag­ten als Ver­ant­wort­li­che
bestehen­den berech­tig­ten Inter­es­ses recht­fer­tigt, kann hier offen­blei­ben, da jeden­falls die
Inter­es­sen ihrer Ver­trags­part­ner, zutref­fen­de und objek­ti­ve Aus­künf­te über Kun­den zu
erhal­ten, um deren Kre­dit­wür­dig­keit bzw. wirt­schaft­li­che Risi­ken bei der
Geschäfts­an­bah­nung oder ‑durch­füh­rung beur­tei­len zu kön­nen, als berech­tig­te Inter­es­sen
eines „Drit­ten“ im Sin­ne der Vor­schrift anzu­er­ken­nen sind.
b) Ent­ge­gen der vom OLG Schles­wig (Urteil vom 02.07.2021, a.a.O.) ver­tre­te­nen Auf­fas­sung
sind ins­be­son­de­re die berech­tig­ten Inter­es­sen der Ver­trags­part­ner der Beklag­ten als „Drit­te“
im Rah­men der nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO gebo­te­nen Abwä­gung neben den
wirt­schaft­li­chen Inter­es­sen der Beklag­ten maß­geb­lich zu berück­sich­ti­gen. Die
Boni­täts­aus­künf­te der Beklag­ten erfol­gen an Unter­neh­men, die ent­we­der Kre­di­te ver­ge­ben
oder auf ande­re Wei­se gegen­über ihren poten­zi­el­len Ver­trags­part­nern in Vor­leis­tung gehen
und sich damit dem Risi­ko eines Zah­lungs­aus­falls aus­set­zen. Die Mit­tei­lung, zu wel­chem
Zeit­punkt eine Rest­schuld­be­frei­ung erteilt wur­de, ist schon des­halb von beson­de­rem
Inter­es­se zur Bewer­tung der Boni­tät, da fest­steht, dass der Schuld­ner jeden­falls zu die­sem
Zeit­punkt nach­weis­lich ver­mö­gens­los war. Durch die Rest­schuld­be­frei­ung wird zudem
belegt, dass der Schuld­ner fäl­li­ge For­de­run­gen in einem Zeit­raum von immer­hin sechs
Jah­ren nicht beglei­chen konn­te, obwohl er ver­pflich­tet war, alles Mög­li­che zu unter­neh­men,
um sei­ne Schul­den in der Wohl­ver­hal­tens­pha­se gemäß §§ 287b, 295 InsO abzu­zah­len; auch
das hat wie­der­um nach der Markt­ein­schät­zung gewis­se Rele­vanz für die Bewer­tung sei­ner
heu­ti­gen Kre­dit­wür­dig­keit, die nichts ande­res ist als eine rei­ne Pro­gno­se­ent­schei­dung durch
den Kre­dit­ge­ber (so auch OLG Olden­burg, a.a.O., OLG Köln, a.a.O.). Hin­zu kommt, dass bei
rest­schuld­be­frei­ten Ver­brau­chern das Risi­ko von Zah­lungs­aus­fäl­len in den ers­ten drei
Jah­ren ca. drei bis sechs­mal grö­ßer ist als beim Rest der Bevöl­ke­rung (vgl. Nach­wei­se bei
Thüsing/​Flink/​Rombey, a.a.O.). Die Aus­künf­te sind zum Aus­gleich einer
Infor­ma­ti­ons­dis­pa­ri­tät erfor­der­lich, die zwi­schen Kre­dit­ge­ber und Kre­dit­neh­mer herrscht.
Andern­falls wären die Kre­dit­ge­ber aus­schließ­lich auf die Eigen­an­ga­ben poten­ti­el­ler
Kre­dit­neh­mer ange­wie­sen. Ver­gleich­ba­re Erwä­gun­gen las­sen sich für den Fall des pri­va­ten
oder gewerb­li­chen Ver­mie­ters anstel­len, der Infor­ma­tio­nen über die Boni­tät eines
poten­zi­el­len Mie­ters benö­tigt oder für Ver­trags­part­ner, die – wie im Bau­ge­wer­be üblich -
regel­mä­ßig in Vor­leis­tung gehen und das Risi­ko von Zah­lungs­aus­fäl­len abschät­zen wol­len.
c) Zwar steht zum Zeit­punkt der Spei­che­rung regel­mä­ßig nicht fest, ob und gege­be­nen­falls
wer kon­kre­te ver­trag­li­che oder vor­ver­trag­li­che Bezie­hun­gen zum Klä­ger ein­ge­hen wird und
daher an der Ertei­lung der Infor­ma­ti­on über die Rest­schuld­be­frei­ung inter­es­siert sein könn­te.
Die oben dar­ge­stell­te Inter­es­sen­la­ge tritt aller­dings im Fall der Kre­dit­ge­wäh­rung oder auch
bei sons­ti­gen Ver­trags­ge­stal­tun­gen mit Vor­leis­tungs­pflicht regel­mä­ßig und typi­scher­wei­se
auf. Auch ohne dass ein zukünf­ti­ger Ver­trags­part­ner des Klä­gers nament­lich fest­stün­de und
der Inhalt eines kon­kret abzu­schlie­ßen­den Ver­tra­ges bekannt wäre, ist daher das berech­tig­te
Inter­es­se eines Kre­dit­ge­bers an der Ertei­lung der Infor­ma­tio­nen bereits der­zeit hin­rei­chend
sicher fest­stell­bar. Da die Beklag­te die Daten aus­schließ­lich einem fest defi­nier­ten Kreis von
Ver­trags­part­nern auf kon­kre­te Nach­fra­ge und nach Gel­tend­ma­chung eines berech­tig­ten
Inter­es­ses zur Ver­fü­gung stellt, recht­fer­tigt das typi­sche Inter­es­se eines bestimm­ba­ren
Per­so­nen­krei­ses in der Situa­ti­on einer Kre­dit­ge­wäh­rung oder eines beab­sich­tig­ten
Ver­trags­schlus­ses das Vor­hal­ten der Infor­ma­tio­nen, auch wenn das kon­kre­te Inter­es­se eines
nament­lich bekann­ten Geschäfts­part­ners der Beklag­ten noch nicht abseh­bar ist. Es ist daher
nicht erfor­der­lich, dass der­je­ni­ge Drit­te, der die Aus­kunft über die Ertei­lung der
Rest­schuld­be­frei­ung im eige­nen Inter­es­se begehrt, bereits bekannt ist. Hin­zu kommt, dass
der Begriff des berech­tig­ten Inter­es­ses weit zu ver­ste­hen ist, wes­halb auch kei­ne
über­spann­ten Anfor­de­run­gen an die Bestimmt­heit des Inter­es­ses und die Kon­kre­ti­sie­rung
des Inha­bers des jewei­li­gen Inter­es­ses gestellt wer­den dür­fen (so auch OLG Köln, a.a.O.;
OLG Olden­burg, a.a.O.; OLG Stutt­gart, a.a.O.; Thüsing/​Flink/​Rombey, a.a.O.).
d) Schließ­lich ist auch zu berück­sich­ti­gen, dass die Ertei­lung von zutref­fen­den
Boni­täts­aus­künf­ten – unter ande­rem durch die Beklag­te -, die auf der Spei­che­rung und
Über­mitt­lung von Infor­ma­tio­nen über das Vor­lie­gen von frü­he­ren oder gegen­wär­ti­gen
Zah­lungs­stö­run­gen ein­schließ­lich der Ertei­lung von Rest­schuld­be­frei­un­gen beru­hen, für die
Kre­dit­ver­ga­be und somit für das Funk­tio­nie­ren der Wirt­schaft von erheb­li­cher Bedeu­tung ist
und daher im All­ge­mein­in­ter­es­se liegt. Denn indem die Beklag­te poten­ti­el­len Kre­dit­ge­bern
bzw. Anbie­tern von Ver­trä­gen mit kre­dit­re­le­van­ten Inhal­ten Zugang zu nicht durch die
Betrof­fe­nen gefil­ter­ten Infor­ma­tio­nen ermög­licht, trägt sie zur Auf­recht­erhal­tung eines
Markt­um­fel­des bei, in dem über­haupt ver­gleichs­wei­se leicht zugäng­li­che Ver­trä­ge mit
kre­dit­re­le­van­ten Ange­bo­ten ange­bo­ten wer­den kön­nen, weil sich die Anbie­ter schnell und
unbü­ro­kra­tisch ein Bild von einem gro­ßen Kun­den­stamm machen kön­nen. Dass
Daten­ban­ken zur Beur­tei­lung der Kre­dit­fä­hig- und ‑wür­dig­keit von Ver­brau­chern zweck­mä­ßig
und sinn­voll sein kön­nen wird auch durch Art. 8 der Richt­li­nie 2008/​48/​EG
(Ver­brau­cher­kre­dit-RL) belegt, die die Ver­ga­be von Ver­brau­cher­kre­di­ten unter die
Vor­aus­set­zung einer auch daten­bank­ge­stütz­ten Kre­dit­wür­dig­keits­prü­fung stellt, wenn­gleich
dies nicht zwin­gend durch den natio­na­len Gesetz­ge­ber umzu­set­zen ist (so auch OLG Köln,
a.a.O.; OLG Stutt­gart, a.a.O.).
e) Das auf Sei­ten der Beklag­ten bestehen­de berech­tig­te Inter­es­se an der Ver­ar­bei­tung von
Infor­ma­tio­nen über die Ertei­lung einer Rest­schuld­be­frei­ung ist auch nicht nach Ablauf der in
§ 3 Inso­Bek­VO für die öffent­li­che Bekannt­ma­chung vor­ge­se­he­nen Frist von sechs Mona­ten
ohne wei­te­res ent­fal­len. Das in Art. 6 Abs. 1 DS-GVO euro­pa­recht­lich nor­mier­te berech­tig­te
Inter­es­se an der Daten­ver­ar­bei­tung wird durch die Anord­nung einer Spei­cher­frist in § 3
Inso­Bek­VO als natio­na­les Recht, das über­dies allein für öffent­li­che Bekannt­ma­chun­gen im
Insol­venz­ver­fah­ren gilt, nicht näher kon­kre­ti­siert und beschränkt.
Das OLG Köln, des­sen nach­ste­hend zitier­ten über­zeu­gen­den Erwä­gun­gen sich der Senat
zur Ver­mei­dung von Wie­der­ho­lun­gen anschließt, hat hier­zu aus­ge­führt:
„© Ent­ge­gen dem Stand­punkt des Ober­lan­des­ge­richts Schles­wig (a.a.O., NZI 2021,
794 mit inso­fern zust. Anm. Gutow­ski; zustim­mend auch Brzo­za, juris­PR-InsR
16/​2021 Anm. 2) und dem des Ver­wal­tungs­ge­richts Wies­ba­den (a.a.O., Beck­RS
2021, 24583) ist bei der Inter­es­sen­ab­wä­gung nicht maß­geb­lich (auch) auf die
gesetz­li­chen Wer­tun­gen aus § 3 Inso­BekV abzu­stel­len, wonach Ein­tra­gun­gen über
die Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung in den öffent­li­chen
Insol­venz­be­kannt­ma­chun­gen im Inter­net schon nach sechs Mona­ten zu löschen sind.
Es ist – die­se Sechs-Monats-Frist wäre hier unstrei­tig abge­lau­fen – auch nicht allein
des­we­gen das Inter­es­se der Kun­den der Beklag­ten nicht (mehr) “berech­tigt” und die
wei­te­re Daten­ver­ar­bei­tun­g/-vor­hal­tung durch die Beklag­te damit qua­si auto­ma­tisch
durch Zeit­ab­lauf rechts­wid­rig gewor­den.
Das könn­te man zwar argu­men­ta­tiv dar­auf stüt­zen, dass man mit län­ge­ren
Lösch­fris­ten im pri­va­ten Bereich nur das in die­sen gesetz­li­chen Vor­ga­ben für die
öffent­li­che Hand zum Aus­druck kom­men­de Ziel kon­ter­ka­rie­ren wür­de, einem
Schuld­ner nach der Wohl­ver­hal­tens­pe­ri­ode und der Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung
einen mög­lichst ein­fa­chen “Neu­start” zu ermög­li­chen. Mit Heyer (ZVI 2021, 291)
könn­te man mit einer ein­heit­li­chen Les­art auch eine Art “Rechts­ein­heit­lich­keit“
zwi­schen Insol­venz- und Daten­schutz­recht her­stel­len und wür­de zudem ver­mei­den,
dass es nach Weg­fall der staat­li­chen Ver­öf­fent­li­chung der Infor­ma­tio­nen noch zu einer
Art “Vor­rats­da­ten­hal­tung” durch Pri­va­te in einer “Par­al­lel­hal­tung” von Daten für
län­ge­re Zeit­räu­me kom­men wür­de. Doch tra­gen die­se Argu­men­te alle­samt nicht:
(aa) Unmit­tel­bar ist die gesetz­li­che Rege­lung auf Ein­tra­gun­gen in der Daten­bank der
Beklag­ten ohne­hin schon nicht anwend­bar, denn die in der Vor­schrift ange­ord­ne­te
Spei­cher­frist betrifft allein öffent­li­che Bekannt­ma­chun­gen im Insol­venz­ver­fah­ren (so
auch OLG Olden­burg, a.a.O., GRUR-RS 2021, 35540 Rn. 18).
(bb) Eine ana­lo­ge Anwen­dung schei­det schon mit Blick auf die feh­len­de (plan­wid­ri­ge)
Rege­lungs­lü­cke aus. Die Par­tei­en dis­ku­tie­ren im Ver­fah­ren selbst die Über­le­gun­gen
des natio­na­len Gesetz­ge­bers, die deut­lich gegen einen (sei es auch nur “mit­tel­ba­ren”)
Rege­lungs­wil­len und/​oder eine plan­wid­ri­ge Rege­lungs­lü­cke spre­chen: Denn in der
letz­ten Legis­la­tur­pe­ri­ode sah ein frü­her Refe­ren­ten­ent­wurf zu § 301 Abs. 5 InsO-RefE
eine aus­drück­li­che gesetz­li­che Rege­lung hin­sicht­lich kur­zer Spei­cher­fris­ten von
Aus­kunftei­en vor. Nach­dem dage­gen u.a. gera­de euro­pa­recht­li­che Beden­ken laut
gewor­den waren (Thüsing/​Flink/​Rombey, NZI 2020, 611 ff.), hat man bewusst von
einer sol­chen Rege­lung abge­se­hen (BT-Drs. 19/​25322, 5, 7) und allein eine
Eva­lu­ie­rungs­klau­sel in Art. 107a Abs. 1 S. 2 EGIn­sO ins Gesetz auf­ge­nom­men.
Ange­sichts des­sen kann es schon metho­disch selbst nur mit Blick auf das natio­na­le
Recht nicht ange­hen, nun­mehr aus die­ser Norm all­ge­mein­gül­ti­ge Aus­sa­gen auch für
Aus­kunftei­en abzu­lei­ten, mit denen man den offen­kun­di­gen “Nicht-Rege­lungs-Wil­len“
des Gesetz­ge­bers unter­lau­fen wür­de (zutref­fend Thü­sing, EWiR 2021, 437, 438).
Soweit das Ober­lan­des­ge­richt Schles­wig (a.a.O., NZI 2021, 794) dem­ge­gen­über
aus­ge­führt hat, dass gera­de man­gels gesetz­li­cher Rege­lung (in Aus­fül­lung der
gesetz­li­chen Öff­nungs­klau­seln aus Art. 23 Abs. 1 lit. i und lit. j DSGVO usw.) die
gesetz­li­che Grund­wer­tung aus § 3 Inso­BekV allein maß­geb­lich blei­be, trägt auch dies
nicht, zumal die so her­an­ge­zo­ge­ne Frist dann sogar noch kür­zer wäre als die­je­ni­ge in
dem bewusst ver­wor­fe­nen Ent­wurf (Jah­res­frist).
Das wei­te­re Argu­ment des Ober­lan­des­ge­richts Schles­wig (a.a.O., NZI 2021, 794), die
feh­len­de Fort­schrei­bung von expli­zi­ten gesetz­li­chen Rege­lun­gen zu Aus­kunftei­en wie
in den frü­he­ren §§ 28, 29, 35 BDSG a.F. kön­ne nicht unbe­rück­sich­tigt blei­ben und
habe wohl auch einen Para­dig­men­wech­sel mit sich gebracht, trägt eben­falls nach
Auf­fas­sung des Senats kei­ne ande­re Sicht­wei­se: Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO kann
abs­trakt die Daten­ver­ar­bei­tung in Abwä­gung der wider­strei­ten­den Inter­es­sen
durch­aus recht­fer­ti­gen – was auch das Ober­lan­des­ge­richt Schles­wig zumin­dest für die
ers­ten sechs Mona­te nicht in Abre­de stellt. Auch sonst kön­nen aber die zu den
frü­he­ren – auf Basis der damals noch gel­ten­den Daten­schutz­richt­li­nie RL 95/​46/​EG zu
ver­ste­hen­den – Rege­lun­gen aus dem BDSG aF erkenn­ba­ren Wer­tungs- und
Leit­ent­schei­dun­gen regel­mä­ßig mit­tel­bar bei der Abwä­gung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit f.
DSGVO eine Rol­le spie­len. So hat der Senat für Bewer­tungs­por­ta­le etwa die
Recht­spre­chung zu § 29 BDSG aF weit­ge­hend fort­schrei­ben kön­nen, weil es letzt­lich
nicht zu einer sub­stan­ti­el­len Ver­än­de­rung des Prü­fungs­maß­stabs gekom­men und
viel­mehr bei einer umfas­sen­den Ein­zel­fall­ab­wä­gung geblie­ben ist (Senat, Urt. v.
14.11.2019 – 15 U 126/​19, Beck­RS 2019, 28523 – bestä­tigt durch BGH VI ZR 489/​19).
Nichts ande­res gilt auch hier, zumal schon frü­her mit Blick u.a. auf Art. 6 Abs. 1 lit. e
der RL 95/​46/​EG kei­ne dau­er­haf­te Daten­ver­ar­bei­tung ohne Ober­gren­zen zuläs­sig war
und sich allein durch die Tat­sa­che, dass sich die Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge dog­ma­tisch
von §§ 28, 29 BDSG aF nun­mehr auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO ver­scho­ben hat, an
der Aus­gangs­si­tua­ti­on und dem Abwä­gungs­ge­bot nichts geän­dert hat. Dann aber
spricht nichts dage­gen, wie bis­her auch Fris­ten über sechs Mona­ten noch
(typi­sie­rend) bei der Inter­es­sen­ab­wä­gung als ange­mes­sen anzu­se­hen – zumal Art. 17
Abs. 1 lit c., 21 Abs. 1 DSGVO eine inter­es­sen­ge­rech­te Abmil­de­rung im Ein­zel­fall
erlau­ben.
Unge­ach­tet des­sen spre­chen im Übri­gen auch ent­schei­den­de sys­te­ma­ti­sche
Argu­men­te gegen eine ent­spre­chen­de Anwen­dung des § 3 Inso­BekV und/​oder eine
nur mit­tel­ba­re Aus­wir­kung der natio­na­len Rege­lung zu den Lösch­fris­ten in öffent­li­chen
Insol­venz­be­kannt­ma­chun­gen bei der Anwen­dung der DSGVO: Wie das Land­ge­richt
Gie­ßen (Urt. v. 4.10.2021 – 5 O 457/​20, Beck­RS 2021, 29339) zutref­fend aus­ge­führt
hat, über­zeugt es schon per se nicht, zur Aus­le­gung der euro­pa­recht­li­chen Rege­lung
in Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO auf Rege­lun­gen im natio­na­len Recht zurück­zu­grei­fen (so
auch Thü­sing, EWiR 2021, 437 f.), soweit es – was hier nicht der Fall ist – nicht
zumin­dest um eine kla­re, ein­deu­ti­ge und trans­pa­ren­te Inan­spruch­nah­me der
gesetz­li­chen Öff­nungs­klau­seln (auch) zu Art. 17 DSGVO etwa in Art. 23 lit. i und j
DSGVO geht. Letzt­lich wür­den so nur erheb­li­chen Ungleich­hei­ten Tür und Tor
geöff­net, wenn in den ver­schie­de­nen Mit­glieds­staa­ten (zufäl­lig) unter­schied­li­che
Lösch­fris­ten für Insol­venz­be­kannt­ma­chun­gen gere­gelt wären. Mögen auch über Art.
23 lit. i und j DSGVO unter­schied­li­che natio­na­le Rege­lun­gen zuge­las­sen sein, wäre
dazu zumin­dest eine bewuss­te gesetz­ge­be­ri­sche Ent­schei­dung von­nö­ten, an der es
hier aber gera­de fehlt.
(cc) Auch eine nur mit­tel­ba­re Berück­sich­ti­gung des Rege­lungs­ge­halts des § 3
Inso­BekV inner­halb der Abwä­gung bei Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO – die das
Ober­lan­des­ge­richt Schles­wig wohl eher vor Augen hat­te, weil es die Berech­ti­gung
eines Inter­es­ses in Zwei­fel zieht, wenn die­ses “der Rechts­ord­nung im wei­tes­ten Sin­ne
zuwi­der­lau­fen” wür­de (OLG Schles­wig a.a.O., Rn. 35, 40) – schei­det aus. Auch
inso­fern schließt sich der Senat den Aus­füh­run­gen des Ober­lan­des­ge­richt Olden­burg
(a.a.O., GRUR-RS 2021, 35540) an.
Zum einen strei­ten dage­gen eben­falls die gera­de ange­spro­che­nen dog­ma­tisch­sys­te­ma­ti­schen Beden­ken. Zum ande­ren fehlt es rich­ti­ger­wei­se auch an der Ver­gleich­bar­keit der gesetz­lich gere­gel­ten mit der hier vor­lie­gen­den Situa­ti­on: Sowohl hin­sicht­lich der per­so­nel­len als der inhalt­li­chen Reich­wei­te der jewei­li­gen Daten­ver­ar­bei­tung sind die Sach­ver­hal­te nicht ver­gleich­bar. Auf der Inter­net­platt­form (Insol­venz­be­kannt­ma­chungs­re­gis­ter) sind die dort ent­hal­te­nen Ein­tra­gun­gen – bei denen es letzt­lich auch um staat­li­che Ein­grif­fe geht – für jeder­mann kos­ten­frei und
ohne Regis­trie­rung bzw. ohne Dar­le­gung eines berech­tig­ten Inter­es­ses abzu­ru­fen. Es
besteht also ohne wei­te­res die Mög­lich­keit, nach den Namen belie­bi­ger Nach­barn,
Bekann­ten oder Kol­le­gen zu suchen und in Erfah­rung zu brin­gen, ob die­se von einem
Insol­venz­ver­fah­ren betrof­fen sind. Nach einer Frist von zwei Wochen ab der
Ver­öf­fent­li­chung ist zwar bei Ver­brau­cher­insol­ven­zen noch die Ein­ga­be wei­te­rer
Para­me­ter (Sitz des Insol­venz­ge­richts sowie Fami­li­en­na­me oder Wohn­sitz des
Schuld­ners oder Akten­zei­chen des Insol­venz­ge­richts) erfor­der­lich. Ins­ge­samt bleibt es
jedoch auch unter Berück­sich­ti­gung des­sen dabei, dass eine Ein­sicht durch belie­bi­ge
Drit­te jeden­falls ohne gro­ße Schwie­rig­kei­ten letzt­lich schon aus rei­ner Neu­gier
erfol­gen kann. Vor dem Hin­ter­grund die­ser leich­ten Abruf­bar­keit ist es aber fast
zwin­gend, dass der Gesetz­ge­ber hier eine (enge) Höchst­frist für die Spei­che­rung von
nur sechs Mona­ten vor­ge­se­hen hat.
Eine damit ver­gleich­ba­re Situa­ti­on ist bei der Spei­che­rung und Ver­ar­bei­tung von
Daten durch die Beklag­te nicht gege­ben. Die­se erteilt nur ihren Ver­trags­part­nern
(Ban­ken, Spar­kas­sen, Genos­sen­schafts­ban­ken, Kreditkarten‑, Fac­to­ring- und
Lea­sing­un­ter­neh­men etc.) und auch die­sen erst bei “berech­tig­tem Inter­es­se“
Aus­künf­te, wobei ein sol­ches “berech­tig­tes Inter­es­se” unter ande­rem vor­liegt, wenn
ein Unter­neh­men gegen­über dem betref­fen­den Schuld­ner mit einer Dienst­leis­tung
oder einer Lie­fe­rung in Vor­leis­tung geht und damit ein wirt­schaft­li­ches Risi­ko trägt.
Damit ist zum einen der Kreis an poten­ti­el­len Aus­kunfts­be­rech­tig­ten gegen­über
dem­je­ni­gen der Platt­form Inter­net­adres­se 1 deut­lich gerin­ger und zum ande­ren wird
eine Aus­kunft von der Beklag­ten als pri­vat­recht­li­cher juris­ti­scher Per­son an die­sen
per­so­nell gerin­ge­ren Kreis nur in bestimm­ten Kon­stel­la­tio­nen, näm­lich bei einer
finan­zi­el­len Vor­leis­tung gegen­über dem Schuld­ner, auf­grund eines erkenn­ba­ren
Inter­es­ses erteilt. Da der Gesetz­ge­ber bei § 3 Inso­BekV eine sol­che Kon­stel­la­ti­on
ersicht­lich nicht vor Augen hat­te, kann nach Ansicht des Senats auch nicht
dahin­ge­hend argu­men­tiert wer­den, dass die im “J” ent­hal­te­ne Rege­lung der
gesetz­ge­be­ri­schen Inten­ti­on zuwi­der­lau­fen wür­de. Der Senat ver­kennt dabei aber
aus­drück­lich nicht, dass gera­de in den Fäl­len, in denen eine (ent­gelt­li­che) Aus­kunft
der Beklag­ten ein­ge­holt wird, oft für die Betrof­fe­nen beson­ders wich­ti­ge
“Grund­la­gen­ent­schei­dun­gen” (wie etwa Kre­dit­ver­trag, Mie­te usw.) anste­hen und die
Daten­ver­ar­bei­tung in sol­cher­art “kri­ti­schen” Situa­tio­nen beson­ders belas­tend wir­ken
mag. Indes zeigt dies aber im Gegen­zug gera­de auch das berech­tig­te Inter­es­se der
“Drit­ten”, so dass die The­se etwa des Ver­wal­tungs­ge­richts Wies­ba­den (a.a.O.,
Beck­RS 2021, 24583), dass im Fal­le einer zunächst zuläs­si­gen Spei­che­rung der
Daten aus öffent­li­chen Regis­tern bei Wirt­schafts­aus­kunftei­en dann “höchs­tens“
die­sel­ben Spei­cher- und Lösch­fris­ten gel­ten dür­fen, wie in den öffent­li­chen Regis­tern,
unter dem Regime des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gera­de nicht über­zeugt. …“
(OLG Köln, Urteil vom 27. Janu­ar 2022 – 15 U 153/​21 –, Rn. 38 – 47, juris)
f) Ent­spre­chend den Vor­ga­ben der DS-GVO (Erwä­gungs­grund Nr. 39) muss die Spei­cher­frist
für per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten auf das unbe­dingt erfor­der­li­che Min­dest­maß beschränkt
blei­ben und soll­te der Ver­ant­wort­li­che Fris­ten für ihre Löschung oder regel­mä­ßi­ge
Über­prü­fung vor­se­hen. Der von der Beklag­ten vor­ge­leg­te code of con­duct (Anla­ge B1) sieht
bei per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten, denen Ver­öf­fent­li­chun­gen zu Insol­venz­ver­fah­ren zugrun­de
lie­gen, eine Löschung nach drei Jah­ren vor (Ziff. II 2. b). Auf Basis die­ser Rege­lung ist die
Spei­che­rung und wei­te­re Ver­ar­bei­tung der Daten des Klä­gers bean­stan­dungs­frei, da die
maß­geb­li­che 3‑Jah­res-Frist noch nicht abge­lau­fen ist.
Für die Beur­tei­lung der Recht­mä­ßig­keit der Spei­che­rung ist aber auf den code of con­duct
nicht ent­schei­dend abzu­stel­len. Denn die­ser gewährt als Ver­hal­tens­re­gel i. S. d. Art. 40 Abs.
1 DS-GVO kei­ne eige­nen Rech­te, son­dern dient ledig­lich als Ermes­sens­leit­li­nie für die
ord­nungs­ge­mä­ße Anwen­dung der DS-GVO (vgl. OLG Stutt­gart, a.a.O., m.w.N.) sowie zur
Prä­zi­sie­rung der Inter­es­sen der Ver­ant­wort­li­chen (VG Wies­ba­den, Beschluss vom
11.01.2021 – 6 K 1045/​20 = ZD 2021, 230, Rn. 5; Thüsing/​Fink/​Rombey, a.a.O.). Aus dem
blo­ßen Ver­weis auf Ver­hal­tens­re­geln in Art. 40 DS-GVO ergibt sich kei­ne gesetz­li­che
Legi­ti­ma­ti­on. Deren all­ge­mei­nen Gül­tig­keit wür­de nach Art. 40 Abs. 9 DS-GVO einen
Beschluss der euro­päi­schen Kom­mis­si­on vor­aus­set­zen, der hier aber nicht ersicht­lich ist.
Der code of con­duct wur­de ledig­lich nach Art. 40 Abs. 5 DS-GVO durch die zustän­di­ge
Behör­de geneh­migt. Die not­wen­di­ge Abwä­gung ist daher selbst­stän­dig unter
Berück­sich­ti­gung der jewei­li­gen kon­kre­ten Umstän­de jedes Ein­zel­falls durch­zu­füh­ren und
lässt sich nicht durch einen all­ge­mei­nen Ver­weis auf die Spei­cher- und Löschungs­fris­ten in
den Ver­hal­tens­ko­dex erset­zen. Dies wird auch durch die Ver­hal­tens­re­geln selbst bestä­tigt,
die ent­spre­chend der Rege­lung in Ziff. I eine beson­de­re Prü­fung im Ein­zel­fall nicht
aus­schlie­ßen und jeden­falls im Fal­le eines Wider­spruchs des Betrof­fe­nen als gebo­ten
anse­hen.
g) Man­gels kon­kre­ter Rege­lun­gen und Höchst­fris­ten zur Dau­er einer Spei­che­rung von
per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten in der DS-GVO ist die daten­schutz­recht­li­che Zuläs­sig­keit der
Spei­che­rung der Infor­ma­tio­nen über die Rest­schuld­be­frei­ung anhand einer im jewei­li­gen
Ein­zel­fall vor­zu­neh­men­den Inter­es­sen­ab­wä­gung zu beur­tei­len. Die Abwä­gung, die auf der
Tat­sa­chen­grund­la­ge zum Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung zu tref­fen ist, ergibt
hier, dass die Beklag­te nicht zu einer (vor­zei­ti­gen) Löschung des Ein­trags über die
Rest­schuld­be­frei­ung ver­pflich­tet ist. Dem Klä­ger ist viel­mehr zuzu­mu­ten, wei­te­re sie­ben
Mona­te bis zum Ablauf der regel­mä­ßi­gen drei­jäh­ri­gen Spei­cher­frist am 16.03.2023
abzu­war­ten.

Zwar las­sen die Schrei­ben der Beklag­ten, mit denen sie auf das Löschungs­be­geh­ren des
Klä­gers reagier­te, nicht erken­nen, dass sie – wie in den Ver­hal­tens­re­geln vor­ge­se­hen – eine
indi­vi­du­el­le Prü­fung des Ein­zel­falls vor­ge­nom­men hät­te. Dies ist aber unschäd­lich. Die vom
Klä­ger mit Schrei­ben vom 15.07.2020 vor­ge­tra­ge­nen Grün­de gebie­ten eben­so wie sein
Tat­sa­chen­vor­brin­gen im gericht­li­chen Ver­fah­ren eine Löschung des Ein­trags vor Ablauf der
Drei-Jah­res­frist nicht. Im Ergeb­nis der Abwä­gung über­wie­gen viel­mehr die auf Sei­ten der
Kun­den der Beklag­ten bestehen­den Inter­es­sen an der Ertei­lung von Infor­ma­tio­nen über die
Rest­schuld­be­frei­ung die zuguns­ten des Klä­gers bestehen­den schutz­wür­di­gen Inter­es­sen.
Der Klä­ger hat kei­ne sich aus sei­ner beson­de­ren Situa­ti­on erge­ben­den Grün­de gegen die
wei­te­re Ver­ar­bei­tung dar­ge­legt. Denn hier­un­ter fal­len nur aty­pi­sche, beson­ders
schutz­wür­di­ge per­sön­li­che Inter­es­sen, die im Rah­men der pau­scha­lie­ren­den, typi­sie­ren­den
Abwä­gung des Pri­vat­heits­in­ter­es­ses gegen das Aus­wer­tungs­in­ter­es­se nach Art. 6 Abs. 1 e)
oder f) DS-GVO kei­ne Berück­sich­ti­gung fin­den kön­nen, also kon­kre­te Umstän­de des
Ein­zel­falls, die eine beson­de­re Schutz­wür­dig­keit des Betrof­fe­nen begrün­den (Paal/​Pauly,
Mar­ti­ni, Art. 21 DS-GVO, Rn. 30).
Dass der Klä­ger auf­grund des Ein­trags über die erfolg­te Rest­schuld­be­frei­ung bei sei­ner
wirt­schaft­li­chen Betä­ti­gung Nach­tei­le erlei­det, weil poten­ti­el­le Kun­den nach Kennt­nis der
frü­he­ren Insol­venz von einer Beauf­tra­gung abse­hen, Lie­fe­ran­ten nur gegen Vor­kas­se bzw.
Kau­ti­ons­zah­lung in Ver­trags­be­zie­hun­gen mit ihm tre­ten und er kei­ne für sei­ne geschäft­li­che
Tätig­keit erfor­der­li­chen Kre­di­te erhält, begrün­det bereits kei­ne erheb­li­chen Umstän­de des
Ein­zel­fal­les, die den Klä­ger von sons­ti­gen Schuld­nern, denen eine Rest­schuld­be­frei­ung
erteilt wur­de, unter­schei­den. Es han­delt sich dabei viel­mehr gera­de um die typi­schen Fol­gen
frü­he­ren, nicht ver­trags­ge­mä­ßen Zah­lungs­ver­hal­tens.
Es fehlt über­dies auch an der kon­kre­ten und nach­voll­zieh­ba­ren Dar­le­gung, in wel­cher
wirt­schaft­li­chen Tätig­keit er durch den streit­ge­gen­ständ­li­chen Ein­trag ein­ge­schränkt ist. So
hat er zwar bereits nach Anmel­dung sei­nes Neben­ge­wer­bes am 20.08.2019 offen­sicht­lich
erheb­li­che Ein­künf­te erzielt, wie einer­seits der vor­ge­leg­ten BWA zum 31.12.2019 zu
ent­neh­men ist und ander­seits durch den Umstand belegt wird, dass er bereits rund 3 Mona­te
nach Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung ein Haus­grund­stück erwer­ben konn­te. Dies belegt
aber auch, dass er in sei­nem wirt­schaft­li­chen Han­deln offen­sicht­lich nicht ein­mal wäh­rend
der lau­fen­den Wohl­ver­hal­tens­pha­se vor Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung in erheb­li­chem
Maße ein­ge­schränkt war und es ihm danach gelun­gen ist, inner­halb kür­zes­ter Zeit nicht ganz
uner­heb­li­che finan­zi­el­le Mit­tel anzu­spa­ren. Es erschließt sich daher nicht, aus wel­chem
Grund er gera­de auf­grund des Ein­trags zur Rest­schuld­be­frei­ung bei sei­ner gewerb­li­chen
Tätig­keit Wett­be­werbs­nach­te erlit­ten haben will, zumal er offen­sicht­lich schon knapp ein Jahr
spä­ter im März 2021 über genü­gend finan­zi­el­le Mit­tel ver­füg­te, um Grund­stü­cke für ein
Bau­pro­jekt zur Alters­si­che­rung zu erwer­ben. Glei­ches gilt hin­sicht­lich sei­ner angeb­li­chen
Schwie­rig­kei­ten bei der Auf­trags­an­nah­me und ‑umset­zung wegen feh­len­der Mög­lich­keit,
eine Bank­bürg­schaft stel­len zu kön­nen. Die Behaup­tung des Klä­gers, gera­de infol­ge des
Ein­trags der Rest­schuld­be­frei­ung habe ein Bau­ma­schi­nen­ver­lei­her von ihm eine
Kau­ti­ons­leis­tung gefor­dert, ist schon des­halb nicht nach­voll­zieh­bar, weil die Beklag­te hier­zu
unwi­der­spro­chen auf die Bran­chen­üb­lich­keit sol­cher Kau­ti­ons­zah­lun­gen hin­ge­wie­sen hat,
ein Zusam­men­hang mit dem Ein­trag der Rest­schuld­be­frei­ung nicht belegt oder sonst wie
ersicht­lich ist und die Kau­ti­ons­leis­tung der Höhe nach kei­ne beson­de­ren Schwie­rig­kei­ten für
den Geschäfts­be­trieb des Klä­gers auf­wei­sen soll­te. Auch soweit der Klä­ger dar­auf ver­weist,
dass ihm sei­ne Haus­bank die Gewäh­rung eines KfW-Kre­dits für sein Unter­neh­men
ver­wei­gert habe, fehlt es an der Dar­le­gung eines kon­kre­ten Bezugs zu dem Ein­trag der
Rest­schuld­be­frei­ung bei der Beklag­ten. Die Beklag­te hat inso­weit nach­voll­zieh­bar dar­ge­legt,
dass ein der­ar­ti­ger Kre­dit – unab­hän­gig von dem Ein­trag – wegen feh­len­der Vor­aus­set­zun­gen
bzw. aus ande­ren Grün­den nicht gewährt wer­de, über­dies sei davon aus­zu­ge­hen, dass die
Bank des Klä­gers von dem frü­he­ren Insol­venz­ver­fah­ren und dem Ein­tritt der
Rest­schuld­be­frei­ung ohne­hin Kennt­nis gehabt habe. Der Klä­ger ist die­sen Ein­wän­den nicht
sub­stan­ti­iert ent­ge­gen­ge­tre­ten. Glei­ches gilt für die angeb­li­chen Schwie­rig­kei­ten bei der
Anmie­tung bzw. Pacht von Gewer­be­räu­men. Der Klä­ger hat hier­zu ledig­lich das Schrei­ben
eines Ver­päch­ters mit dem Hin­weis dar­auf vor­ge­legt, er möge eine Schufa-Aus­kunft
nach­rei­chen. Dass die Ver­pach­tung wegen des Ein­trags geschei­tert wäre, wird hier­durch
nicht belegt. Dar­über hin­aus­ge­hen­de Bemü­hun­gen des Klä­gers zur Anmie­tung von
Gewer­be­räu­men wer­den bereits nicht vor­ge­tra­gen. Soweit er aus­führt, dass er über ein
erheb­li­ches Ein­kom­men aus sei­ner Gewer­be­aus­übung auch nach der Ertei­lung der
Rest­schuld­be­frei­ung ver­fü­ge, ist unver­ständ­lich, dass es ihm nicht gelun­gen ist, poten­ti­el­le
Geschäfts­part­ner von sei­ner Kre­dit­wür­dig­keit zu über­zeu­gen und allein die Infor­ma­ti­on über
die Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung ihn kre­dit­un­wür­dig erschei­nen lässt.
Unbe­scha­det des­sen ist es aber auch nicht Zweck der Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung,
dass der Schuld­ner wie­der am Wirt­schafts­le­ben teil­neh­men kann, als ob es das
Insol­venz­ver­fah­ren gar nicht gege­ben hät­te. Der Umstand, dass einer Per­son die
Rest­schuld­be­frei­ung erteilt wur­de, hat einen unmit­tel­ba­ren Bezug zu ihrer
Zah­lungs­un­fä­hig­keit oder ‑unwil­lig­keit (vgl. Gola DSGVO/​Schulz, 2. Aufl. 2018, DSGVO Art.
6 Rn. 125/​126). U.a. wird hier­aus für die Gläu­bi­ger ersicht­lich, dass es dem Schuld­ner trotz
Erfül­lung sei­ner Erwerbs­ob­lie­gen­heit (§ 287b InsO) nicht mög­lich war, im Rah­men des
Insol­venz­ver­fah­rens die For­de­run­gen der Insol­venz­gläu­bi­ger zu erfül­len. Im vor­lie­gen­den
Fall kommt hin­zu, dass es nach Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens 2014 zu kei­ner
Ver­kür­zung der Wohl­ver­hal­tens­pha­se kam; es dem Klä­ger dem­nach wäh­rend der Insol­venz
nicht ein­mal gelun­gen ist, Ein­künf­te in einer Höhe zu erzie­len, die es ihm ermög­licht hät­ten,
zumin­dest die Ver­fah­rens­kos­ten abzu­tra­gen. Der Klä­ger kann nicht ver­lan­gen, einer Per­son
gleich­ge­stellt zu wer­den, die nie­mals von einer Insol­venz betrof­fen war. Ein sol­ches
Inter­es­se ist nicht schutz­wür­dig und kann des­halb auch nicht offen­sicht­lich das Inter­es­se von
zukünf­ti­gen Geschäfts­part­nern an der Über­prü­fung der Kre­dit­wür­dig­keit ihrer Schuld­ner
über­wie­gen. Für poten­ti­el­le Geschäfts­part­ner des Schuld­ners ist es im Rah­men der
Boni­täts­prü­fung wich­tig zu erfah­ren, ob bei dem Schuld­ner die Gefahr besteht, wie­der
insol­vent zu wer­den. Für die Ein­schät­zung die­ser Gefahr kann die Ertei­lung der
Rest­schuld­be­frei­ung ein nicht uner­heb­li­ches Indiz sein (vgl. OLG Frank­furt am Main, Urt. v.
14.12.2015, Rn. 16, juris). Wäre die Beklag­te zur Löschung der streit­ge­gen­ständ­li­chen
Ein­trä­ge ver­pflich­tet, wür­de sie ihren Ver­trags­part­nern die Aus­kunft geben, dass ihr kei­ne
Kennt­nis­se über Unzu­ver­läs­sig­kei­ten des Klä­gers bei der Beglei­chung von For­de­run­gen aus
den letz­ten drei Jah­ren vor­lie­gen, was jedoch nicht zutref­fend wäre (vgl. LG Ham­burg, Urteil
vom 23. Juli 2020 – 334 O 161/​19 –, Rn. 28, juris).
Die behaup­te­ten Schwie­rig­kei­ten und Ein­schrän­kun­gen bei der pri­va­ten Lebens­füh­rung
gehen eben­falls nicht über das Maß hin­aus, das dem Klä­ger zumut­bar ist und begrün­den
nicht sei­ne beson­de­re Schutz­wür­dig­keit. Der Klä­ger hat bereits wäh­rend der
Wohl­ver­hal­tens­pha­se einen Miet­ver­trag abschlie­ßen kön­nen. Dass die Ver­wei­ge­rung eines
Sanie­rungs­kre­dits für die Wohn­im­mo­bi­lie auf dem Ein­trag der Rest­schuld­be­frei­ung beruht,
ist bereits nicht nach­ge­wie­sen, zumal die Bank hier­über bereits infor­miert gewe­sen sein
dürf­te. Dem Schuld­ner ist es über­dies nach Auf­fas­sung des Senats zumut­bar, den Erwerb
und die Sanie­rung von Wohn­ei­gen­tum bis zum Ablauf der Lösch­frist zurück­zu­stel­len und
wäh­rend die­ser Zeit sei­ne Eigen­ka­pi­tal­ba­sis zu stär­ken. Die­sel­ben Erwä­gun­gen gel­ten für
die behaup­te­te Ver­wei­ge­rung der Eröff­nung eines eige­nen Giro­kon­tos. Die Wei­ge­rung einer
Ver­si­che­rung, eine pri­va­te Kran­ken­ver­si­che­rung sowie eine Risi­ko­le­bens­ver­si­che­rung
abzu­schlie­ßen und das Ver­lan­gen nach einer – der Höhe nach mode­ra­ten – Kau­ti­ons­zah­lung
bei Abschluss eines Mobil­funk­ver­tra­ges ist zumin­dest inner­halb des Regel­spei­cher­zeit­raums
von drei Jah­ren selbst dann kein unzu­mut­ba­rer Nach­teil, wenn sie auf dem
streit­ge­gen­ständ­li­chen Ein­trag beru­hen soll­ten. Die Wie­der­ein­glie­de­rung und Teil­ha­be des
Klä­gers am all­ge­mei­nen Wirt­schafts­le­ben wird dadurch nicht in erheb­li­cher Wei­se
ein­ge­schränkt.
Der mit dem Antrag zu 2) gel­tend gemach­te Anspruch auf Neu­be­rech­nung des sog.
Score-Wer­tes, der im Wege der Aus­le­gung dahin zu ver­ste­hen ist, dass der Klä­ger kei­ne
sta­ti­sche Berech­nung, son­dern viel­mehr die Ver­pflich­tung der Beklag­ten errei­chen will,
sei­nen Score-Wert jeweils ohne Berück­sich­ti­gung der gelösch­ten Ein­tra­gun­gen neu zu
ermit­teln, ist eben­falls unbe­grün­det, da die ange­grif­fe­nen Daten recht­mä­ßig gespei­chert
wer­den (s.o.) und damit auch bei der Ermitt­lung des Score-Wer­tes wei­ter­hin berück­sich­tigt
wer­den dürfen.

III.
Die Kos­ten­ent­schei­dung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Ent­schei­dung über die vor­läu­fi­ge
Voll­streck­bar­keit fin­det ihre Rechts­grund­la­ge in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revi­si­on war gemäß § 543 Abs. 1 ZPO zur Klä­rung der Fra­ge zuzu­las­sen, ob sich aus
der Frist des § 3 Inso­Bek­VO eine Bin­dung auch für die Beklag­te ergibt. Die­se Fra­ge stellt
sich über den Ein­zel­fall hin­aus in einer Viel­zahl von Fäl­len und ist des­halb für die
All­ge­mein­heit von beson­de­rer Bedeu­tung. Dar­über hin­aus erfor­dert die Siche­rung einer
ein­heit­li­chen Recht­spre­chung eine Ent­schei­dung des Bun­des­ge­richts­hofs.
Der Streit­wert wur­de gem. § 3 ZPO festgesetzt.

Stel­lung­nah­me

Die Fra­ge der Löschung der Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung z. B. bei der SCHUFA ist zwi­schen den Ober­ge­rich­ten sehr umstrit­ten. Auf der einen Sei­te ver­tritt das OLG die Auf­fas­sung, dass ein Anspruch auf Löschung 6 Mona­te nach Ablauf des Insol­venz­ver­fah­rens und Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung besteht. In der hier auf­ge­führ­ten Ent­schei­dung ver­tritt das OLG Dres­den die gegen­tei­li­ge Auf­fas­sung. Eine Aus­wer­tung die­ser Ent­schei­dun­gen fin­den sie in unse­rem Bei­trag:
Schuf­alö­schung 6 Mona­te nach Rest­schuld­be­frei­ung.

Pri­va­te Kran­ken­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge und Restschuldbefreiung

Die Fall­kon­stel­la­ti­on

Das Insol­venz­ver­fah­ren wur­de über das Ver­mö­gen des Schuld­ners eröff­net. Nach Eröff­nung zahl­te der Schuld­ner sei­ne pri­va­ten Kran­ken­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge nicht. Nach erteil­ter Rest­schuld­be­frei­ung ist der Schuld­ner der Auf­fas­sung, dass die nach Eröff­nung ent­stan­de­nen pri­va­ten Kran­ken­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge von der Rest­schuld­be­frei­ung umfasst sind. Zu Recht?

OLG Köln, Beschluss v. 19.02.2020 – 9 U 233/​19

Urteil im Insolenzrecht

Tod des Schuld­ners und Schul­den des Erben

Vor­aus­sicht­li­che Lese­dau­er: 2 Minuten

Die Fall­kon­stel­la­ti­on

Der Schuld­ner war in die Wohl­ver­hal­tens­pha­se gelangt. Auf Antrag eines Gläu­bi­gers soll­te ihm jedoch die Rest­schuld­be­frei­ung ver­sagt wer­den. Bevor es zu einer Ent­schei­dung kam, ver­starb der Schuld­ner.
War das Ver­fah­ren nun­mehr ein­fach zu been­den oder konn­ten die Erben bezüg­lich der Insol­venz­for­de­rung des Schuld­ners eine Rest­schuld­be­frei­ung erhal­ten? Zu die­ser Fall­kon­stel­la­ti­on gibt es nun eine Ent­schei­dung des Amts­ge­richts Dres­den.

AG Dres­den, Beschluss vom 17.04.2019 – 544 IN 2661/​11

Theo­re­ti­sche Möglichkeiten


Grund­sätz­lich kann die­se Fall­kon­stel­la­ti­on auf zwei Arten geklärt wer­den. Zum einen könn­te den Erben die Rest­schuld­be­frei­ung gewährt wer­den, wenn die Vor­aus­set­zung auch für den Schuld­ner vor­ge­le­gen haben. Oder das Ver­fah­ren wird ein­fach gegen die Erben. Das Amts­ge­richt Dres­den hat sich für letz­te­re Mög­lich­keit entschieden.

Die Ent­schei­dung des AG Dresden

Nach der Rechts­auf­fas­sung des Amts­ge­richts Dres­den ist das Insol­venz­ver­fah­ren ana­log § 299 InsO ein­zu­stel­len, wenn der Schuld­ner in der Wohl­ver­hal­tens­pha­se stirbt. Hat hier ver­fas­sungs­recht­li­che Beden­ken und auch für die Erben eine Alter­na­ti­ve gesetz­li­che Ver­fah­rens­mög­lich­keit sieht.

So wür­de Gläu­bi­ger fak­tisch ohne gesetz­li­che Grund­la­ge ent­eig­net, wür­de den Erben des Schuld­ners eine Rest­schuld­be­frei­ung erteilt wer­den. Dies wäre jedoch nicht zuläs­sig, da eine sol­che Ent­eig­nung ohne jeg­li­che gesetz­li­che Grund­la­ge erfol­gen wür­de. Dies sieht das Gericht als nicht mit Art. 14 Abs. 3 GG als ver­ein­bar an.

Eine Rege­lungs­lü­cke sei auch für eine ana­lo­ge Anwen­dung nicht vor­han­den, da das Gesetz für der­ar­ti­ge Fäl­le die Ein­lei­tung eines Nach­lass­in­sol­venz­ver­fah­rens ansieht. Denn die Erben hät­ten die Mög­lich­keit, soweit sie die Schul­den des ver­stor­be­nen nicht aus­glei­chen kön­nen, eine Haf­tung für die Ver­bind­lich­kei­ten des Erb­las­sers auf­grund der Uni­ver­sal­suk­zes­si­on gemäß dem §§ 1922, 1974 BGB ver­mei­den, wenn sie inner­halb der gesetz­li­chen Frist die Erb­schaft aus­schla­gen oder nach Ablauf der Aus­schla­gungs­frist ein Nach­lass­in­sol­venz­ver­fah­ren bean­tra­gen. Dies führt für die Erben dazu, dass bei Eröff­nung des Nach­lass­in­sol­venz­ver­fah­rens als auch bei einer Abwei­sung der Eröff­nung des Nach­lass­in­sol­venz­ver­fah­rens man­gels Mas­se gemäß § 26 InsO den Erben die soge­nann­ter „Dürf­tig­keits­ein­re­de „gemäß dem §§ 1990, 1975 BGB zu. Somit kön­nen die Erben bei einer Zwangs­voll­stre­ckung die Gläu­bi­ger regel­mä­ßig Haf­tungs­be­schrän­kung auf den Nach­lass ver­wei­sen. So kann das Pro­blem “Tod des Schuld­ners und Wohl­ver­hal­tens­pha­se und Erben” behan­delt werden.

Fak­ti­scher Geschäfts­füh­rer und Haf­tung nach § 43 GmbHG

All­ge­mei­nes

Die Haf­tung nach § 43 GmbHG trifft neben dem bestell­ten Geschäfts­füh­rer auch den fak­ti­schen Geschäfts­füh­rer, der ohne Bestel­lung tat­säch­lich Geschäfts­füh­rer­kom­pe­ten­zen wahr­nimmt. (BGH Urt. vom 25.06.2001, II ZR 38/​99)

Den fak­ti­schen Geschäfts­füh­rer trifft eben­so die Insol­venz­an­trags­pflicht nach § 15 InsO und daher auch die Haf­tung für Zah­lun­gen nach Insol­venz­rei­fe nach § 64 GmbHG. (BGH Urt. vom 11.07.2005, II ZR 235/​03)

Wer ist fak­ti­scher Geschäfts­füh­rer?

Fak­ti­sche Geschäfts­füh­rer sind Per­so­nen, die nicht als Geschäfts­füh­rer bestellt wur­den, jedoch die Ämter­funk­tio­nen tat­säch­lich wahr­neh­men. Die tat­säch­lich bestell­ten Ver­tre­ter kom­men als Haf­ten­de auch neben dem fak­ti­schen Geschäfts­füh­rer im Betracht. Dass sie nur als Stroh­män­ner gehan­delt haben, schließt ihre Haf­tung nicht aus. Jedoch schei­den juris­ti­sche Per­son als fak­ti­sche Geschäfts­füh­rer aus, weil der recht­li­che Geschäfts­füh­rer kei­ne juris­ti­sche Per­son sein kann. Daher kommt nur der organ­schaft­li­che Ver­tre­ter einer juris­ti­schen Per­son tat­säch­lich als fak­ti­scher Geschäfts­füh­rer infrage.

Fak­ti­scher Geschäfts­füh­rer ist der­je­ni­ge, der sowohl betriebs­in­ter­nen als auch nach außen anstel­le des recht­li­chen Geschäfts­füh­rers mit Ein­ver­ständ­nis der Gesell­schaf­ter tat­säch­lich das Sagen hat und eine gegen­über dem for­mel­len Geschäfts­füh­rer über­ra­gen­de Stel­lung ein­nimmt. Dabei genügt eine beherr­schen­de Stel­lung allei­ne nicht. Not­wen­dig ist, was für die ganz erheb­li­cher Bedeu­tung ist, auch das Han­deln mit Außen­wir­kung. Dabei ist die Fest­stel­lung eines Han­dels mit außen wirk­sam im Ein­zel­fall nicht ein­fach. Die Recht­spre­chung geht von einer Gesamt­be­trach­tung aus. Es wur­den jedoch ein­zel­ne Kri­te­ri­en ent­wi­ckelt, die bei der Beur­tei­lung einer Außen­wir­kung her­an­ge­zo­gen werden:

Kri­te­ri­en für die Beurteilung

  • Bestim­mung der Unternehmenspolitik
  • Unter­neh­mens­or­ga­ni­sa­ti­on
  • Ein­stel­lung von Mitarbeitern
  • Gestal­tung der Geschäfts­be­zie­hun­gen zu Vertragspartnern
  • Ver­hand­lun­gen mit Kreditgebern
  • Bestim­mung der Gehaltshöhe
  • Ent­schei­dung der Steu­er­an­ge­le­gen­hei­ten und
  • Steue­rung der Buchhaltung 

(vgl. BayO­bLG Urt. vom 20.02.1997 – 5 St RR 159/​96)

Auch der fak­ti­sche Geschäfts­füh­rer kann straf­recht­lich her­an­ge­zo­gen wer­den. Dabei kommt eine straf­recht­li­che Ver­ant­wor­tung für Straf­ta­ten nach § 82 Abs. 1 GmbHG und § 15 Abs. 4 und 5 InsO in Betracht.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen erhal­ten sie auf der Inter­net­sei­te Fir­men­in­sol­venz und Geschäfts­füh­rer­haf­tung.

SCHUFALÖSCHUNG 6 Mona­te nach Restschuldbefreiung

Der Klä­ger, des­sen Insol­venz been­det und der die Rest­schuld­be­frei­ung erhal­ten hat­te, ver­lang­te von der Schufa die Löschung eines Insol­venz­hin­wei­ses nach 6 Mona­ten und nicht erst nach 3 Jah­ren. Das Land­ge­richt Frank­furt gab ihm Recht.

Der Fall:

Im Jah­re 2011 wur­de über das Ver­mö­gen des Klä­gers das Insol­venz­ver­fah­ren eröff­net. Der Klä­ger erhielt im Jah­re 2018 sei­ne Rest­schuld­be­frei­ung. Er hol­te über sich sel­ber eine SCHUFA Boni­täts­aus­kunft ein. Er muss­te fest­stel­len, dass dort auch nach Ablauf von sechs Mona­ten der Ein­trag: “Rest­schuld­be­frei­ung erteilt“enthalten war. Nach­dem der Klä­ger Wider­spruch ein­ge­legt hat­te, wei­ger­te sich die Beklag­te die­sen Ein­trag zu ent­fer­nen. Zusätz­lich bean­trag­te der Klä­ger unter ande­rem Schmer­zens­geld. Das Land­ge­richt Frank­furt gab der Kla­ge zumin­dest im Bezug auf die Löschung des Ein­trags statt. Der Schmer­zens­geld­an­spruch wur­de zurückgewiesen.

Ent­schei­dung:

Das Land­ge­richt Frank­furt (AZ: 2–05 O 151/​18) hat fest­ge­stellt, dass dem Klä­ger ein Anspruch auf Löschung der Ein­tra­gung über sei­ne Rest­schuld­be­frei­ung zusteht. Dies erge­be sich aus Art. 17 Abs. 1 Buchst. c, 1.Vari. i.V.m. Art. 21 Abs. 1 der Ver­ord­nung EU 2016/​679 des euro­päi­schen Par­la­ments und des Rats vom 27. 4.2016 zum Schutz natür­li­cher Per­so­nen bei der Ver­ar­bei­tung Per­so­nen­da­ten, zum frei­en Daten­ver­kehr und zur Auf­he­bung der Herr L 95/​46/​EG (Daten­schutz-Grund­ver­ord­nung).
Die Recht­mä­ßig­keit der Ver­ar­bei­tung rich­tet sich nach Art. 6 DSGVO. Im vor­lie­gen­den Fall war frag­lich, ob die von der Beklag­ten Ver­hal­tens­re­gel, die Ein­tra­gung tag­ge­nau nach drei Jah­ren zu löschen in Abwä­gung mit den kon­kre­ten Inter­es­sen des Klä­gers über wiegt.
Hier­zu stell­te das Gericht fest, dass es nicht Zweck der Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung sei, dass der Schuld­ner wie­der im Wirt­schafts­le­ben teil­neh­men kann, als ob es das Insol­venz­ver­fah­ren nie gege­ben hät­te. Daher kann der Klä­ger nicht ver­lan­gen, einer Per­son gleich­ge­stellt zu wer­den, die nie­mals von einer Insol­venz betrof­fen war. Für poten­ti­el­le Geschäfts­part­ner eines Schuld­ners sei es im Rah­men der Boni­täts­prü­fung wich­tig zu erfah­ren, ob bei einem Schuld­ner die Gefahr besteht, wie­der insol­vent zu wer­den. Für die Ein­schät­zung einer sol­chen Gefahr kön­ne die Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung ein nicht uner­heb­li­ches Indiz sein (vgl.auch OLG Frank­furt vom 14.12.2015–1 U 128/​15). Daher sei es nicht unver­hält­nis­mä­ßig, die Infor­ma­ti­on über die Rest­schuld­be­frei­ung über drei Jah­re zu spei­chern, da dies eine zuläs­si­ge Warn­funk­ti­on erfülle.

Im kon­kre­ten Fall konn­te der Klä­ger jedoch dar­tun, dass sei­ne per­sön­li­chen Inter­es­sen über­wie­gen. So konn­te der Klä­ger unter ande­rem dar­le­gen, dass die Ein­tra­gung sei­ne wei­te­re Erwerbs­tä­tig­keit, er hat­te bereits eine GmbH gegrün­det, und auch die Woh­nungs­su­che auf­grund des Ein­trags für ihn zu erheb­li­chen, kon­kret dar­ge­leg­ten Schwie­rig­kei­ten geführt hat. Er hat im Ver­fah­ren erklärt, dass ihm sei­ne beruf­li­che Wei­ter­ent­wick­lung als auch die Woh­nungs­su­che durch den Ein­trag erheb­lich behin­dert wer­den. Dies über­zeug­te das Gericht. Daher gab es dem Anspruch auf Löschung nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. c DSGVO statt. Einen Anspruch auf Schmer­zens­geld hin­ge­gen lehn­te das Gericht ab.

Ergeb­nis:

Bei dem durch das Land­ge­richt Frank­furt ent­schie­de­nen Fall han­delt es sich um einen Aus­nah­me­fall. Jedoch hat das Gericht bestä­tigt, dass es Grün­de des Schuld­ners geben kann, die einer Spei­che­rung des Insol­venz­ver­merks über drei Jah­re hin­aus nach der Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung dem Ein­tra­gungs­in­ter­es­se der SCHUFA wider­spre­chen kön­nen. Dies kann aber jeweils nur im kon­kre­ten Ein­zel­fall ent­schie­den werden.

Urteil im Insolenzrecht

Rück­nah­me Antrag auf Rest­schuld­be­frei­ung bei Obliegenheitsverletzung

Kann man bei einer Oblie­gen­heits­ver­let­zung den Rest­schuld­be­frei­ungs­an­trag noch zurücknehmen?

Die­se Fra­ge hat­te der BGH zu entscheiden.

Rechts­la­ge:

Der Schuld­ner kann einen Antrag auf Rest­schuld­be­frei­ung in ent­spre­chen­der Anwen­dung des § 269 Abs. 1 ZPO jeden­falls dann nicht mehr ohne Ein­wil­li­gung zurück­neh­men, wenn er die Rück­nah­me erklärt, nach­dem ein Insol­venz­gläu­bi­ger gemäß § 289 Abs. 1, § 290 InsO im Schluss­ter­min oder inner­halb der vom Insol­venz­ge­richt im schrift­li­chen Ver­fah­ren für die Ver­sa­gungs­an­trag­stel­lung gesetz­ten Frist einen zuläs­si­gen Antrag auf Ver­sa­gung der Rest­schuld­be­frei­ung gestellt und das Insol­venz­ge­richt dem Schuld­ner hier­auf die Rest­schuld­be­frei­ung ver­sagt hat (BGH, Beschluss vom 22. Sep­tem­ber 2016 – IX ZB 50/​15, WM 2016, 2315 Rn. 10 ff). Spä­tes­tens ab die­sem Zeit­punkt haben die Gläu­bi­ger einen Anspruch dar­auf, dass sich der Schuld­ner, des­sen Unred­lich­keit mit der abschlä­gi­gen Ent­schei­dung fest­ge­stellt ist, nicht dem Ver­fah­ren ent­zieht und die Ergeb­nis­se der Anhö­rung zu sei­nem Rest­schuld­be­frei­ungs­an­trag durch des­sen Rück­nah­me zunich­te­macht. Spä­tes­tens ab der Ent­schei­dung über den Ver­sa­gungs­an­trag über­wiegt ihr Inter­es­se an der Ver­sa­gung das Inter­es­se des Schuld­ners, über sei­nen Antrag frei dis­po­nie­ren zu kön­nen (BGH, aaO Rn. 12 aE). Ande­ren­falls erhiel­te der Schuld­ner die Mög­lich­keit, einer sach­lich berech­tig­ten Ver­sa­gung nach­träg­lich den Boden zu ent­zie­hen (BGH, aaO Rn. 13 aE). Zudem besteht ein schutz­wür­di­ger Anspruch der Gläu­bi­ger dar­auf, dass es bei einer sach­lich berech­tig­ten Ver­sa­gung der Rest­schuld­be­frei­ung bleibt, weil die­se eine Antrags­sper­re nach sich zieht.

Ent­schei­dung:

Im Streit­fall hat­te das Insol­venz­ge­richt zwar noch nicht über den Ver­sa­gungs­an­trag ent­schie­den, als der Schuld­ner die Rück­nah­me sei­nes Antrags auf Rest­schuld­be­frei­ung erklär­te. Die Grün­de für die Ver­nei­nung einer Antrags­rück­nah­me­mög­lich­keit für den Schuld­ner gel­ten gel­ten aber auch dann, wenn die Rest­schuld­be­frei­ung auf­grund des von einem Gläu­bi­ger in dem gemäß § 300 Abs. 1 InsO zur Anhö­rung anbe­raum­ten Ter­min oder inner­halb der statt­des­sen gesetz­ten Erklä­rungs­frist gestell­ten zuläs­si­gen Ver­sa­gungs­an­trags nach § 296 Abs. 1, § 295 Abs. 1 InsO zu ver­sa­gen ist und nur noch eine ent­spre­chen­de Ent­schei­dung des Insol­venz­ge­richts aus­steht. Auch in die­sem Fall über­wiegt das Inter­es­se des Gläu­bi­gers an einer gericht­li­chen Ent­schei­dung über sei­nen Ver­sa­gungs­an­trag. Ist eine Rest­schuld­be­frei­ung gemäß § 300 Abs. 2, § 296 Abs. 1, § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu ver­sa­gen, ist der Schuld­ner nach § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO für eine Dau­er von zehn Jah­ren und nach § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO in der ab dem 1. Juli 2014 gel­ten­den Fas­sung für die Dau­er von drei Jah­ren an der erneu­ten Stel­lung eines Rest­schuld­be­frei­ungs­an­trags gehin­dert. Die­ses auf eine sach­li­che Ent­schei­dung gerich­te­te Inter­es­se des Gläu­bi­gers ist recht­lich geschützt, weil die Rest­schuld­be­frei­ung nach dem Wil­len des Gesetz­ge­bers nur dem sich red­lich und gläu­bi­ger­freund­lich ver­hal­ten­den Schuld­ner zuteil­wer­den und auf Antrag eines Gläu­bi­gers unter ande­rem dann aus­ge­schlos­sen sein soll, wenn dem Schuld­ner bis zum Ablauf der Wohl­ver­hal­tens­pe­ri­ode oder im Anhö­rungs­ter­min zur Rest­schuld­be­frei­ung ein illoya­les Ver­hal­ten zur Last fällt. Dem­ge­gen­über ist das Inter­es­se des Schuld­ners nach­ran­gig, der zu erwar­ten­den Sank­ti­on durch eine Antrags­rück­nah­me die Grund­la­ge zu ent­zie­hen und das im ers­ten Durch­gang für ihn abseh­bar nega­tiv ver­lau­fen­de Ver­fah­ren anschlie­ßend unmit­tel­bar wie­der­ho­len zu können.

Fazit:

Soll­te ein Schuld­ner eine Oblie­gen­heits­ver­let­zung began­gen haben und befürch­tet er, dass ein Insol­venz­gläu­bi­ger einen Ver­sa­gungs­an­trag stellt, muss der Schuld­ner sei­nen Antrag auf Rest­schuld­be­frei­ung  zurück­neh­men, bevor der Gläu­bi­ger den Antrag auf Ver­sa­gung stellt. Ob ein Ver­sa­gungs­an­trag in Zukunft gestellt wird, kann auch der Schuld­ner nicht wis­sen. Jedoch kön­nen die Berich­te des Insol­venzv­wer­al­ters ihm einen Hin­weis bie­ten, ob Oblie­gen­heits­ver­stös­se ent­deckt wur­den,  da die­se von immer mehr Gläu­bi­gern auch gele­sen werden.