
§ 64 GmbHG
Haftung des Geschäftsführers wegen verspäteter Antragstellung
Haftung des Geschäftsführers – Insolvenzverwalter fordert hohe Summe vom Geschäftsführer
Haben Sie einen Brief vom Insolvenzverwalter bekommen, mit dem dieser Haftungsansprüche aus § 64 GmbHG geltend macht?
Dann sind sie gut beraten, zunächst keine Zahlung zu leisten, sondern die Forderung durch einen qualifizierten Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Denn diese Forderungen können unbegründet oder überhöht sein und können dann zurückgewiesen oder doch erheblich reduziert werden.
Was steckt hinter der Forderung des Insolvenzverwalters?
Die Haftung des Geschäftsführers für geleistete Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife und nach § 64 Satz 3 GmbHG für Zahlungen an Gesellschafter, die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen, stellt für den Insolvenzverwalter manchmal die einzige Möglichkeit dar, um Einnahmen im Insolvenzverfahren zu generieren. Hiervon machen Insolvenzverwalter gerne Gebrauch, nicht immer liegen aber alle Voraussetzungen vor. Es lohnt sich, die Ansprüche durch einen Fachmann prüfen zu lassen.
Grundsatz: Haftung des Gesellschaftsvermögens
Grundsätzlich haftet den Gesellschaftsgläubigern gegenüber die GmbH nur mit ihrem Vermögen. Gesellschaftsgläubiger können weder von Gesellschaftern noch vom Geschäftsführer Zahlungen verlangen und damit auf deren persönliches Vermögen Zugriff nehmen. Um jedoch die Gläubiger zu schützen ist in § 15a InsO geregelt, dass der Geschäftsführer verpflichtet ist, unverzüglich einen Insolvenzantrag zu stellen, sofern die GmbH zahlungsunfähig oder überschuldet ist.
Ausnahme bei Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht
Wenn der Geschäftsführer jedoch hiergegen verstößt, kann er hierfür zivilrechtlich oder strafrechtlich in Haftung genommen werden.Die Grundlage für die zivilrechtliche Haftung begründet § 64 GmbHG. Danach ist der Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz sämtlicher Zahlung verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Eintritt der Überschuldung geleistet werden. Dies gilt nur ausnahmsweise dann nicht, sofern die Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind.
Gesetzestext
§ 64 Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung
Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. Die gleiche Verpflichtung trifft die Geschäftsführer für Zahlungen an Gesellschafter, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, dies war auch bei Beachtung der in Satz 2 bezeichneten Sorgfalt nicht erkennbar. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 43 Abs. 3 und 4 entsprechende Anwendung.
Diese Vorschrift dient nach dem gesetzlichen Ziel der rechtzeitigen Insolvenzantragsstellung. Mit dieser soll erreicht werden, dass die sogenannte Insolvenzmasse erhalten bleibt und für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger zur Verfügung steht.
Schuldner der Forderung
Die Haftung für Zahlungen Insolvenzreife neben dem Geschäftsführer einer insolventen GmbH auch andere Personen:
Geschäftsführer einer GmbH
Geschäftsleiter des persönlich haftenden Gesellschafters einer OHG gem. § 130a Abs. 1 HGB
Geschäftsführer einer Komplementärin gem. § 177a HGB
Vorstand einer AG gem. § 92 Abs. 2 AktG i. V. m. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG
nicht Vorstand eines Vereins
Faktischer Geschäftsführer
Liquidator
nicht Gesellschafter
u. U. Aufsichtsrat
Gläubiger der Forderung
Rechtlich steht die Forderung gem. § 64 Satz 1 GmbHG der Gesellschaft zu. Regelmäßig wird dieser Anspruch jedoch erst nach Insolvenzeröffnung durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht. Die Insolvenzeröffnung ist jedoch nicht Voraussetzung für den Anspruch.
Ist die Insolvenz mangels Masse abgewiesen worden, kann jeder Gläubiger mittelbar sich den Anspruch nach Pfändung und Überweisung zur Einziehung geltend machen (vgl. BGH Urt. v. 11.09.2000 II ZR 370/99).
Zeitliche Grenzen des Zahlungsverbots
Dass durch die Vorschrift ausgesprochene Zahlungsverbot beginnt mit dem objektiven Eintritt der Überschuldung oder der Zahlungsunfähigkeit. Voraussetzung ist keine förmliche Feststellung, sondern nur der objektive Eintritt. Das Verbot tritt sofort ein und nicht erst nach Ablauf der Dreiwochenfrist gem. § 15 a Abs. 1 S. 1 InsO.
Auf der anderen Seite führt ein Insolvenzeröffnungsantrag nicht zum Ende des Zahlungsverbots. Der Geschäftsführer ist an das Zahlungsverbot so lange gebunden, bis die Eröffnung zum Verlust der Verfügungsbefugnis führt.
Zahlungsunfähigkeit
Die Zahlungsunfähigkeit ist in §§ 17 Abs. 2 InsO geregelt. Danach ist eine Gesellschaft zahlungsunfähig, wenn sie nicht in der Lage ist, ihre fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungseinstellung vermutet.
Damit eine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, muss es nicht bereits soweit gekommen sein, dass die Gesellschaft überhaupt keine Zahlungen mehr leistet. Es reicht aus, wenn sich die Unfähigkeit, Zahlung zu leisten, auf den wesentlichen Teil der Zahlungsverpflichtungen erstreckt.
Ob eine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, kann durch eine sogenannte Liquiditätsbilanz festgestellt werden. Ein einfacher Weg ist die Zahlungseinstellung gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 InsO.
Liquiditätsbilanz bei § 64 GmbHG
Die Liquiditätsbilanz besteht in der zahlenmäßigen Gegenüberstellung der Verbindlichkeiten der liquiden Mittel. Nach der Rechtsprechung liegt in der Regel eine Zahlungsunfähigkeit vor, wenn eine Liquiditätslücke von 10 % oder mehr besteht und sie nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit innerhalb von drei Wochen beseitigt werden kann.
Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden, wenn dargelegt werden kann, dass die Liquiditätslücke mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in einem überschaubaren Zeitraum beseitigt wird. Diese Prognose muss der Geschäftsführer führen. Hierbei sind die Besonderheiten z.B. Außenstände, die Bonität der Drittschuldner und die Kreditwürdigkeit des Schuldners unter Berücksichtigung der Branche zu berücksichtigen.
Eine Handelsbilanz reicht jedoch nicht aus, um eine Liquiditätsbilanz zu ersetzen.
Zahlungseinstellung
Die Zahlungsunfähigkeit wird nach § 17 Abs. 2 S. 2 InsO vermutet, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.
Bei der Zahlungseinstellung handelt es sich um dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise typischerweise Ausdruck, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen.
Die Zahlungseinstellung ist von der bloßen Zahlungsstockung abzugrenzen. Von einer Zahlungseinstellung ist auszugehen, wenn es dem Schuldner über längere Zeit nicht gelingt, innerhalb von drei Wochen seine fälligen Verbindlichkeiten auszugleichen
Die Indizien für eine Zahlungseinstellung sind:
Tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten, wenn noch erhebliche Zahlungen geleistet werden, die aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen
Nichtzahlung einer einzelnen Verbindlichkeit, wenn diese eine nicht unbeträchtliche Höhe hat. Maßstab ist der Geschäftsbetrieb des Schuldners.
Eine eigene Erklärung des Schuldners, mit dem Inhalt, dass eine fällige Verbindlichkeit nicht beglichen werden kann
Nicht: Stundung-oder Ratenzahlung bitte, soweit dies den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs entspricht
Mindestens sechsmonatige Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen
Nichtabführung oder erzwungene Zahlung von Steuern oder Teilzahlung über mehrere Monate
Nichtzahlung von Löhnen über mehrere Monate oder allein schleppende Zahlung
Vollstreckungen
Lastschrift Rückgabe
geplatzter Scheck
Darlegungs- und Beweislast
In einem Prozess geht es oft um die Frage, wer welche Tatsachen darzulegen und zu beweisen hat.
In einem Prozess hat der Insolvenzverwalter diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfalle auch zu beweisen, aus denen sich eine objektive Pflichtverletzung und ein darauf beruhender Schaden der Gesellschaft ergeben. Dies bedeutet, dass der Insolvenzverwalter im Falle der Insolvenz der Gesellschaft deren Insolvenzreife darzulegen und zu beweisen hat.
Um dies zu beweisen, kann der Insolvenzverwalter eine Zahlungseinstellung darlegen und muss diese gegebenenfalls auch beweisen.
Zum Nachweis der Zahlungseinstellung kann der Insolvenzverwalter sich auf die vorstehenden Indizien berufen. Denn wenn die Zahlungseinstellung bewiesen ist, woraus die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft vermutet wird, ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz durch den Insolvenzverwalter nicht mehr notwendig.
In einem solchen Fall ist der Geschäftsführer jedoch nicht wehrlos. Da die Zahlungseinstellung nur von Indizien ausgeht, hat der Geschäftsführer zwei Möglichkeiten, er kann:
die Indizien für die Zahlungseinstellung oder
die Vermutung des §§ 17 Abs. 2 S. 2 InsO durch eine Liquiditätsbilanz erschüttern.
Die Behauptung einer Zahlungsunwilligkeit reicht nicht aus. Selbst wenn diese bewiesen ist, muss der Geschäftsführer beweisen, dass ein Liquiditätsbilanz im maßgebenden Zeitraum eine Deckungslücke von weniger als 10 v. H. auswies.
Überschuldung
Der Begriff der Überschuldung ist in der Insolvenzordnung in § 19 Abs. 2 InsO geregelt:
Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 zwischen Gläubigern und Schuldnern der Nachrang Verfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1–5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach S. 1 zu berücksichtigen.
Nachdem nunmehr maßgeblichen 2‑stufigen Überschuldungsbegriff ist nach § 19 Abs. 2 S. 1 InsO festzustellen, ob die Verbindlichkeiten das Aktivvermögen übersteigen (rechnerische Überschuldung). In der zweiten Stufe ist eine Fortführungsprognose anzustellen (vergleiche BGH Urteil vom 13.07.1992-II ZR 269/91).
Rechnerische Überschuldung
Eine Überschuldung liegt vor, wenn die Verbindlichkeiten des Unternehmens dem Werk des Aktivvermögens übersteigen. In dieser Stufe ist das Aktivvermögen zu bestimmen und den festgestellten Verbindlichkeiten gegenüberzustellen. Maßgeblich sind dabei grundsätzlich nicht die fortgeschriebenen Wertansätze der Jahresbilanz, sondern es ist eine eigenständige Überschuldungsbilanz aufzustellen.
Deren Bewertungsgrundsätze haben sich am Zweck des Insolvenzverfahrens zu orientieren. So sind bei der Überschuldungsbilanz z.B. Wertberichtigungen vorzunehmen. Auch sind die stillen Reserven in die Überschuldungsbilanz aufzunehmen.
Aktiva
Bei der Bestimmung der Werte des Aktivvermögens ist von Liquidationswerten auszugehen. Dabei gilt folgendes:
Grundsätzlich sind nur einzelne Veräußerungswert anzusetzen und nicht eine Verwertung des Unternehmens als Ganzes
Kosten der Gründung, Kapitalbeschaffung und Ingangsetzung werden nicht berücksichtigt,
Patronatserklärungen sind nur dann zurück richtigen, wenn sie einen durchsetzbaren Anspruch begründen und für alle Gläubiger wirken und nicht nur für einzelne,
Der Firmenwert ist nur anzusetzen, wenn eine selbstständige Verwertung möglich erscheint,
Vorräte sind mit Liquidationswerten und nicht mit Einkaufswerten anzusetzen,
Nur realisierbare Forderungen sind anzusetzen, dies können aber auch Forderungen gegen Gesellschafter sein,
Forderungen aus schwebenden Geschäften sind nur zu berücksichtigen, wenn trotz der drohenden Insolvenz mit ihrer Realisierung zu rechnen ist. Auch eine Mietkaution kann nur angesetzt werden, wenn sie realisierbar erscheint.
Passiva
Auf der Passivseite der Überschuldungsbilanz sind alle Verbindlichkeiten zu berücksichtigen, die im Falle eines Insolvenzverfahrens aus der Insolvenzmasse zu befrieden wären.
Hier sind also die gestundeten oder noch nicht fälligen Verbindlichkeiten mit zu berücksichtigen.
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten im Sinne von § 249 Absatz ein S. 1 HGB sind anzusetzen, soweit ernsthaft mit einer Inanspruchnahme der GmbH ohne Insolvenzeröffnung zu rechnen ist. Maßgeblich ist, ob ein bilanzierungspflichtigen aber sorgfältiger Abwägung aller in Betracht zu ziehenden Umstände eine Rückstellung nicht verneinen durfte (vergleiche BGH, vom zweiten 20.09.2003-II ZR 229/0 2).
Künftig fällig werdende Forderungen gegen die Gesellschaft, hierbei kann es sich z.B. Mietzinsen handeln, sind nicht anzusetzen, wenn von einer positiven Fortführungsprognose ausgegangen werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn davon ausgegangen werden kann, dass mit Gewinnen erwirtschaftet werden. Im entgegenstehenden Fall oder auch bei negativer Fortführungsprognose ist ein zu erwartender Schadensersatzanspruch zu passivieren.
Auch wenn Dritte (oder Gesellschafter) für Verbindlichkeiten Sicherheiten stellen, hindert das eine Passivierung nicht. Erst eine befreiende Schuldübernahme beseitigt die Passivierungspflicht.
Ebenfalls sind mögliche Verluste aus laufenden Geschäften zu passivieren.
In der Praxis wählt der Insolvenzverwalter regelmäßig als Ausgangspunkt für seine Argumentation einer Überschuldung die Handelsbilanz. Diese hat indiziellen Charakter. In der Regel wird sich der Insolvenzverwalter darauf berufen, dass in der Handelsbilanz keine Vermögenswerte oder stille Reserven vorhanden sind. Dann muss im Rahmen des Rechtsstreits der Geschäftsführer vortragen und gegebenenfalls auch beweisen, welche stillen Reserven oder Vermögenswerte in der Handelsbilanz nicht abgebildet sind.
Fortführungsprognose
Wurde in der ersten Stufe eine rechnerische Überschuldung der GmbH festgestellt, ist in einer zweiten Stufe eine Fortführungsprognose zu treffen. Nach § 19 Abs. 2 S. 1 InsO liegt keine Überschuldung vor, wenn die Fortführung des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist. Dabei wird eine Prognoseentscheidung verlangt, ob trotz gegenwärtiger Überschuldung der Gesellschaft in Zukunft so viel Ertrag erwirtschaften wird, dass die Zahlungspflichten erfüllt werden können.
Maßgeblicher Begriff der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens ist die sogenannte Finanzkraft. Über welchen Zeitraum sich die Prognose erstreckt, ist nicht definiert. Der Zeitraum wird als mittelfristig bezeichnet.
Darlegungs- und Beweislast
Der Insolvenzverwalter muss die Überschuldung darlegen und nachweisen. Zum Nachweis der Überschuldung kann sich der Insolvenzverwalter auf eine Handelsbilanz stützen, die einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag ausweist. Er muss dann nur vortragen, dass keine stillen Reserven vorhanden sind und eventuell Behauptungen des Geschäftsführers widerlegen.
Hat der Insolvenzverwalter nachweisen können, dass die Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt überschuldet war, so ist es im Rahmen des 2‑stufigen Überschuldungsbegriffs nun am Geschäftsführer diejenigen Umstände darzulegen, aus denen sich aus der damaligen Sicht sich die Rechtfertigung ergab, das Unternehmen fortzuführen. Für eine positive Fortführungsprognose hat der Geschäftsführer die Darlegungs- und Beweislast.
Der Geschäftsführer genügt seiner Darlegungslast nicht, wenn er ohne nähere Ausführungen lapidar behauptet, er habe im fraglichen Zeitraum keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Schieflage im Verhältnis von der Einnahmen-zur Ausgabenseite gegeben. Der Insolvenzverwalter kann sich auf eine weitere Vermutung stützen. Ist die Überschuldung für einen bestimmten Zeitpunkt bewiesen, spricht eine Vermutung dafür, dass die Gesellschaft bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens überschuldet geblieben ist. Das Gegenteil hat der Geschäftsführer zu beweisen.
Aktuelle Entscheidung zur Geschäftsführerhaftung
LG Hamburg, Urt. v. 13. 6. 2019 – 305 O 120/18
Stützt sich der Insolvenzverwalter im Prozess gegen den (ehemaligen) Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin zum Vorliegen des Insolvenzgrundes auf die als Grundlage des vom Wirtschaftsprüfer erstellten Jahresabschlusses vorhandenen Buchungen und Buchhaltungsunterlagen, obliegt es dann dem Geschäftsführer, eine etwaige Wertberichtigung bzw. Unrichtigkeit der Buchhaltung darzulegen und zu beweisen (im Anschluss an: BGH, Urt. v. 19.12.2017 – II ZR 881).
Zahlungen
Zahlungsbegriff
Nach § 64 GmbHG schuldet der Geschäftsführer Ersatz für die Vermögensposition, die die Gesellschaft dadurch hat, dass er als Geschäftsführer noch Zahlungen geleistet, die später der Insolvenzmasse nicht zur Verfügung stehen. Es muss also eine Masseschmälerung vorliegen. Entscheidend ist nicht, dass der Geschäftsführer diese Zahlungen selber vornehmen. Es reicht, wenn ein Mitarbeiter des Unternehmens diese veranlasst hat.
Dies gilt sogar für den Fall, dass der Geschäftsführer von den Zahlungen selber gar nichts wusste. Nach der Rechtsprechung des BGH muss der Geschäftsführer ab Insolvenzreife dafür sorgen, dass solche Zahlungen nicht mehr erfolgen (vergleiche BGH Urteil vom 16.03.2009-II ZR 280/0 7).
Der Begriff der Zahlung wird weit ausgelegt. Sinn und Zweck soll es sein, dass die sogenannte“ verteilungsfähige Vermögensmasse „eines insolventen Unternehmens im Interesse der Gesamtheit aller Gläubiger zu erhalten ist und nicht zur bevorzugten Befriedigung einzelner Gläubiger verwendet werden soll. Aus der Rechtsprechung gibt es hierzu zahlreiche Einzelfälle:
Zahlungen sind in der Regel:
Barzahlungen
Abbuchungen
Zahlungen per Lastschrift
Zahlung von debitorischen Konto
Zahlung auf ein debitorisch geführtes Konto
Umbuchung von einem Kreditoren geführten Konto auf ein debitorisch geführtes Konto
Scheckzahlung, soweit die Belastung auf einem kreditorengeführten Konto der Gesellschaft erfolgt
Verrechnung oder Aufrechnung, sowie die Vereinbarung einer solchen Verrechnung oder Aufrechnung
Weiterleitung von Mitteln der Muttergesellschaft zur Befriedigung eines Gläubigers (Ausahme s.u.)
Warenlieferung, wenn keine Gegenleistung erzielt wird
alle Leistungen, die das Gesellschaftsvermögen schmälern
Keine Zahlungen sind in der Regel:
Zahlung von einem debitorischen Konto an einen Gläubiger (keine Masseschmälerung)
Pfändung des Kontos durch eine Zwangsvollstreckung
Weiterleitung von Mitteln der Muttergesellschaft, wenn die insolvente Gesellschaft die Mittel nur treuhänderisch erhalten hat und sich der Geschäftsführer bei Nichtweiterleitung strafbar machen würde
Warenlieferung, wenn eine Gegenleistung erzielt wird; dann liegt bloßer Aktiventausch vor
Aktiventausch
Darlegungs-und Beweislast
Der Insolvenzverwalter muss darlegen, dass eine Zahlung vorliegt und Sie vom Geschäftsführer veranlasst wurde. Dieser Nachweis fehlt dem Insolvenzverwalter regelmäßig leicht.
Nimmt daher der Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenz noch Zahlungen im Sinne von § 64 Abs. 2 GmbHG vor, so trifft ihn die Darlegungs-und Beweislast dafür, dass es nicht zu einer Masseschmälerung gekommen ist, weil aufgrund seiner Zahlung der Masse gleichwertige Gegenleistungen zugeflossen sind.
Verschulden bei § 64 GmbHG
Die Haftung des Geschäftsführers setzt Verschulden voraus. Voraussetzung ist dabei, dass der Geschäftsführer die Insolvenzreife erkennt oder hätte erkennen können. Das Gesetz macht es dem Geschäftsführer aber schwer. Denn nach § 64 S. 2 GmbHG wird sein Verschulden vermutet, wenn er trotz objektiv bestehende Insolvenzreife Zahlungen geleistet hat.
Der Geschäftsführer muss dann aber darlegen und beweisen, dass kein Verschulden trifft. Dies ist ihm nur dann möglich, wenn er dem Gericht vermitteln kann, dass die Insolvenzreife für ihn nicht erkennbar war. Auch kann er versuchen sich darauf zu berufen, dass seine Zahlungen – ausnahmsweise – mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar war.
Auf die individuellen Fähigkeiten des Geschäftsführers kommt es aber nicht an. Auf persönliche Unkenntnis oder Unfähigkeit kann sich der Geschäftsführer nicht berufen (vergleiche BGH vom 06.11.2018-II ZR 11/17).
Erkennbarkeit der Insolvenzreife
Das Gesetz vermutet das Verschulden des Geschäftsführers. Daher vermutet das Gesetz auch, dass der Geschäftsführer die Insolvenzreife der GmbH erkennen konnte. Damit muss der Geschäftsführer diese Vermutung, wenn er dies kann, widerlegen. Wie kann er dies tun? Der Geschäftsführer ist verpflichtet, die wirtschaftliche Lage seines Unternehmens laufend zu beobachten. Wie geht man hier am besten vor:
- Bei Anzeichen einer Krise hatte sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensgegenstand der Gesellschaft zu verschaffen bzw. eine Liquiditätsbilanz zu erstellen.
- Ergibt sich aus der Überschuldungsbilanz eine rechnerische Überschuldung aus der Geschäftsführer prüfen ob eine positive Fortbestehensprognose besteht
- Dies muss monatlich, bei sehr großer Gefahr auch wöchentlich geschehen.
- Der Geschäftsführer muss organisatorische Vorkehrungen treffen, die es ihm ermöglichen, die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens laufend im Auge zu haben. Der spätere Vortrag, man habe sich auf den Steuerberater oder die Buchhaltung verlassen, reicht nicht aus.
- Grundsätzlich trifft das Verschulden auch mehrere Geschäftsführer einer Gesellschaft. Auch wenn die Ursachen der Überschuldung aus einem anderen Rest zur eines anderen Geschäftsführer stammen, muss sich jeder Geschäftsführer selbst entlasten. Bei einer strengen Riss zur Aufteilung kommt jedoch die Entlastung in Betracht.
Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsmanns
Eine Ausnahme zugunsten des Geschäftsführers sieht § 64 S. 2 GmbHG vor. Danach fehlt es an einem Verschulden des Geschäftsführers, wenn eine Zahlung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar ist.
Zahlungen zur Nachteilsabwendung
Nach dem Urteil des BGH vom 5.2.2007-II ZR 51/06 sind Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar, wenn sie zur Abwendung größerer Nachteile für die Insolvenzmasse erforderlich sind:
“…allerdings können solche, den Betrieb für die Zwecke des Insolvenzverfahrens oder auch im Interesse einer ernstlich erwarteten Sanierung aufrechtzuerhalten.“
Hierbei kann es sich unter anderem um Zahlungen handeln, die notwendig sind, um einen sofortigen Zusammenbruch eines auch in der insolvenzsanierungsfähigen Unternehmen zu verhindern, insbesondere zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs. Wenn z.B. die Produktion Recht erhalten werden muss, kann es sich hierbei um Zahlungen für Strom‑, Wasser- oder Gaslieferungen handeln.
Strafbarkeit/Ordnungswidrigkeit
Der Bundesgerichtshof hat im Jahre 2008 seine Rechtsprechung geändert. Nunmehr darf der Geschäftsführer Zahlungen leisten, für deren Unterlassen er andernfalls strafrechtlich zur Verantwortung gezogen würde.
Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung (nicht Arbeitgeberbeiträge!)
treuhänderisch erhaltenes Geld, welches zur Weiterleitung bestimmt war (wegen § 266 StGB)
Zahlung von Umsatzsteuer
Zahlung von Umsatzsteuervorauszahlungen
Zahlung von Lohnsteuer
Persönliche Haftung
Der Bundesgerichtshof sieht auch solche Zahlungen rechtfertigt an, wenn der Geschäftsführer Zahlungen leistet, für deren Unterlassen er gesetzlich persönlich haftet. Hierbei handelt es sich regelmäßig gemäß §§ 34, 69 AO.
Für die Gefahr der persönlichen Inanspruchnahme reicht es jedoch nicht aus, wenn der Geschäftsführer die Haftungsverbindlichkeit freiwillig eingegangen ist. Daher schließt eine persönliche Bürgschaft des Geschäftsführers und und das damit verbundene Haftungsrisiko eine Inanspruchnahme nicht aus.
Kürzung der Forderung aufgrund eines Gegenanspruchs?
Kommt es zu einer Haftung des Geschäftsführers, hat dieser grundsätzlich die festgestellten Beträge zu erstatten. Was ist aber mit dem befriedigten Gläubiger? Dieser hat vor Insolvenzeröffnung eine Zahlung von der Gesellschaft erhalten, die nunmehr der Geschäftsführer erstatten muss. Hätte dieser Gläubiger die Zahlung nicht erhalten, hätte er eine Insolvenzforderung anmelden können und hierauf möglicherweise eine Zahlung im Insolvenzverfahren erhalten.
Kein Abzug vom Ersatzanspruch
Der BGH hat entschieden, dass der nicht um einen möglichen Erstattungsanspruch zu kürzen ist. Vielmehr sind Zahlungen, die der Geschäftsführer entgegen § 64 Abs. 2 GmbHG leistet, ungekürzt zu erstatten. Dem Geschäftsführer ist im Urteil vorzubehalten, sein Gegenanspruch, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen. Daher sind etwa bestehende Erstattungsansprüche der Masse gegen Dritte Zug um Zug an den Geschäftsführer abzutreten (vergleiche BGH vom 16.3.2009-II ZR 280/07).
Dieser Anspruch muss nicht ausdrücklich beantragt werden. Das Gericht hat dies Amts wegen zu berücksichtigen.
Im Ergebnis führt, dass die Haftung des Geschäftsführers um die sich am Schluss des Insolvenzverfahrens ergebende Insolvenzquote gemindert wird.
Anfechtungsmöglichkeit durch Insolvenzverwalter
Auch die Frage der Anfechtung ist im Rahmen der Haftung des Geschäftsführers zu berücksichtigen. Denn wenn die unberechtigte Zahlung des Geschäftsführers bereits angefochten hat und das geleistete an die Masse zurückholt (!) Hat die Insolvenzmasse in Höhe des Rückflusses keinen Schaden.
Kann aber der Geschäftsführer verlangen, dass der Insolvenzverwalter zunächst über den Weg der Insolvenzanfechtung versucht, einen gezahlten Betrag zurück zu bekommen? Dies lehnt der BGH jedoch ausdrücklich ab. Dem Geschäftsführer steht kein Leistungsverweigerungsrecht gegen die Inanspruchnahme aus § 64 S. 1 GmbHG zu (vergleiche BGH vom 8.12.1995-II ZR 277/94).
Der eigentlich dem Insolvenzverwalter zustehende Insolvenz Anfechtungsanspruch ist daher nach § 143 Absatz ein S. 2 Insolvenzordnung an den Geschäftsführer abzutreten.
Aufrechnung
Kann der Geschäftsführer gegen den Anspruch möglicherweise mit Gehaltsansprüchen aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung aufrechnen? Der BGH lehnt dies ab mit dem Hinweis ab, da die Aufrechnungslage durch eine anfechtbare Rechtshandlung erworben wurde.
Verjährung
Der Ersatzanspruch des Insolvenzverwalters verjährt nach fünf Jahren gemäß §§ 64 S. 4 GmbHG i.V.m. § 43 Abs. 4 GmbHG. Die Verjährung beginnt mit der Entstehung des Anspruchs, d. h. mit der Zahlung und nicht erst mit Insolvenzeröffnung.
Regressmöglichkeiten des Geschäftsführers
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater
Voraussetzung für einen Haftungsanspruch des Steuerberaters/Wirtschaftsprüfers ist zunächst, dass dieser sich vertraglich zur Prüfung der Insolvenzreife verpflichtet hatte. Ein Dauermandat einer GmbH begründet grundsätzlich keine Pflicht, den Geschäftsführer zur Prüfung der Insolvenzreife bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz der Gesellschaft hinzuweisen (vgl. BGH vom 7.3.2013-IX ZR 64/12).
Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater hat die Mandantin auf einen möglichen Insolvenzgrund die daran anknüpfende Prüfungspflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und er annehmen muss, dass die seiner Mandantin nicht bewusst ist (BGH vom 26.1.2017-IX Z. R 285/14).
D&O Versicherung
Der Geschäftsführer sollte auch prüfen, ob ein Haftungsanspruch gegen Ihnen von einer D & O Versicherung gedeckt ist.