Insolvenzanfechtung
Insolvenzanfechtung — was ist das?
Haben Sie auch einen Brief vom Insolvenzverwalter oder dessen Rechtsanwalt bekommen? Zur Zeit erhalten zahlreiche Geschäftspartner von insolventen Firmen Anschreiben von Insolvenzverwaltern, mit denen sie aufgefordert werden, insbesondere erhaltene Zahlungen zurückzuzahlen. Wie kann dies sein?
Der Insolvenzverwalter stützt sich bei seiner Zahlungsaufforderung auf die gesetzliche Regelung der Insovlenzanfechtung, geregelt in den §§ 129 ff. Insolvenzordnung. Die gesetzlichen Regelungen der Insolvenzanfechtung sind auch beim zweiten Lesen nicht leicht zu verstehen. Dies hängt damit zusammen, dass es sich sehr abstrakte Regelungen handelt, die erst in Verbindung mit der umfangreichen Rechtsprechung verständlich werden. Hinzu kommt eine Reform des Insolvenzanfechtungsrechts im Jahre 2017.
Wie hängt das Insolvenzanfechtungsrecht mit dem Insolvenzrecht und insbesondere mit dem Insolvenzverfahren zusammen? Hierzu muss zunächtst verdeutlichen, was der Sinn eines Insolvenzverfahrens ist.
In einem Insolvenzverfahren wird ein Insolvenzverwalter bestellt und vom Insolvenzgericht mit zwei Aufgaben betraut. Zum einen soll der Insolvenzverwalter feststellen, welche Gläubiger der Insolvenzschuldner hat. Zum anderen soll der Insolvenzverwalter das Vermögen des Schuldners sichern und am Ende des Verfahrens an die Gläubiger entsprechend ihrer Quote an der Gesamtverschuldung auszahlen. Dass hier nur ein Teil des Geldes bei den Gläubigern ankommt, hängt auch mit der Vergütung des Insolvenzverwalters zusammen. Dies steht jedoch auf einem anderen Blatt. In jedem Fall ist eine wesentliche Aufgabe des Insolvenzverwalters Vermögen des Insolvenzschuldners festzustellen bzw. ausgegebenes Vermögen wieder zurückzuholen. Und hier greift die Insolvenzanfechtung ein.
Zahlungsaufforderung durch den Insolvenzverwalter
Nicht selten kommt es vor, dass ein Insolvenzverwalter zwischen Geschäftspartners des Insolvenzschuldners aufforderte, einen bestimmten Geldbetrag zurückzuzahlen. Sinn des Ganzen ist, dass der Insolvenzverwalter seine Insolvenzmasse mehrt und damit mehr Geld allen Gläubigern (und natürlich auch seiner Vergütung) zur Verfügung steht. In den meisten Fällen liegt dieser Zahlungsaufforderung eine Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) zugrunde. Hier gibt die Insolvenzordnung im Insolvenzverwalter das Recht, aus seiner Sicht verdächtige Rechtshandlungen anzufechten.
Video: Forderung des Insolvenzverwalters!
Ist diese berechtigt!
Was passiert praktisch bei der Insolvenzanfechtung!
Hierzu setzt sich der Insolvenzverwalter mit Ihnen als in der Regel Zahlungsempfänger in Verbindung und fordert sie schriftlich zur Rückzahlung konkreten benannter Zahlungen auf. Und hier liegt die Besonderheit bei der Insolvenzanfechtung:
Jeder Einzelfall hat seine Besonderheiten
Jeder Fall ist unterschiedlich. Die Regelungen im Gesetz sind sehr abstrakt formuliert und für den Laien kaum verständlich. Das gesamte Insolvenzrecht lebt von der Präzisierung durch die Rechtsprechung. Und trotzdem bleibt jeder Einzelfall besonders und da auch die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in diesem Bereich oft auf Wertungen des Einzelfalls beruhen, können sich kein Insolvenzverwalter sicher sein, dass er mit den von ihm geltend gemachten Forderungen auch vor Gericht „durchkommt“.
Beweislast beim Insolvenzverwalter
Es gibt diverse Anfechtungstatbestände, die zum Teil sehr strenge Voraussetzungen haben, die der Insolvenzverwalter in einem Rechtsstreit beweisen muss. So muss z.B. der Insolvenzverwalter regelmäßig beweisen, dass Sie als Zahlungsempfänger Kenntnis von der Krise des Insolvenzschuldners hatten und er muss dies anhand konkreter Tatsachen nachweisen. Hierzu mögen dem Insolvenzverwalter Schriftverkehr oder Zeugenaussagen dienen. Aber all das ist in den meisten Fällen angreifbar. Den der Insolvenzverwalter prüft, aus seiner Sicht nachvollziehbar, nicht immer objektiv, sondern ist an einer Zahlung ja selber interessiert und gewichtet daher Tatsachen zu seinen Gunsten. Gerichte, die hier über Sachverhalte aber objektiv entscheiden müssen, sehen daher aber Sachverhalte sehr oft anders als der Insolvenzverwalter.
Beispiele für Fälle, die der Insolvenzverwalter auf eine mögliche Insolvenzanfechtung prüft:
- Zahlungen nach Insolvenzeröffnung
- Zahlungen vor Insolvenzeröffnung
- Grundstücksverkäufe
- Bestellung von dinglichen Sicherheiten (z.B. Grundschuld, Hypothek)
- Gewährung von Sicherheiten durch den Insolvenzschuldner (z.B. Sicherungsabtretung)
- Verbleib der Geschäftsausstattung
- Verkauf der Warenbestände, aber zu welchem Preis?
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Insolvenzeröffnung und Insolvenzanfechtung
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat eine besondere Wirkung. Mit dem Insolvenzbeschluss über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bestimmt das Insolvenzgericht, dass Zahlungen vom Zeitpunkt des Beginns Eröffnung nur noch an den Insolvenzverwalter geleistet werden dürfen. Zahlungen, die von Schuldnern des Schuldners an diesen erbracht werden, haben keine Erfüllungswirkung mehr. Wenn Sie also Schulden gegenüber dem Schuldner haben, dürfen sie nicht mehr an diesen selber zahlen. Zahlungen dürfen nur noch auf das Konto des Insolvenzverwalters erbracht werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Zahlungen „doppelt” erbringen müssen. Denn irgendwann kommt der Insolvenzverwalter und fordert erneute Zahlung. Eine weitere Wirkung des Eröffnungsbeschlusses ist, dass Zwangsvollstreckungen gegen den Schuldner grundsätzlich nicht mehr möglich sind. Ausnahmen bilden die Zwangsversteigerung oder die Zwangsverwaltung.
Grundgedanke des Gläubigerschutzes
Hauptanwendungsfall der Insolvenzanfechtung liegt jedoch bei Vermögensverschiebungen oder Zwangsvollstreckungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Praktisch ist es auf so, dass manche Gläubiger bereits im Vorfeld einer drohenden Insolvenz doch noch versuchen, Ihre Forderung zu realisieren. Oft ist es ja auch gar nicht sicher, ob tatsächlich eine Insolvenz in Zukunft erfolgte. Daher versucht man oft bei Zahlungsschwierigkeiten des Schuldners noch die Vollstreckung in das noch bestehende Vermögen. Auch nehmend nicht selten der Schuldner noch selbst sogenannte Vermögensverschiebungen zugunsten von Angehörigen vor, um diese dem Zugriff der Gläubiger bzw. später dem Insolvenzverwalter zu entziehen. Der Gedanke des Gesetzes ist, dass durch solche Maßnahmen und Verfügungen das Vermögen des Schuldners zulasten anderer Gläubiger verkleinert wird und anderen Gläubigern nicht mehr zur Verfügung steht. Würde das Gesetz solche Handlungen grundsätzlich akzeptieren, würde die Insolvenzmasse geschmälert und es würde das „Recht des stärkeren „gelten. Die kleinen Gläubiger würden dabei regelmäßig leer ausgehen. Um hier einen Ausgleich der Interessen zu schaffen, hat der Gesetzgeber die Insolvenzanfechtung vorgesehen (§§ 129 – 147 InsO).
Insolvenzanfechtung auch in der Verbraucherinsolvenz
Ursprünglich hat das Gesetz Insolvenzanfechtung nur bei der Firmeninsolvenz (Regel Insolvenz) vorgesehen. Durch die im Juli 2014 durchgeführte Reform der Insolvenzordnung ist auch die Anfechtung in Verbraucherinsolvenzverfahren möglich. Somit müssen auch in Verbraucherinsolvenzverfahren Schuldner wie Gläubiger mit Insolvenzanfechtung durch den Insolvenzverwalter rechnen.
Insolvenzanfechtung-typische Fälle
Fall 1: Zwangsvollstreckung kurz vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Einer der häufigsten Fälle im Zusammenhang mit der Insolvenzanfechtung im Insolvenzverfahren ist die Zwangsvollstreckung eines Gläubigers kurz vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Hintergrund ist, dass ein Schuldner, bei dem die Insolvenz droht oder eventuell sogar schon beantragt worden ist, in der Regel nicht alle Gläubiger mir bedienen kann. Offene Schulden werden daher nicht immer bezahlt. Auch unterscheidet der Schuldner in dieser Situation oft zwischen dringenden und nicht dringenden Schulden. So kann es im Zusammenhang mit einer Verschuldungssituation auch zu Vollstreckungen, z.B. durch das Finanzamt oder Krankenkassen gekommen. Denn oft ist es dem Schuldner lieber, dass er Arbeitnehmer bezahlt, als die Sozialversicherungsbeiträge für die Krankenkasse, auch wenn dies strafbar ist!
Hier ist es für den Insolvenzverwalter oft ein leichtes, diese Zahlungen anzufechten und zurückzufordern. Auch sind teilweise Arbeitnehmer hiervon betroffen, die ausstehende Gehalt eingeklagt haben und mithilfe einer Kontopfändung oder durch den Gerichtsvollzieher beigetrieben haben. Auch in solchen Fällen ist eine sorgfältige Prüfung durch einen Fachanwalt dringend angeraten, um möglicherweise eine Rückzahlungspflicht zu entgehen.
Fall 2: Bestellung von Sicherheiten kurz vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Auch kommt es häufig in den Fällen, in denen eine Insolvenz droht, dazu, dass bestimmte Gläubiger für ihre offenen Forderungen noch Sicherheiten fordern und diese durch den Schuldner auch bestellt werden. Hierbei kann es sich um Sicherungsabtretungen von bestimmten Forderungen oder auch Grundschuldbestellungen handeln. Dies kann in der guten Absicht, z.B. noch einen Kredit zu erhalten geschehen oder auch in der weniger guten Absicht, Vermögensgegenstände aus der Insolvenzmasse zu entziehen, indem ein sogenanntes „Absonderungsrecht” vereinbart wird. Solche Sicherheiten können grundsätzlich der Insolvenzanfechtung unterliegen. Aber auch hier ist eine sorgfältige Prüfung geboten.
Inhaltverzeichnis
- 1 Insolvenzanfechtung
- 2 Insolvenzanfechtung — was ist das?
- 2.1 Was passiert praktisch bei der Insolvenzanfechtung!
- 2.2 Jeder Einzelfall hat seine Besonderheiten
- 2.3 Beweislast beim Insolvenzverwalter
- 2.4 Beispiele für Fälle, die der Insolvenzverwalter auf eine mögliche Insolvenzanfechtung prüft:
- 2.5 Insolvenzeröffnung und Insolvenzanfechtung
- 2.6 Grundgedanke des Gläubigerschutzes
- 2.7 Insolvenzanfechtung auch in der Verbraucherinsolvenz
- 2.8 Insolvenzanfechtung-typische Fälle
- 2.9 Fall 1: Zwangsvollstreckung kurz vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
- 2.10 Fall 2: Bestellung von Sicherheiten kurz vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens