BGH-Urteil zu Eigenbedarfskündigung: Wann liegt ein Härtefall vor und wie können Sie sich wehren?
Einleitung: Eigenbedarfskündigung und gesundheitliche Härte – Was das neue BGH-Urteil für Mieter bedeutet
Wenn Ihr Vermieter Ihnen wegen Eigenbedarfs gekündigt hat und Sie aus gesundheitlichen Gründen nicht umziehen können, stellt sich die entscheidende Frage nach dem Zusammenhang zwischen Eigenbedarfskündigung und gesundheitlicher Härte gemäß Paragraph 574 BGB. Die gute Nachricht vom Bundesgerichtshof: Am 16. April 2025 hat das höchste deutsche Zivilgericht entschieden (Aktenzeichen VIII ZR 270/22), dass Sie eine gesundheitliche Härte bei Eigenbedarfskündigung nicht zwingend mit einem fachärztlichen Attest nachweisen müssen. Auch die ausführliche Stellungnahme eines medizinisch qualifizierten Behandlers wie eines Heilpraktikers für Psychotherapie kann ausreichen, um die gesundheitliche Härte zu belegen und die Fortsetzung Ihres Mietverhältnisses zu erreichen. Diese wegweisende Entscheidung stärkt Ihre Rechte erheblich, wenn Sie von einer Eigenbedarfskündigung betroffen sind und gesundheitliche Probleme einen Umzug zu einer unzumutbaren Härte machen.
Das Wichtigste in Kürze: Ihre Rechte bei gesundheitlicher Härte und Eigenbedarfskündigung
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mehrfach betont, dass Ihr Recht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit aus Artikel 2 Absatz 2 Grundgesetz einen besonders hohen Stellenwert hat. Wenn Sie schwer erkrankt sind und ein Umzug Ihre Gesundheit gefährden würde, können Sie nach Paragraph 574 Absatz 1 BGB der Kündigung widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung der gesundheitlichen Härte bei Eigenbedarfskündigung sind nun durch das BGH-Urteil vom April 2025 präzisiert worden.
Bisher gingen viele Gerichte davon aus, dass Sie für die Geltendmachung einer gesundheitlichen Härte zwingend ein fachärztliches Attest benötigen. Diese restriktive Auffassung hat der BGH nun korrigiert. Die Karlsruher Richter stellen klar, dass ein fachärztliches Attest zwar ein besonders geeignetes Mittel ist, um Ihre gesundheitliche Härte zu belegen, aber nicht das einzige. Entscheidend ist vielmehr, ob die medizinische Stellungnahme inhaltlich aussagekräftig genug ist. Sie muss konkret darlegen, an welcher Erkrankung Sie leiden, welche Behandlung erfolgt und warum ein erzwungener Umzug Ihren Gesundheitszustand voraussichtlich erheblich verschlechtern würde und somit einen Härtefall im rechtlichen Sinne darstellt.
Der konkrete Fall: Wie ein Mieter gesundheitliche Härte bei Eigenbedarfskündigung erfolgreich geltend machte
Im entschiedenen Fall hatte ein Berliner Mieter der Eigenbedarfskündigung seiner Vermieterin widersprochen und zwei ausführliche Stellungnahmen seines Psychoanalytikers vorgelegt. Dieser war kein Facharzt, sondern Heilpraktiker für Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz. In den Stellungnahmen beschrieb er detailliert, dass der Mieter an einer akuten Depression mit emotionaler Instabilität und Existenzängsten leide, die ihn zeitweise arbeitsunfähig machten. Der Behandler führte konkret aus, dass ein Umzug mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer deutlichen Verschlechterung des Krankheitsbildes führen würde und somit eine gesundheitliche Härte darstelle.
In der zweiten Stellungnahme erläuterte er zudem, dass für den Mieter Suizidgedanken in den regelmäßigen Episoden seiner manischen Depression der einzige Ausweg seien und ein Verlust seines Lebensmittelpunkts gegebenenfalls in einem Suizid enden könne. Das Amtsgericht und zunächst auch das Landgericht Berlin hatten die Räumungsklage der Vermieterin dennoch für begründet gehalten. Sie argumentierten, ohne fachärztliches Attest sei der Vortrag zur gesundheitlichen Härte nicht substantiiert genug. Der BGH hat diese Auffassung nun als rechtsfehlerhaft verworfen und die Sache zur erneuten Prüfung an das Landgericht zurückverwiesen.
Gesundheitliche Härte bei Eigenbedarfskündigung: Welche Atteste sind ausreichend?
Der BGH betont, dass Sie als medizinischer Laie nicht verpflichtet sind, selbst detaillierte medizinische Angaben zu machen. Wenn Sie ein ausführliches fachärztliches Attest vorlegen, in dem ein Facharzt für Psychiatrie, Neurologie oder das jeweils betroffene Fachgebiet Ihre Erkrankung und die zu erwartenden Folgen eines Umzugs beschreibt, genügen Sie auf jeden Fall Ihrer Darlegungspflicht für eine gesundheitliche Härte. Das Gericht muss dann im Zweifel ein Sachverständigengutachten einholen, um Ihre Angaben zu überprüfen.
Neu und bedeutsam ist aber, dass auch eine Stellungnahme eines anderen medizinisch qualifizierten Behandlers ausreichen kann, um die gesundheitliche Härte bei Eigenbedarfskündigung zu begründen. Entscheidend ist der konkrete Inhalt der Stellungnahme. Sie muss ausführlich sein und konkret darlegen, welches Beschwerdebild vorliegt, wie die Behandlung verläuft und mit welcher Wahrscheinlichkeit und in welchem Ausmaß sich Ihr Gesundheitszustand durch einen erzwungenen Wohnungswechsel verschlechtern würde. Ein bloßes kurzes Schreiben mit pauschalen Aussagen reicht nicht aus, um die Härte nachzuweisen.
Wichtig zu wissen ist auch, dass das Gericht von Ihnen keine weiteren Angaben verlangen darf, die nur ein medizinischer Gutachter liefern kann. Wenn Sie eine inhaltlich aussagekräftige Stellungnahme eines qualifizierten Behandlers vorlegen, hat das Gericht die Pflicht, die medizinischen Zusammenhänge durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aufzuklären. Diese Verpflichtung zur besonders sorgfältigen Nachprüfung folgt aus dem hohen Rang Ihres Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit.
Eigenbedarfskündigung erhalten: So machen Sie gesundheitliche Härte richtig geltend
Wenn Sie eine Eigenbedarfskündigung erhalten haben und aus gesundheitlichen Gründen nicht umziehen können, sollten Sie zunächst schriftlich der Kündigung widersprechen und dabei bereits auf die mögliche gesundheitliche Härte hinweisen. Diesen Widerspruch müssen Sie spätestens zwei Monate vor dem Kündigungstermin bei Ihrem Vermieter einreichen. In dem Widerspruchsschreiben sollten Sie bereits kurz darlegen, welche gesundheitlichen Gründe gegen einen Umzug sprechen und warum in Ihrem Fall eine Härte vorliegt.
Holen Sie dann zeitnah eine ausführliche Stellungnahme Ihres behandelnden Arztes oder Therapeuten ein. Bitten Sie darum, dass die Stellungnahme konkret beschreibt, an welcher Erkrankung Sie leiden, wie schwer diese ist, welche Behandlung erfolgt und warum ein Umzug Ihren Gesundheitszustand voraussichtlich verschlechtern würde. Je konkreter die Angaben zur gesundheitlichen Härte sind, desto besser. Wichtig ist auch, dass deutlich wird, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Verschlechterung eintreten wird und wie schwerwiegend diese voraussichtlich sein wird.
Legen Sie diese Stellungnahme schnellstmöglich Ihrem Vermieter vor. Sollte dieser dennoch Räumungsklage erheben, können Sie im Gerichtsverfahren weitere ärztliche Stellungnahmen nachreichen und beantragen, dass ein medizinischer Sachverständiger Ihre Situation begutachtet. Das Gericht ist nach dem neuen BGH-Urteil verpflichtet, Ihren Vortrag ernst zu nehmen und gründlich zu prüfen, wenn Sie eine inhaltlich aussagekräftige medizinische Stellungnahme vorgelegt haben.
Beachten Sie auch, dass von Ihnen jedes zumutbare Bemühen um eine Verringerung des Gesundheitsrisikos verlangt werden kann. Das bedeutet, Sie sollten ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen und sich behandeln lassen. Ein Umzug ist Ihnen nur dann unzumutbar, wenn er auch bei bestmöglicher medizinischer Behandlung zu schwerwiegenden Gesundheitsgefahren führen würde.
Häufige Missverständnisse bei Eigenbedarfskündigung und gesundheitlicher Härte
Ein verbreiteter Irrtum ist die Annahme, dass Sie automatisch in der Wohnung bleiben dürfen, sobald Sie irgendein ärztliches Attest vorlegen. Das stimmt nicht. Auch nach dem neuen BGH-Urteil müssen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen so schwerwiegend sein, dass sie die berechtigten Interessen Ihres Vermieters am Eigenbedarf überwiegen. Eine leichte Erkrankung oder allgemeine Umzugsbeschwerden reichen nicht aus, um eine gesundheitliche Härte bei Eigenbedarfskündigung zu begründen. Es muss eine konkrete Gefahr für Ihre Gesundheit bestehen, die über die üblichen Belastungen eines Umzugs hinausgeht.
Viele Mieter machen außerdem den Fehler, zu lange zu warten. Die Fristen für den Widerspruch und für das Vorbringen von Tatsachen im Gerichtsverfahren müssen unbedingt eingehalten werden. Das Berufungsgericht in dem entschiedenen Fall hatte den zweitinstanzlichen Vortrag zunächst als verspätet zurückgewiesen. Auch wenn der BGH das für rechtsfehlerhaft hielt, zeigt dieser Aspekt, wie wichtig schnelles Handeln ist.
Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft pauschale Ratschläge aus dem Internet, die oft veraltet oder juristisch nicht haltbar sind. Verlassen Sie sich nicht auf Informationen aus Mieterforen ohne fachliche Überprüfung. Jeder Fall von Eigenbedarfskündigung und gesundheitlicher Härte liegt anders, und die Rechtsprechung entwickelt sich ständig weiter. Das neue BGH-Urteil vom April 2025 ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Anforderungen ändern können.
Kritische Einordnung: Hat sich der BGH zu lange geziert?
Bei aller Freude über das mieterfreundliche Urteil drängt sich die Frage auf, warum der BGH erst jetzt diese Klarstellung zur gesundheitlichen Härte bei Eigenbedarfskündigung vornimmt. Die grundsätzliche Aussage, dass ein fachärztliches Attest nicht zwingend erforderlich ist, war in früheren Entscheidungen bereits angelegt. Der Senat hatte stets formuliert, ein solches Attest sei “insbesondere” geeignet, den Sachvortrag zu untermauern. Das Wort “insbesondere” bedeutet aber eben gerade nicht “ausschließlich”. Dennoch haben viele Instanzgerichte jahrelang Mietern die Berufung auf gesundheitliche Härte verwehrt, nur weil kein fachärztliches Attest vorlag.
Diese restriktive Praxis hat vermutlich zahlreiche Mieter mit psychischen Erkrankungen besonders hart getroffen. Gerade bei psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungen werden häufig Heilpraktiker für Psychotherapie aufgesucht, weil diese oft schneller Termine anbieten können und die Kosten niedriger sind als bei Fachärzten. Wenn ausgerechnet diese Patientengruppe systematisch von der Härtefall-Regelung ausgeschlossen wurde, widerspricht das dem Schutzzweck des Paragraphen 574 BGB und dem hohen Rang des Grundrechts auf Gesundheit.
Positiv zu werten ist allerdings, dass der BGH nun unmissverständlich klargestellt hat, worauf es wirklich ankommt: auf den konkreten Inhalt und die medizinische Qualifikation bezogen auf das jeweilige Beschwerdebild, nicht auf formale Titel. Diese sachgerechte Herangehensweise sollte endlich zu einer einheitlicheren Rechtspraxis bei der Beurteilung von Eigenbedarfskündigung und gesundheitlicher Härte führen. Für Sie als Mieter bedeutet das mehr Rechtssicherheit und besseren Zugang zum Härtefall-Schutz nach Paragraph 574 BGB.
Was bedeutet das Urteil für laufende Verfahren zur Eigenbedarfskündigung?
Wenn Sie bereits in einem Räumungsrechtsstreit sind und das Gericht Ihren Einwand der gesundheitlichen Härte bei Eigenbedarfskündigung mit der Begründung abgelehnt hat, Sie hätten kein fachärztliches Attest vorgelegt, sollten Sie prüfen lassen, ob eine Berufung oder Revision noch möglich ist. Das neue BGH-Urteil kann auch für Altfälle relevant sein, soweit diese noch nicht rechtskräftig entschieden sind. Instanzgerichte sind zwar nicht formal an BGH-Entscheidungen gebunden, folgen der Rechtsprechung des höchsten Zivilgerichts in der Praxis aber regelmäßig.
Besonders wichtig ist das Urteil für Fälle, in denen Berufungsgerichte zweitinstanzliches Vorbringen als verspätet zurückgewiesen haben. Der BGH hat im entschiedenen Fall ausgeführt, dass die zusätzliche Stellungnahme des Behandlers möglicherweise nur eine zulässige Konkretisierung des erstinstanzlichen Vortrags war und nicht hätte zurückgewiesen werden dürfen. Diese Erwägung kann für viele laufende Verfahren zu Eigenbedarfskündigung und gesundheitlicher Härte bedeutsam sein.
Falls Ihr Verfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen ist, bleiben Ihre Möglichkeiten hingegen begrenzt. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Paragraphen 578 ff. ZPO kommt nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht, die durch eine bloße Änderung der Rechtsprechung in der Regel nicht erfüllt sind. In diesem Fall können Sie lediglich prüfen, ob eine neue Eigenbedarfskündigung erneut ausgesprochen werden muss und Sie dann mit dem verbesserten Vortrag zur gesundheitlichen Härte erneut widersprechen können.
Zusammenfassung: Ihre wichtigsten Handlungsoptionen bei Eigenbedarfskündigung und gesundheitlicher Härte
Das BGH-Urteil vom 16. April 2025 stärkt Ihre Rechte als Mieter erheblich. Sie können gesundheitliche Härte bei Eigenbedarfskündigung auch dann erfolgreich geltend machen, wenn Sie kein fachärztliches Attest vorlegen, sofern die Stellungnahme Ihres Behandlers inhaltlich aussagekräftig ist. Entscheidend sind die konkrete Beschreibung Ihrer Erkrankung, der Behandlung und der zu erwartenden Folgen eines Umzugs für Ihre Gesundheit.
Handeln Sie aber schnell. Widersprechen Sie der Kündigung fristgerecht unter Hinweis auf die gesundheitliche Härte, holen Sie zeitnah eine ausführliche medizinische Stellungnahme ein und legen Sie diese Ihrem Vermieter vor. Im Streitfall wird das Gericht dann verpflichtet sein, Ihre gesundheitliche Situation durch ein Sachverständigengutachten gründlich aufzuklären. Die formale Qualifikation Ihres Behandlers ist dabei nicht mehr entscheidend, solange die Stellungnahme medizinisch fundiert ist.
Bedenken Sie allerdings, dass eine Härte nur vorliegt, wenn Ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen schwerwiegend sind und die berechtigten Interessen Ihres Vermieters überwiegen. Von Ihnen wird auch erwartet, dass Sie alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die gesundheitlichen Risiken zu verringern, etwa durch konsequente medizinische Behandlung. Weitere Informationen zu allen Aspekten der Kündigung im Mietrecht finden Sie auf unserer Website.
Wir unterstützen Sie bei Eigenbedarfskündigung und gesundheitlicher Härte
Als spezialisierte Kanzlei für Mietrecht in Essen begleiten wir Sie durch alle Phasen Ihres Räumungsrechtsstreits. Wir prüfen Ihre Eigenbedarfskündigung auf Rechtmäßigkeit, formulieren Ihren Widerspruch juristisch präzise und organisieren die Einholung aussagekräftiger medizinischer Stellungnahmen zur gesundheitlichen Härte. Vor Gericht vertreten wir Ihre Interessen mit der nötigen Sachkenntnis und beantragen die Einholung von Sachverständigengutachten, wenn dies erforderlich ist.
Vereinbaren Sie noch heute einen Termin für eine Erstberatung in unserer Kanzlei Tholl in Essen oder nutzen Sie unsere Möglichkeit zur telefonischen Ersteinschätzung. Bringen Sie bitte alle relevanten Unterlagen mit, insbesondere die Kündigung Ihres Vermieters, Ihren Mietvertrag und bereits vorhandene ärztliche Unterlagen zur gesundheitlichen Härte. Je früher Sie rechtlichen Rat einholen, desto besser können wir Ihre Rechte bei Eigenbedarfskündigung und gesundheitlicher Härte durchsetzen. Die Fristen im Mietrecht sind kurz, und versäumte Fristen können nicht nachgeholt werden.
Kontaktieren Sie uns unter der Telefonnummer auf unserer Startseite oder per E‑Mail. Unsere Kanzleiräume befinden sich in verkehrsgünstiger Lage in Essen und sind auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen. Wir freuen uns darauf, Sie kennenzulernen und für Ihre Rechte zu kämpfen.
Wichtiger Hinweis: Dieser Beitrag dient ausschließlich der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Jeder Fall von Eigenbedarfskündigung und gesundheitlicher Härte hat seine Besonderheiten, die nur im persönlichen Gespräch gewürdigt werden können. Die dargestellten Grundsätze geben den Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder.
