§ 133 InsO
Allgemeine Bedeutung von § 133 InsO
Die Aufgabe des Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren ist es u. a. die Insolvenzmasse zu mehren. Hierzu kann er z. B. noch vorhandene Vermögenswerte verkaufen oder auch Zahlungen des Schuldners an Gläubiger oder Dritte anfechten. Die gesetzliche Grundlage hierfür bietet § 129 ff. Inso. Hier finden sich unterschiedliche Anspruchsgrundlagen, auch § 133 InsO.
Danach sind Rechtshandlungen, die der Schuldner bis zu zehn Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, anfechtbar, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte (§ 133 Abs. 1 Satz 1 InsO). Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zumindest drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligt (§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO).
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§ 133 Vorsätzliche Benachteiligung
§ 133 Abs. 1 Satz 1 InsO
Allgemeines
Wie bei jeder Anfechtung müssen auch bei § 133 InsO auch die Voraussetzungen des §§ 129 Abs. 1 InsO vorliegen. Es muss eine eigene Rechtshandlung des Schuldners vorliegen. Darüber hinaus muss der Schuldner subjektiv mit Gläubigerbenachteiligung Vorsatz gehandelt haben zum anderen, dass der Anfechtungsgegner Kenntnis von diesem Vorsatz hatte, die Gläubiger zu benachteiligen. Der Kenntnis selbst stehen zwingende Umstände gleich, die darauf hindeuten. Nach § 140 InsO richtet sich der Zeitpunkt, in welchem sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen bestehen müssen.
Zu beachten:
Der Anfechtungsgegner muss nicht Gläubiger des Schuldners sein. Daher kommt auch eine Anfechtung gegenüber dem Angewiesenen (BGH 29.11.2007-IX ZR 121/06), einem uneigennützigen Treuhänder (BGH 26.04.2012-IX ZR 74/11) oder einer Zahlstelle (BGH 24.01.2013-IX ZR 11/12) in Betracht.
Die anzufechtende Rechtshandlung muss innerhalb von zehn Jahren vor Antragstellung vorgenommen worden sein. Der maßgebliche Zeitpunkt der Antragstellung richtet sich nach § 139 InsO.
Rechtshandlung des Schuldners
Grundsätzlich ist das Tatbestandsmerkmal der Rechtshandlung des Schuldners weit gefasst. Neben den echten Handlungen des Schuldners erfasst dieses Tatbestandsmerkmal auch Handlungen Dritter, die lediglich durch den Schuldner unterstützt worden sind. Eine mittelbare Zuwendung reicht daher aus. In der Regel ist jedoch eine Zwangsvollstreckung eines Gläubigers nicht ausreichend (BGH 12.02.2005-IX ZR 211/02).
Nach der Rechtsprechung des neunten Zivilsenats des Bundesgerichtshofs kann jedoch eine im Rahmen oder aus Anlass einer Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung dann anfechtbar sein, dazu zumindest auch eine durch den Schuldner selbst bestimmte Rechtshandlung beigetragen hat!
Gläubigerbenachteiligung
Eindeutig liegt ein Fall der Gläubigerbenachteiligung vor, wenn zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung andere Gläubiger vorhanden waren, deren Forderungen in Folge der Zahlungen an den Anfechtungsgegner nicht vollständig befriedigt werden konnten.
Nach dem BGH reicht es aber auch aus, wenn eine erst künftig eintretende Gläubigerbenachteiligung vorliegt. Es soll sogar ausreichen, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung noch gar keine Gläubiger hatte (BGH, 13.8.2009 ‑IX ZR 159/06). Dann muss aber besonders geprüft werden, ob die angefochtene Rechtshandlung auch wirklich kausal die Gläubigerbenachteiligung herbeigeführt hat.
Gläubigerbenachteiligungsvorsatz
Allgemeines
Der Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung wusste, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um über Teilzahlungen an einzelne Gläubiger hinaus alle Gläubiger befriedigen zu können (BGH vom 6.12.2012 ‑IX ZR 3/12) und der Schuldner die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder deren mutmaßliche Folge – sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Erfolges – erkannt und gebilligt hat (vergleiche BGH vom 6.12.2012-IX ZR 3/12).
Ein bedingter Vorsatz reicht hierfür aus. Dieser ist dann gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme seiner Rechtshandlung das Bewusstsein hat, seine Handlung sich zum Nachteil der Gläubiger nachteilig auswirken könnte und der diese Auswirkung zumindest als notwendige Nebenfolge billigend mit in Kauf genommen hat. Sein Handeln muss also nicht auf die Benachteiligung abzielen. Der Schuldner kann insofern die Handlung zu einem anderen Zweck oder persönlichen Vorteil verfolgen ( BGH vom 5.3.2009 ‑IX ZR 85/07).
Für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ist nicht Voraussetzung, dass der Schuldner zu diesem Zeitpunkt der Rechtshandlung über weitere Gläubiger verfügt. Seine Annahme, dass später Gläubiger benachteiligt werden könnten, immer reicht für die Annahme des Gläubigerin Benachteiligungsvorsatzes aus (vergleiche BGH, vom 13.8.2009 ‑IX ZR 159/06).
Ein eindeutig klares Indiz für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ist es, wenn bereits Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingetreten ist und er hat trotz Kenntnis dieser Umstände den Antrag unterlässt und seine Geschäfte weiterführt. Eine Ausnahme wäre nur dann zu machen, wenn der Schuldner konkrete Umstände nachweist, mit deren Eintritt er mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen konnte. Dies wäre z.B. der Fall, wenn der Schuldner demnächst einen größeren Kredit in Aussicht hat oder mit ausreichenden Zahlungen rechnen konnte.
An dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz fehlt es, wenn der Schuldner aufgrund konkreter Vorstellungen davon überzeugt war, demnächst alle Insolvenzgläubiger befriedigen zu können und dass es sich aus seiner Sicht als ausgeschlossen darstellt, dass es zur Insolvenz kommt. Eine bloße Sanierungshoffnung reicht hierfür nicht aus.
Beweisanzeichen
Beim Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelt es sich um ein subjektives Tatbestandsmerkmal. Als innere Tatsache ist ein solches Merkmal dem objektiven Beweis nur eingeschränkt zugänglich. Zu seinem Nachweis erfordert es daher die Herleitung aus mittelbaren objektiven Anknüpfungstatsachen. Hierzu hat die Rechtsprechung verschiedene Fallgruppen entwickelt, bei deren Vorliegen von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ausgegangen werden kann. Als sogenannte Anknüpfungstatsachen reichen diese jedoch nicht aus. Seit jedem Fall eine Gesamtwürdigung zu erfolgen, in der alle dargelegten relevanten Umstände zu würdigen und im Zweifel mittels Beweiserhebung zu klären sind.
Als Beispiel kommt hier die Inkongruenz in Betracht. Liegt eine inkongruente Deckung vor, so ist als weitere Voraussetzung auch eine Liquiditätskrise des Schuldners Voraussetzung-Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 oder drohende Zahlungsunfähigkeit müssen noch nicht vorliegen. Ernsthafte Zweifel an der Liquiditätslage des Schuldners können genügen (BGH vom 7.2.2008 ‑IX ZR 168/05).
Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz
Auch der Anfechtungsgegner muss den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners kennen. Es ist nicht erforderlich, dass der Anfechtungsgegner alle Umstände im einzelnen kennt sieben. Vielmehr genügt es dass er um den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners im allgemeinen weiß (BGH vom 30.6.2011-IX ZR 155/08). Maßgeblich ist positive Kenntnis. Eine grob fahrlässige Unkenntnis reicht für die Annahme dieses Tatbestandsmerkmals nicht aus. Auch für die Annahme der Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz können Beweisanzeichen sprechen. Hier kommen im Betracht des Näheverhältnis im Sinne von § 138 ebenso und auch das Vorliegen einer inkongruenten Deckung (BGH vom 8.12.2005 ‑IX ZR 182/01).
§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO
Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit
Die “Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit” im Kontext des § 133 der Insolvenzordnung (InsO) des deutschen Rechts bezieht sich spezifisch auf das Wissen eines Schuldners über seine sich abzeichnende Unfähigkeit, bestehende oder zukünftige Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Dies ist relevant für die Anfechtung von Rechtshandlungen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens.
Wenn ein Schuldner Handlungen vornimmt, die seine Gläubiger benachteiligen, und dabei wusste, dass er zahlungsunfähig ist oder dies droht, können diese Handlungen im Rahmen der Insolvenz angefochten werden. Der Zeitrahmen für eine solche Anfechtung erstreckt sich meist auf Handlungen, die bis zu zehn Jahre vor der Insolvenzanmeldung erfolgten.
Die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit impliziert, dass der Schuldner sich der Tatsache bewusst ist oder sich zumindest bewusst sein müsste, dass er in absehbarer Zeit nicht in der Lage sein wird, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Dies kann durch verschiedene Indizien belegt werden, wie etwa durch eine zunehmende Verschuldung, Zahlungseinstellungen oder durch das Scheitern von Umschuldungsversuchen.
Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung
Die “Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung” ist ein zentraler Begriff im Insolvenzrecht, insbesondere im Kontext der Anfechtung von Rechtshandlungen nach der Insolvenzordnung (InsO) in Deutschland. Dieses Konzept kommt vor allem in § 133 InsO zur Anwendung.
Im Wesentlichen bedeutet die Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung, dass der Schuldner zum Zeitpunkt einer Rechtshandlung – wie der Übertragung von Vermögenswerten oder der Gewährung von Sicherheiten – wusste oder wissen musste, dass diese Handlung die Gläubiger benachteiligt. Eine solche Benachteiligung liegt vor, wenn die Handlung die Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger im Rahmen des Insolvenzverfahrens verringert.
Die Feststellung dieser Kenntnis ist oft eine Frage der Beweisführung und beinhaltet die Prüfung von Umständen wie der finanziellen Lage des Schuldners zum Zeitpunkt der Handlung und der Art der vorgenommenen Transaktionen. Handlungen, die in den letzten zehn Jahren vor der Insolvenzanmeldung vorgenommen wurden und bei denen eine solche Kenntnis nachgewiesen werden kann, sind anfechtbar.
Die Regelung dient dem Schutz der Gesamtheit der Gläubiger, indem sie verhindert, dass ein Schuldner in Kenntnis seiner prekären finanziellen Situation Vermögenswerte zum Nachteil der Gläubiger verschiebt oder bestimmte Gläubiger bevorzugt. Dadurch wird das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung im Insolvenzverfahren gestärkt.
Kenntnis von der Rechtshandlung
§ 133 Abs. 2 InsO
Anfechtungszeitraum
Deckungshandlungen und Vermögensverschiebungen
Keine Begrenzung auf Insolvenzgläubiger
Ermöglichung einer Sicherung oder Befriedigung
§ 133 Abs. 3 InsO
Allgemein
§ 133 Abs. 3 S. 1 InsO
§ 133 Abs. 3 S. 2 InsO
§ 133 Abs. 4 InsO
Entgeltlicher Vertrag
Nahestehende Person
Unmittelbare Gläubigerbenachteiligung
Darlegungs- und Beweislast
Den Insolvenzverwalter trifft die grundsätzliche Darlegungs- und Beweislast für sämtliche Tatbestandsmerkmale des Abs. 1 Satz 1 sowie das Vorliegen der Vermutungen des Abs. 1 Satz 2 (BGH 17.07.2003 – IX ZR 272/02).
Um diese Vermutung zu widerlegen muss der Anfechtungsgegner konkrete Umstände darlegen und beweisen, die es naheliegend erscheinen lassen, dass ihm der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht bekannt war (BGH 24.05.2007 – IX ZR 97/06).
Wenn der Insolvenzverwalter Tatsachen vorgetragen hat, welche zwingend auf die drohende Zahlungsunfähigkeit hinweisen, und konnte der Anfechtungsgegner diese Tatsachen nicht erschüttern, so greift die Vermutung, dass der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit kannte. Nun muss der Anfechtungsgegner nur noch den vollen Beweis des Gegenteils führen, dass er zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung tatsächlich keine Kenntnis hatte (BGH 06.12.2012 – IX ZR 3/12)
