Erzwingungshaft im eröffneten Insolvenzverfahren
zuletzt bearbeitet am: 1. November 2022 von RA Dirk Tholl
Die Fallkonstellation
Das Landgericht Stuttgart hat sich mit der Frage befasst, ob im Bußgeldverfahren eine Erzwingungshaft gemäß § 96 Abs. 1 OWiG zulässig ist, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Betroffenen eröffnet worden ist.
LG Stuttgart, Beschl. v. 10.06.2020 – 9 Qs 29/20
Umstrittene Frage der Erzwingunshaft im Insolvenzverfahren
Nach der Entscheidung des Landgerichts Stuttgart ist die Vollstreckung eines Bußgeldbescheides im laufenden Insolvenzverfahren gemäß den §§ 89 Abs. 1, 294 Absatz 1 InsO unzulässig, da das Vollstreckungsverbot des §§ 89 Absatz 1 InsO die Vollstreckung vor Insolvenzeröffnung entstandener Bußgeldforderungen mit umfasst. Die Auffassung des Landgerichts Stuttgart ist, dass § 96 OWiG keine gegenüber insolvenzrechtlichen Normen vorrangige Sonderregelung darstellt. Die Zulassung der Vollstreckung von vor Insolvenzeröffnung vollstreckbar gewordenen Geldbußen gemäß § 96 OWiG läuft daher dem Wortlaut, der Systematik und der Zielsetzung des Gesetzes zuwider. Denn § 96 OWiG ist eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme im Sinne des §§ 89 InsO, kein Beugemittel zur Erzwingung der Zahlung einer Geldbuße.
Ergebnis
Die Frage ist umstritten. Das Landgericht Stuttgart folgt mit seiner Entscheidung zahlreichen anderen Gerichten (vgl. z.B. Landgericht Duisburg, Beschluss vom 04.06.2014). Zahlreiche Stimmen in der Literatur und Rechtsprechung (vgl. Landgericht Potsdam, in NZI 2016, 652) sprechen sich jedoch dagegen aus und sehen in der Erzwingungshaft keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung. Folgt man dieser Rechtsauffassung wäre im laufenden Insolvenzverfahren eine Erzwingungshaft zulässig.Es hängt daher von der Rechtsauffassung des jeweiligen Gerichtes ab, wie die Entscheidung in einem entsprechenden Fall ausfällt.
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