Zutreffend weist das Berufungsgericht auch darauf hin, dass Einzahlungen auf ein debitorisches Konto die verteilungsfähige Vermögensmasse der Gesellschaft zu Lasten ihrer Gläubiger schmälern. Wird eine Forderung der Gesellschaft auf ein debitorisches Konto eingezogen, wird der künftigen Insolvenzmasse zugunsten der kontoführenden Bank die Forderung gegen den Drittschuldner entzogen (BGH, Urteil vom 26. März 2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Rn. 12; Urteil vom 8. Dezember 2015 – II ZR 68/14, ZIP 2016, 364 Rn. 10; Urteil vom 3. Juni 2014 – II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 Rn. 16). Der Einzug eines Schecks oder einer Forderung auf ein debitorisches Konto ist wirtschaftlich nicht anders zu behandeln als der Fall, dass der Geschäftsführer mit einem vom Schuldner erhaltenen Barbetrag die Forderung der Bank begleicht (BGH, Urteil vom 29. November 1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184 Rn. 9; Urteil vom 23. Juni 2015 – II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 Rn. 11). Die Einziehung einer Vorauszahlung auf ein debitorisches Konto führt daher unabhängig davon, ob die auf Vorauszahlung gerichtete Forderung der Gesellschaft zu Gunsten der Gläubiger hätte verwertet werden können, zu einer Masseschmälerung. Es genügt, dass der Gesellschaft ein schuldrechtlicher Anspruch gegen den Vorauszahlenden zustand, den diese als Rechtsposition aufgibt, mithin der Gegenwert für das Geleistete aus dem Vermögen der Gesellschaft stammt (vgl. zur Anfechtung im Fall einer mittelbaren Zuwendung: BGH, Urteil vom 14. Juni 1978 – VIII ZR 149/77, BGHZ 72, 39, 42; Urteil vom 16. November 2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rn. 25).
c) Entgegen der Sicht des Berufungsgerichts kommt es für die Erstattungspflicht des Beklagten nicht darauf an, ob die Vorauszahlungen auf das Konto bei der H. bank auch bei pflichtgemäßem Verhalten in die Masse gelangt wären.
aa) Voraussetzung für die Haftung des Geschäftsführers für Masseschmälerungen nach Eintritt der Insolvenzreife ist die Veranlassung der Zahlung. Die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers für Schmälerungen des Gesellschaftsvermögens ist danach gegeben, wenn diese mit seinem Wissen und Wollen geschehen sind oder wenn diese von ihm hätten verhindert werden können (BGH, Urteil vom 16. März 2009 – II ZR 32/08, ZIP 2009, 956 Rn. 13).
Hat der organschaftliche Vertreter das für die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung stehende Vermögen der Gesellschaft tatsächlich geschmälert, hängt seine Ersatzpflicht nicht davon ab, ob der Vermögenswert, der Gegenstand der Zahlung ist, der Gesellschaft im Falle eines pflichtgemäßen Verhaltens zur Verfügung gestanden hätte.
BAG, Urt. v. 25.4.2023 – 9 AZR 253/22
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Sachverhalt
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis zum 30. Juni 2020. Die Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein mit dem Namen “Yoga V e.V.”, der sich der Lehre und Ausübung des Yoga in all seinen Aspekten widmet. Der Verein steht in der Tradition des indischen Arztes und Yogameisters Swami S. und integriert sowohl klassische als auch moderne Entwicklungen des Yoga. Der Verein verfolgt verschiedene Ziele, u.a. die Errichtung von Yoga-Zentren und Seminarhäusern, die Bildung von Yoga-Gemeinschaften, die Durchführung von Kursen, Workshops und Seminaren, die Ausbildung im Bereich Yoga und verwandter Disziplinen sowie die Durchführung von Forschungsarbeiten über die Wirkung von Yoga-Übungen.
Entscheidung
Im Mittelpunkt der Entscheidung steht die Frage, ob ein Mitglied einer spirituellen Gemeinschaft Arbeitnehmer ist. Das Gericht stellte fest, dass dann, wenn eine Tätigkeit, die aufgrund der Vereinsmitgliedschaft und zur Förderung des Vereinszwecks erbracht wird, in ihrer Verbindlichkeit einer arbeitsvertraglichen Pflicht gleichkommt, von einem Arbeitsverhältnis auszugehen ist, insbesondere dann, wenn die beschäftigte Person nicht wie ein Arbeitnehmer sozial abgesichert ist. Der gesetzliche Mindestlohn ist als unabdingbarer Mindestschutz auf der Vergütungsebene zu gewährleisten. Eine spirituelle Gemeinschaft, die nicht auf einem Mindestmaß an Systembildung und Weltdeutung beruht, hat weder das Recht, sich eine vom staatlichen Arbeitsrecht ausgenommene innere Ordnung zu schaffen, noch kann sie sich auf das Selbstbestimmungsrecht oder die korporative Religionsfreiheit berufen.
Ergebnis
Nach sorgfältiger Prüfung der vorgelegten Beweise und Argumente entschied das Bundesarbeitsgericht, das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Mai 2022 aufzuheben. Das Gericht sah es als notwendig an, den Fall zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um sicherzustellen, dass alle Aspekte des Falles gründlich geprüft werden.
Beratung
Kanzlei Dirk Tholl | Fachanwalt Arbeitsrecht & Insolvenzrecht
Fax: 02011029915
E‑Mail: info@kanzlei-tholl.de
Kündigung wegen Äußerung in einer Chatgruppe
Am 24. August 2023 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) unter dem Aktenzeichen 2 AZR 17/23 ein wegweisendes Urteil gefällt. In diesem Urteil hat das Gericht klargestellt, dass Äußerungen in privaten Chatgruppen arbeitsrechtliche Konsequenzen haben können. Insbesondere wurde betont, dass menschenverachtende Äußerungen nicht toleriert werden und einen Kündigungsgrund darstellen können. Damit hat das BAG ein deutliches Zeichen gegen rassistische und sexistische Äußerungen gesetzt.
Das Urteil ist von besonderer Bedeutung, da es die Grenzen zwischen privaten Äußerungen und beruflichen Konsequenzen definiert. Es zeigt, dass Arbeitnehmer auch im privaten Bereich verantwortungsbewusst handeln müssen, da ihre Äußerungen Auswirkungen auf das Arbeitsleben haben können. Das Urteil unterstreicht auch die Bedeutung von Respekt und Toleranz im Arbeitsumfeld und macht deutlich, dass private Äußerungen, die diese Werte verletzen, schwerwiegende Konsequenzen haben können.
Es ist daher ratsam, stets darauf zu achten, was man in privaten Chats und Gruppen mit anderen teilt, um unerwünschte arbeitsrechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Mit diesem Urteil hat das BAG die Bedeutung von ethischem Verhalten und Integrität im digitalen Zeitalter unterstrichen. In einer Zeit, in der Kommunikation und Interaktion zunehmend online stattfinden, ist es unerlässlich, sich der Konsequenzen bewusst zu sein, die unangemessenes Verhalten in diesen Räumen haben kann.
Darüber hinaus betont das Urteil die Verantwortung der Arbeitgeber, für ein sicheres und respektvolles Arbeitsumfeld zu sorgen. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter über die Richtlinien und Erwartungen in Bezug auf Kommunikation und Verhalten, sowohl online als auch offline, informiert sind. Dazu gehört auch die Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiter in Bezug auf Diskriminierung, Belästigung und anderes unangemessenes Verhalten.
Es ist auch wichtig zu betonen, dass dieses Urteil nicht bedeutet, dass die Privatsphäre der Arbeitnehmer verletzt wird. Vielmehr geht es darum, dass Arbeitnehmer auch im privaten Bereich die Werte und Grundsätze ihres Arbeitgebers und der Gesellschaft als Ganzes respektieren sollten. Das BAG hat klargestellt, dass zwar jeder das Recht auf freie Meinungsäußerung hat, dieses Recht aber insbesondere dann Grenzen hat, wenn dadurch die Rechte und das Ansehen anderer verletzt werden.
Zusammenfassend ist dieses Urteil ein wichtiger Schritt in Richtung eines respektvolleren und integrativeren Arbeitsumfelds. Es erinnert uns alle daran, dass unsere Worte und Taten, auch im privaten Bereich, Konsequenzen haben können und dass wir alle eine Rolle bei der Schaffung eines positiven und unterstützenden Arbeitsumfelds spielen.
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