Bescheinigung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO
Die Beratungsleistung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO kann nur vom Rechtsanwalt in eigener Person erbracht werden. Es reicht nicht aus, wenn Mitarbeiter diese Beratungsleistung erbringen, selbst wenn diese Weisungsgebunden in den Betrieb des bescheinigenden Rechtsanwalts eingegliedert sind.
§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO; § 2 AGInsO NRW
LG Aachen, Beschl. v. 14. 9. 2016 – 6 T 81/16
I. Mit Schreiben v. 19.5.2016 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Als Anl. 2 legte die Schuldnerin eine Bescheinigung ihres Verfahrensbevollmächtigten über die erfolglose Durchführung des außergerichtlichen Einigungsversuchs v. 19.5.2016 vor. Hierin heißt es u.a.: “Ich bescheinige/Wir bescheinigen auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse, dass die Schuldnerin mit meiner/unserer Unterstützung erfolglos versucht hat, eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans zu erzielen”.
Auf die entsprechende Aufforderung des AG teilte die Schuldnerin mit, dass die Schuldnerberatung am 6.4.2016 durch Frau T erfolgt sei.
Mit Beschl. v. 23.6.2016 hat das AG den Eröffnungsantrag der Schuldnerin als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, dass die vorgelegte Bescheinigung nicht den Anforderungen des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO entspreche. Denn es sei nötig, dass die Bescheinigung von einer geeigneten Person oder Stelle auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse ausgestellt werde. Der Verfahrensbevollmächtigte
Abweisung des Eröffnungsantrags zum Insolvenzverfahren als unzulässig; Anforderungen an die vorgelegte Bescheinigung über die erfolglose Durchführung des außergerichtlichen Einigungsversuchs; Erbringung der insolvenzrechtlich geforderten Beratungsleistungen durch den Anwalt in eigener Person der Schuldnerin sei als Rechtsanwalt zwar eine geeignete Person, die Beratung sei jedoch nicht von ihm persönlich durchgeführt worden. Dass es sich bei der Frau T um eine Mitarbeiterin des Verfahrensbevollmächtigten handele, reiche nicht aus.
Gegen den v.g. Beschluss hat die Schuldnerin mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten v. 11.7.2016, eingegangen beim AG am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, dass die Beratung nicht höchstpersönlich durch die geeignete Person stattfinden müsse und es ausreiche, dass Frau T gegenüber der bescheinigenden Person weisungsgebunden und eine hinreichende organisatorische Eingebundenheit in den Betrieb der bescheinigenden Person gegeben sei. Frau T verfüge i.Ü. über einen Abschluss als Diplom-Sozialpädagogin und damit über einen Katalogberuf gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 AGInsO NRW. Schließlich sei die Beratung durch den Verfahrensbevollmächtigten zwischenzeitlich nachgeholt worden.
Das AG hat der sofortigen Beschwerde mit Beschl. v. 27.7.2016 nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
Die Schuldnerin hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
II. Die nach §§ 4, 36 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1 InsO, §§ 793, 567 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch i.Ü. zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Denn das AG hat den Eröffnungsantrag der Schuldnerin zu Recht mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, dass die vorgelegte Bescheinigung über die erfolglose Durchführung des außergerichtlichen Einigungsversuchs nicht den Anforderungen des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO entspreche.
Voraussetzung eines zulässigen Eröffnungsantrags ist nach der v.g. Norm die Vorlage einer Bescheinigung, die von einer geeigneten Person oder Stelle auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners ausgestellt ist und aus der sich ergibt, dass eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans innerhalb der letzten 6 Monate vor dem Eröffnungsantrag erfolglos versucht worden ist.
1. Vorliegend wird die vorgelegte Bescheinigung diesen Erfordernissen nicht gerecht, da sie nicht auf Grundlage einer persönlichen Beratung durch eine geeignete Person ausgestellt worden ist. Denn nach den eigenen Ausführungen der Schuldnerin hat eine persönliche Beratung und Prüfung durch den bescheinigenden Rechtsanwalt nicht stattgefunden. Vielmehr erfolgte die Beratung durch eine Mitarbeiterin des Verfahrensbevollmächtigten, die nicht Angehörige eines rechtsberatenden Berufs ist und unstreitig auch nicht über eine Anerkennung nach den Vorschriften des AGInsO NRW verfügt. Dass Frau T über eine Berufsausbildung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 AGInsO NRW verfügt, reicht für die Einordnung als geeignete Person mangels Anerkennung nicht aus, da nur Angehörige rechtsberatender Berufe und Steuerberater als sog. geborene geeignete Personen anzusehen sind.
Soweit die Schuldnerin in diesem Zusammenhang einwendet, T sei in die Organisation des bescheinigenden Rechtsanwalts eingebunden und diesem gegenüber weisungsgebunden, führt dies nicht dazu, dass die Beratung der Frau T als persönliche Beratung des bescheinigenden Rechtsanwalts zu bewerten ist.
Die Möglichkeit der uneingeschränkten Delegation würde dazu führen, dass die bescheinigende, geeignete Person überprüfen und die Gewähr dafür übernehmen würde, dass die tatsächlich beratende Person oder Stelle den gesetzlichen Anforderungen der § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO, § 2 AGInsO NRW genügt. Dies zu überprüfen, steht aber nicht in ihrer Kompetenz, sondern gem. § 3 AG InsO NRW in der ausschließlichen Zuständigkeit der Bezirksregierung Düsseldorf.
Aber auch bei Bestehen einer Weisungsgebundenheit und Eingebundenheit der tatsächlich beratenden Person in den Betrieb des bescheinigenden Rechtsanwalts kann von einer persönlichen Beratung des Rechtsanwalts als geeignete Person nicht ausgegangen werden. Entscheidend ist nämlich, dass ein Rechtsanwalt allein aufgrund seiner juristischen Befähigung und seinen berufsrechtlichen Vorgaben als sog. geborene geeignete Person anzusehen ist, ohne dass es einer besonderen staatlichen Anerkennung bedarf. Aus diesem Grund kann der Rechtsanwalt die von § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO geforderten Beratungsleistungen nur in eigener Person erbringen, denn nur in seiner Person sind diese Voraussetzungen der Geeignetheit erfüllt; für die übrigen Stellen, die etwa als juristische Personen oder Personenmehrheiten die Beratungsleistungen naturgemäß nicht in eigener (natürlicher) Person erbringen können, ist ein besonderes staatliches Anerkennungsverfahren vorgesehen.
2. Eine hinreichende Bescheinigung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Schuldnerin ausgeführt hat, nunmehr persönlich ein Beratungsgespräch mit der Schuldnerin geführt zu haben. Denn hieraus lässt sich bereits nicht entnehmen, dass durch den Verfahrensbevollmächtigten eine eingehende Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Schuldnerin stattgefunden hat. Darüber hinaus ergibt sich aus den Ausführungen auch nicht, dass eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans innerhalb der letzten 6 Monate vor dem Eröffnungsantrag erfolglos versucht worden ist. Denn nach dem Sinn und Zweck der v.g. Vorschrift hat der Aussteller der Bescheinigung, der – wie vorliegend – selbst nicht an dem Einigungsversuch mitgewirkt hat, nachvollziehbar und nachprüfbar darzulegen, in welcher Weise er sich davon überzeugt hat, dass der Schuldner sich tatsächlich und ernsthaft um eine einvernehmliche außergerichtliche Vereinbarung zur Schuldenbereinigung bemüht hat. Der neuerlichen Bescheinigung lässt sich aber gerade nicht entnehmen, dass die bereits erfolgten Bemühungen der außergerichtlichen Einigung überprüft worden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 InsO, § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht gem. § 574 ZPO i.V.m. § 4 InsO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche