Urteil im Insolenzrecht

Tod des Schuld­ners und Schul­den des Erben

Vor­aus­sicht­li­che Lese­dau­er: 2 Minuten

Die Fall­kon­stel­la­ti­on

Der Schuld­ner war in die Wohl­ver­hal­tens­pha­se gelangt. Auf Antrag eines Gläu­bi­gers soll­te ihm jedoch die Rest­schuld­be­frei­ung ver­sagt wer­den. Bevor es zu einer Ent­schei­dung kam, ver­starb der Schuld­ner.
War das Ver­fah­ren nun­mehr ein­fach zu been­den oder konn­ten die Erben bezüg­lich der Insol­venz­for­de­rung des Schuld­ners eine Rest­schuld­be­frei­ung erhal­ten? Zu die­ser Fall­kon­stel­la­ti­on gibt es nun eine Ent­schei­dung des Amts­ge­richts Dres­den.

AG Dres­den, Beschluss vom 17.04.2019 – 544 IN 2661/​11

Theo­re­ti­sche Möglichkeiten


Grund­sätz­lich kann die­se Fall­kon­stel­la­ti­on auf zwei Arten geklärt wer­den. Zum einen könn­te den Erben die Rest­schuld­be­frei­ung gewährt wer­den, wenn die Vor­aus­set­zung auch für den Schuld­ner vor­ge­le­gen haben. Oder das Ver­fah­ren wird ein­fach gegen die Erben. Das Amts­ge­richt Dres­den hat sich für letz­te­re Mög­lich­keit entschieden.

Die Ent­schei­dung des AG Dresden

Nach der Rechts­auf­fas­sung des Amts­ge­richts Dres­den ist das Insol­venz­ver­fah­ren ana­log § 299 InsO ein­zu­stel­len, wenn der Schuld­ner in der Wohl­ver­hal­tens­pha­se stirbt. Hat hier ver­fas­sungs­recht­li­che Beden­ken und auch für die Erben eine Alter­na­ti­ve gesetz­li­che Ver­fah­rens­mög­lich­keit sieht.

So wür­de Gläu­bi­ger fak­tisch ohne gesetz­li­che Grund­la­ge ent­eig­net, wür­de den Erben des Schuld­ners eine Rest­schuld­be­frei­ung erteilt wer­den. Dies wäre jedoch nicht zuläs­sig, da eine sol­che Ent­eig­nung ohne jeg­li­che gesetz­li­che Grund­la­ge erfol­gen wür­de. Dies sieht das Gericht als nicht mit Art. 14 Abs. 3 GG als ver­ein­bar an.

Eine Rege­lungs­lü­cke sei auch für eine ana­lo­ge Anwen­dung nicht vor­han­den, da das Gesetz für der­ar­ti­ge Fäl­le die Ein­lei­tung eines Nach­lass­in­sol­venz­ver­fah­rens ansieht. Denn die Erben hät­ten die Mög­lich­keit, soweit sie die Schul­den des ver­stor­be­nen nicht aus­glei­chen kön­nen, eine Haf­tung für die Ver­bind­lich­kei­ten des Erb­las­sers auf­grund der Uni­ver­sal­suk­zes­si­on gemäß dem §§ 1922, 1974 BGB ver­mei­den, wenn sie inner­halb der gesetz­li­chen Frist die Erb­schaft aus­schla­gen oder nach Ablauf der Aus­schla­gungs­frist ein Nach­lass­in­sol­venz­ver­fah­ren bean­tra­gen. Dies führt für die Erben dazu, dass bei Eröff­nung des Nach­lass­in­sol­venz­ver­fah­rens als auch bei einer Abwei­sung der Eröff­nung des Nach­lass­in­sol­venz­ver­fah­rens man­gels Mas­se gemäß § 26 InsO den Erben die soge­nann­ter „Dürf­tig­keits­ein­re­de „gemäß dem §§ 1990, 1975 BGB zu. Somit kön­nen die Erben bei einer Zwangs­voll­stre­ckung die Gläu­bi­ger regel­mä­ßig Haf­tungs­be­schrän­kung auf den Nach­lass ver­wei­sen. So kann das Pro­blem “Tod des Schuld­ners und Wohl­ver­hal­tens­pha­se und Erben” behan­delt werden.

Haf­tung des Geschäfts­füh­rers bei frag­li­cher Besei­ti­gung der Insolvenzreife

Haf­tung des Geschäfts­füh­rers auch in Zukunft gegen­über einem Neu­gläu­bi­ger auf Grund einer ursprüng­lich ein­ge­tre­te­nen Insol­venz (Zah­lungs­un­fä­hig­keit oder Über­schul­dung), wenn sich die Gesell­schaft erholt?

Der Fall

Der BGH hat in sei­ner Ent­schei­dung vom 19.11.2019 – II ZR 53/​18 über den Fall eines Neu­gläu­bi­ger­scha­dens im Rah­men einer Insol­venz zu ent­schei­den. Dabei stell­te sich die Fra­ge, inwie­weit ein Geschäfts­füh­rer einer Gesell­schaft für den Scha­den eines Ver­trags­part­ners haf­tet, wenn zwar die Gesell­schaft in der Ver­gan­gen­heit insol­vent war, aber im Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses mit dem Gläu­bi­ger ein Insol­venz­grund auf Grund der Erho­lung der Gesell­schaft nicht mehr vorlag.

Ent­schei­dung des BGH zur Haf­tung des Geschäftsführers

Die Ent­schei­dung des BGH ver­langt ein­deu­tig, dass es auf den Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses ankommt. Da es sich bei einer Insol­venz­ver­schlep­pung um ein Dau­er­de­likt han­delt, müs­sen deren objek­ti­ve und sub­jek­ti­ve Vor­aus­set­zun­gen zum Zeit­punkt des Geschäfts­ab­schlus­ses noch vorliegen.

Ergeb­nis

Der kla­gen­de Neu­gläu­bi­ger muss­te daher bewei­sen, dass ein Insol­venz­grund noch im Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses vor­lag. Er konn­te nicht pau­schal dar­auf ver­wei­sen, dass die Insol­venz bereits in der Ver­gan­gen­heit ein­mal ein­ge­tre­ten war. In sei­ner Ent­schei­dung zeigt der BGH jedoch auf, wie dem Neu­gläu­bi­ger die­ser Nach­weis mög­lich ist. So gilt nach der Recht­spre­chung der Nach­weis im Zeit­punkt des Geschäfts­ab­schlus­ses bei rela­tiv zeit­nah erteil­ten Auf­trä­gen als geführt. Ein zeit­li­cher Zusam­men­hang von 9 Mona­ten bis zu einem Jahr reicht hier­für aus. In die­sem Fall muss der Geschäfts­füh­rer dar­le­gen und bewei­sen, dass im Zeit­punkt der Auf­trags­er­tei­lung z. B. eine Über­schul­dung nach­hal­tig besei­tigt und damit die Antrags­pflicht ent­fal­len war.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen erhal­ten Sie auf unse­rer Inter­net­sei­te Haf­tung des Geschäfts­füh­rers und Insol­venz­ver­schlep­pung.

Ant­wort 1

Ant­wort 2

Urteil im Insolenzrecht

Gerichts­stand für Ansprü­che aus §§ 130a, 177a HGB, § 64 GmbHG

Bei wel­chem Gericht muss ein Insol­venz­ver­wal­ter kla­gen, wenn er Ansprü­che aus §§ 130a, 177a HGB gel­tend machen will?

All­ge­mein

Der Bun­des­ge­richts­hof BGH, Beschl. v. 6. 8. 2019 – X ARZ 317/​19 muss­te sich mit der Fra­ge beschäf­ti­gen, bei wel­chem Gericht er Scha­dens­er­satz­an­sprü­che gegen dich Geschäfts­füh­rer einer GmbH & Co. KG gemäß § 177a und § 130a HGB gel­tend machen kann.

Im zu ent­schei­den­den Fall gab es zwei Geschäfts­füh­rer, die in unter­schied­li­chen Orten wohn­ten. Hier bean­trag­te der Insol­venz­ver­wal­ter bei Gericht, dass ein gemein­sa­mes Gericht als zustän­dig erach­tet wird. Denn er woll­te nicht zwei unter­schied­li­che Kla­gen füh­ren son­dern die Geschäfts­füh­rer gemein­schaft­lich an einem Gericht verklagen.

Der Bun­des­ge­richts­hof hat die­sen Antrag zurück­ge­wie­sen, da sowie­so ein ein­zi­ges Gericht, und zwar das Gericht der Gesell­schaft zustän­dig ist. Der Anspruch gegen die Geschäfts­füh­rer, basie­rend auf § 64 S. 1 GmbHG oder § 130 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 HGB gestütz­ter Anspruch basie­ren auf den Beson­der­hei­ten des organ­schaft­li­chen Ver­hält­nis­ses zwi­schen der Gesell­schaft und dem Geschäfts­füh­rer. Pas­siv legi­ti­miert sind daher nur Per­so­nen, die recht­lich oder fak­tisch als Geschäfts­füh­rer fun­giert haben. Vor die­sem Hin­ter­grund ist daher ein auf § 64 Abs. 1 GmbHG oder § 130 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 HGB gestütz­ter Anspruch aus den­sel­ben Grün­den wie ein Anspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG als Anspruch aus einem Ver­trags­ver­hält­nis im Sin­ne von § 29 Abs. 1 ZPO anzusehen.
Maß­geb­lich ist daher der Erfül­lungs­ort. Für den Erfül­lungs­ort des Anspruchs ist grund­sätz­lich der Ort, an dem die Gesell­schaft ihren Sitz hat, maßgeblich.

Ergeb­nis:

Die Ent­schei­dung des Bun­des­ge­richts­hofs macht die Fra­ge der Kla­ge­er­he­bung für die Insol­venz­ver­wal­ter ein­fa­cher. Sie kön­nen ohne Schwie­rig­kei­ten nun­mehr meh­re­re Geschäfts­füh­rer an einem Ort, d. h. am Ort der Gesell­schaft verklagen.

Hier fin­den Sie wei­ter Infor­ma­tio­nen zu § 64 GmbHG.

Fak­ti­scher Geschäfts­füh­rer und Haf­tung nach § 43 GmbHG

All­ge­mei­nes

Die Haf­tung nach § 43 GmbHG trifft neben dem bestell­ten Geschäfts­füh­rer auch den fak­ti­schen Geschäfts­füh­rer, der ohne Bestel­lung tat­säch­lich Geschäfts­füh­rer­kom­pe­ten­zen wahr­nimmt. (BGH Urt. vom 25.06.2001, II ZR 38/​99)

Den fak­ti­schen Geschäfts­füh­rer trifft eben­so die Insol­venz­an­trags­pflicht nach § 15 InsO und daher auch die Haf­tung für Zah­lun­gen nach Insol­venz­rei­fe nach § 64 GmbHG. (BGH Urt. vom 11.07.2005, II ZR 235/​03)

Wer ist fak­ti­scher Geschäfts­füh­rer?

Fak­ti­sche Geschäfts­füh­rer sind Per­so­nen, die nicht als Geschäfts­füh­rer bestellt wur­den, jedoch die Ämter­funk­tio­nen tat­säch­lich wahr­neh­men. Die tat­säch­lich bestell­ten Ver­tre­ter kom­men als Haf­ten­de auch neben dem fak­ti­schen Geschäfts­füh­rer im Betracht. Dass sie nur als Stroh­män­ner gehan­delt haben, schließt ihre Haf­tung nicht aus. Jedoch schei­den juris­ti­sche Per­son als fak­ti­sche Geschäfts­füh­rer aus, weil der recht­li­che Geschäfts­füh­rer kei­ne juris­ti­sche Per­son sein kann. Daher kommt nur der organ­schaft­li­che Ver­tre­ter einer juris­ti­schen Per­son tat­säch­lich als fak­ti­scher Geschäfts­füh­rer infrage.

Fak­ti­scher Geschäfts­füh­rer ist der­je­ni­ge, der sowohl betriebs­in­ter­nen als auch nach außen anstel­le des recht­li­chen Geschäfts­füh­rers mit Ein­ver­ständ­nis der Gesell­schaf­ter tat­säch­lich das Sagen hat und eine gegen­über dem for­mel­len Geschäfts­füh­rer über­ra­gen­de Stel­lung ein­nimmt. Dabei genügt eine beherr­schen­de Stel­lung allei­ne nicht. Not­wen­dig ist, was für die ganz erheb­li­cher Bedeu­tung ist, auch das Han­deln mit Außen­wir­kung. Dabei ist die Fest­stel­lung eines Han­dels mit außen wirk­sam im Ein­zel­fall nicht ein­fach. Die Recht­spre­chung geht von einer Gesamt­be­trach­tung aus. Es wur­den jedoch ein­zel­ne Kri­te­ri­en ent­wi­ckelt, die bei der Beur­tei­lung einer Außen­wir­kung her­an­ge­zo­gen werden:

Kri­te­ri­en für die Beurteilung

  • Bestim­mung der Unternehmenspolitik
  • Unter­neh­mens­or­ga­ni­sa­ti­on
  • Ein­stel­lung von Mitarbeitern
  • Gestal­tung der Geschäfts­be­zie­hun­gen zu Vertragspartnern
  • Ver­hand­lun­gen mit Kreditgebern
  • Bestim­mung der Gehaltshöhe
  • Ent­schei­dung der Steu­er­an­ge­le­gen­hei­ten und
  • Steue­rung der Buchhaltung 

(vgl. BayO­bLG Urt. vom 20.02.1997 – 5 St RR 159/​96)

Auch der fak­ti­sche Geschäfts­füh­rer kann straf­recht­lich her­an­ge­zo­gen wer­den. Dabei kommt eine straf­recht­li­che Ver­ant­wor­tung für Straf­ta­ten nach § 82 Abs. 1 GmbHG und § 15 Abs. 4 und 5 InsO in Betracht.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen erhal­ten sie auf der Inter­net­sei­te Fir­men­in­sol­venz und Geschäfts­füh­rer­haf­tung.

Urteil im Insolenzrecht

Rück­nah­me Antrag auf Rest­schuld­be­frei­ung bei Obliegenheitsverletzung

Kann man bei einer Oblie­gen­heits­ver­let­zung den Rest­schuld­be­frei­ungs­an­trag noch zurücknehmen?

Die­se Fra­ge hat­te der BGH zu entscheiden.

Rechts­la­ge:

Der Schuld­ner kann einen Antrag auf Rest­schuld­be­frei­ung in ent­spre­chen­der Anwen­dung des § 269 Abs. 1 ZPO jeden­falls dann nicht mehr ohne Ein­wil­li­gung zurück­neh­men, wenn er die Rück­nah­me erklärt, nach­dem ein Insol­venz­gläu­bi­ger gemäß § 289 Abs. 1, § 290 InsO im Schluss­ter­min oder inner­halb der vom Insol­venz­ge­richt im schrift­li­chen Ver­fah­ren für die Ver­sa­gungs­an­trag­stel­lung gesetz­ten Frist einen zuläs­si­gen Antrag auf Ver­sa­gung der Rest­schuld­be­frei­ung gestellt und das Insol­venz­ge­richt dem Schuld­ner hier­auf die Rest­schuld­be­frei­ung ver­sagt hat (BGH, Beschluss vom 22. Sep­tem­ber 2016 – IX ZB 50/​15, WM 2016, 2315 Rn. 10 ff). Spä­tes­tens ab die­sem Zeit­punkt haben die Gläu­bi­ger einen Anspruch dar­auf, dass sich der Schuld­ner, des­sen Unred­lich­keit mit der abschlä­gi­gen Ent­schei­dung fest­ge­stellt ist, nicht dem Ver­fah­ren ent­zieht und die Ergeb­nis­se der Anhö­rung zu sei­nem Rest­schuld­be­frei­ungs­an­trag durch des­sen Rück­nah­me zunich­te­macht. Spä­tes­tens ab der Ent­schei­dung über den Ver­sa­gungs­an­trag über­wiegt ihr Inter­es­se an der Ver­sa­gung das Inter­es­se des Schuld­ners, über sei­nen Antrag frei dis­po­nie­ren zu kön­nen (BGH, aaO Rn. 12 aE). Ande­ren­falls erhiel­te der Schuld­ner die Mög­lich­keit, einer sach­lich berech­tig­ten Ver­sa­gung nach­träg­lich den Boden zu ent­zie­hen (BGH, aaO Rn. 13 aE). Zudem besteht ein schutz­wür­di­ger Anspruch der Gläu­bi­ger dar­auf, dass es bei einer sach­lich berech­tig­ten Ver­sa­gung der Rest­schuld­be­frei­ung bleibt, weil die­se eine Antrags­sper­re nach sich zieht.

Ent­schei­dung:

Im Streit­fall hat­te das Insol­venz­ge­richt zwar noch nicht über den Ver­sa­gungs­an­trag ent­schie­den, als der Schuld­ner die Rück­nah­me sei­nes Antrags auf Rest­schuld­be­frei­ung erklär­te. Die Grün­de für die Ver­nei­nung einer Antrags­rück­nah­me­mög­lich­keit für den Schuld­ner gel­ten gel­ten aber auch dann, wenn die Rest­schuld­be­frei­ung auf­grund des von einem Gläu­bi­ger in dem gemäß § 300 Abs. 1 InsO zur Anhö­rung anbe­raum­ten Ter­min oder inner­halb der statt­des­sen gesetz­ten Erklä­rungs­frist gestell­ten zuläs­si­gen Ver­sa­gungs­an­trags nach § 296 Abs. 1, § 295 Abs. 1 InsO zu ver­sa­gen ist und nur noch eine ent­spre­chen­de Ent­schei­dung des Insol­venz­ge­richts aus­steht. Auch in die­sem Fall über­wiegt das Inter­es­se des Gläu­bi­gers an einer gericht­li­chen Ent­schei­dung über sei­nen Ver­sa­gungs­an­trag. Ist eine Rest­schuld­be­frei­ung gemäß § 300 Abs. 2, § 296 Abs. 1, § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu ver­sa­gen, ist der Schuld­ner nach § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO für eine Dau­er von zehn Jah­ren und nach § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO in der ab dem 1. Juli 2014 gel­ten­den Fas­sung für die Dau­er von drei Jah­ren an der erneu­ten Stel­lung eines Rest­schuld­be­frei­ungs­an­trags gehin­dert. Die­ses auf eine sach­li­che Ent­schei­dung gerich­te­te Inter­es­se des Gläu­bi­gers ist recht­lich geschützt, weil die Rest­schuld­be­frei­ung nach dem Wil­len des Gesetz­ge­bers nur dem sich red­lich und gläu­bi­ger­freund­lich ver­hal­ten­den Schuld­ner zuteil­wer­den und auf Antrag eines Gläu­bi­gers unter ande­rem dann aus­ge­schlos­sen sein soll, wenn dem Schuld­ner bis zum Ablauf der Wohl­ver­hal­tens­pe­ri­ode oder im Anhö­rungs­ter­min zur Rest­schuld­be­frei­ung ein illoya­les Ver­hal­ten zur Last fällt. Dem­ge­gen­über ist das Inter­es­se des Schuld­ners nach­ran­gig, der zu erwar­ten­den Sank­ti­on durch eine Antrags­rück­nah­me die Grund­la­ge zu ent­zie­hen und das im ers­ten Durch­gang für ihn abseh­bar nega­tiv ver­lau­fen­de Ver­fah­ren anschlie­ßend unmit­tel­bar wie­der­ho­len zu können.

Fazit:

Soll­te ein Schuld­ner eine Oblie­gen­heits­ver­let­zung began­gen haben und befürch­tet er, dass ein Insol­venz­gläu­bi­ger einen Ver­sa­gungs­an­trag stellt, muss der Schuld­ner sei­nen Antrag auf Rest­schuld­be­frei­ung  zurück­neh­men, bevor der Gläu­bi­ger den Antrag auf Ver­sa­gung stellt. Ob ein Ver­sa­gungs­an­trag in Zukunft gestellt wird, kann auch der Schuld­ner nicht wis­sen. Jedoch kön­nen die Berich­te des Insol­venzv­wer­al­ters ihm einen Hin­weis bie­ten, ob Oblie­gen­heits­ver­stös­se ent­deckt wur­den,  da die­se von immer mehr Gläu­bi­gern auch gele­sen werden.

Urteil im Insolenzrecht

LG Essen: Kei­ne Ver­sa­gung der Restschuldbefreiung

Wir konn­ten einem Man­dan­ten hel­fen, sich gegen einen Antrag auf Ver­sa­gung der Rest­schuld­be­frei­ung zu weh­ren. Denn obwohl der Man­dant sich wäh­rend des Insol­venz­ver­fah­rens 193 mal bewor­ben hat­te, reich­te dies einem Gläu­bi­ger nicht aus.

Er mein­te trotz­dem dem Schuld­ner die Rest­schuld­be­frei­ung ver­sa­gen zu las­sen. Dem ist jedoch weder das Amts­ge­richt Essen noch das Land­ge­richt Essen gefolgt:

Einen Ver­sa­gungs­grund durch Ver­let­zung einer Oblie­gen­heit gemäß den §§ 296 Abs. 1, 295 InsO kann die Kam­mer nicht fest­stel­len.
Die Vor­aus­set­zun­gen für eine Oblie­gen­heits­ver­let­zung im Sin­ne von § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO die nach dem Vor­trag des Gläu­bi­gers allein in Betracht kommt, liegt nicht vor.
Gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO obliegt es dem Schuld­ner eine ange­mes­se­ne Erwerbs­tä­tig­keit aus­zu­üben bzw. wenn der beschäf­ti­gungs­los ist, sich um eine Beschäf­ti­gung zu bemü­hen und kei­ne zumut­ba­re Tätig­keit abzu­leh­nen die Kam­mer kommt zu dem Ergeb­nis, dass der Schuld­ner sein Ori­gi­nal des § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO genü­ge getan hat.
Der Schuld­ner hat sich in aus­rei­chen­dem Maße um eine Beschäf­ti­gung. Die von dem Schuld­ner ange­ge­be­nen nicht bestrit­te­nen 193 Bewer­bun­gen in der Zeit zwi­schen dem 10.1.2012 und den 28.10.2016 erach­tet die Kam­mer als aus­rei­chend.
Dies steht im Ein­klang mit der Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs. Der Bun­des­ge­richts­hof hat zwar in der Ent­schei­dung vom 19.5.2011, die im mit Beschluss vom 13.9.2012 bestä­tig­te, aus­ge­spro­chen, dass für ein ernst­haf­tes Bemü­hen um eine Erwerbs­tä­tig­keit hin­sicht­lich der Anzahl der zu for­dern­den Bewer­bun­gen als unge­fäh­re Richt­grö­ße 2–3 Bewer­bun­gen pro Woche zu for­dern sein. Die­se Ent­schei­dung hat der Bun­des­ge­richts­hof jedoch aus­drück­lich klar­ge­stellt, dass die­se Richt­grö­ße für den Fall gel­te, sofern ent­spre­chen­de Stel­len ange­bo­ten wur­den. In der Ent­schei­dung vom 19.5.2011 stell­te der Bun­des­ge­richts­hof ins­be­son­de­re klar, dass sich der Umfang der Bemü­hun­gen des Schuld­ners nicht all­ge­mein­gül­tig klä­ren las­se, son­dern unter Berück­sich­ti­gung bran­chen­be­zo­ge­ner, regio­na­ler und indi­vi­du­el­ler Umstän­de ein­zel­fall­be­zo­gen zu beur­tei­len sei. Auch in dem Beschluss vom 7.5.2009 hat der Bun­des­ge­richts­hof klar­ge­stellt, dass im Rah­men der Bestim­mung des Umfangs der Oblie­gen­hei­ten des Schuld­ners das Alter des Schuld­ners sowie die pro­ble­ma­ti­schen Ver­hält­nis­se am Arbeits­markt Berück­sich­ti­gung fin­den müs­sen.
Bei einer Wür­di­gung der Gesamt­um­stän­de des Ein­zel­falls kommt die Kam­mer zu dem Ergeb­nis, dass der Schuld­ner nicht gegen die Oblie­gen­heits­ver­let­zung aus § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO ver­sto­ßen.
Die 193 Bewer­bun­gen des Schuld­ners hat er kon­kret durch Auf­lis­tung die­ser Bewer­bun­gen sowie durch Bei­fü­gung eini­ger ableh­nen­der Schrei­ben dar­ge­legt. Bei die­sen Bewer­bung han­del­te es sich fer­ner um über­re­gio­nal und betref­fend des Arbeits­mark­tes um unter­schied­li­che stel­len. Wegen der Anzahl der Bewer­bun­gen besteht für die Kam­mer, auch unter Berück­sich­ti­gung des Zeit­raums, kei­ne Beden­ken dahin­ge­hend, dass es sich um aus­rei­chend ernst­haf­te Bemü­hung des Schuld­ners han­del­te. Schuld­ner war zu Beginn des maß­geb­li­chen Zeit­raums, im Janu­ar 2000 12,55 Jah­re alt. Er hat eben­falls ange­ge­ben in der Stel­len­bör­se des Arbeits­am­tes, im Inter­net sowie Mit­tel Stel­len­an­zei­gen in der Zei­tung nach Shop ange­bo­ten gesucht zu haben. Dass das Ange­bot an Arbeits­plät­zen auf­grund des Alters des Schuld­ners beschränkt war, ist für die Kam­mer nach­voll­zieh­bar. Das Bemü­hen des Schuld­ners durch im Schnitt etwa drei Bewer­bung pro Monat hält die Kam­mer unter Berück­sich­ti­gung der Gesamt­um­stän­de für aus­rei­chend. Der Treu­hän­der hat eben­falls aus­ge­führt, dass der Schuld­ner lau­fend sei­ne Bemü­hung um Auf­nah­me einer Tätig­keit doku­men­tier­te und im Auf­tra­ge kräf­ti­ge Bewer­bung vorlegte.

LG Essen 10.04.2017, 10 T 617

In die­sem Zusam­men­hang ist jedoch dar­auf zu ach­ten, das übli­cher­wei­se als Regel immer noch gilt, dass 3–4 Bewer­bung pro Woche not­wen­dig sind. Ist der Schuld­ner jün­ger, sind die Anfor­de­run­gen eben auch höher. Bei glei­cher Bewer­bungs­zahl wäre es daher für einen jün­ge­ren Schuld­ner schwie­rig gewe­sen, die Rest­schuld­be­frei­ung zu erlangen.

Vor­aus­sicht­li­che Lese­dau­er: 1 Minute

Urteil im Insolenzrecht

AG Aurich, Beschl. vom 6. 12. 2016 – 9 IK 55/​16

Ein Fall der sofor­ti­gen Ertei­lung der Restschuldbefreiung

Die Fall­kon­stel­la­ti­on

Das Amts­ge­richt Aurich hat ent­schie­den, dass auch für den Fall, das Gerichts­kos­ten infol­ge der Stun­dung noch offen­ste­hen, eine bean­tra­ge Rest­schuld­be­frei­ung sofort zu ertei­len ist.

AG Aurich, Beschl. v. 6. 12. 2016 – 9 IK 55/​16:

Inhalt der Entscheidung

“Das Insol­venz­ver­fah­ren wur­de mit Beschl. v. 26.2.2016 eröff­net. Die Kos­ten des Ver­fah­rens sind mit Beschluss vom glei­chen Tag bis zur Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung gestun­det, § 4a InsO.

Der Schuld­ne­rin ist antrags­ge­mäß Rest­schuld­be­frei­ung zu ertei­len, da kei­ne For­de­rung ange­mel­det wur­de. Der ein­zi­gen im For­de­rungs­ver­zeich­nis auf­ge­führ­ten Gläu­bi­ge­rin wur­de durch den Insol­venz­ver­wal­ter die Auf­for­de­rung zur Anmel­dung am 20.4.2016 zuge­stellt. Eine Anmel­dung ist nicht erfolgt.

Die Rest­schuld­be­frei­ung ist sofort zu ertei­len, da im Rest­schuld­be­frei­ungs­ver­fah­ren eine Aus­schüt­tung evtl. pfänd­ba­rer Bezü­ge man­gels fest­ge­stell­ter For­de­run­gen nicht erfol­gen wird. Es ist somit sinn­los, die Schuld­ne­rin eine “Wohl­ver­hal­tens­pha­se” durch­lau­fen zu las­sen, in der kein Insol­venz­gläu­bi­ger befrie­digt wür­de. Hier hat eine teleo­lo­gi­sche Reduk­ti­on des gesam­ten Ver­fah­rens zu erfol­gen. Sinn und Zweck des Insol­venz­ver­fah­rens ist die gemein­schaft­li­che Befrie­di­gung der Insol­venz­gläu­bi­ger. Zudem soll dem red­li­chen Schuld­ner im sich anschlie­ßen­den Rest­schuld­be­frei­ungs­ver­fah­ren Gele­gen­heit gege­ben wer­den, sich von sei­nen rest­li­chen Ver­bind­lich­kei­ten zu befrei­en, § 1 InsO.

Im Anschluss an die zitier­te Ent­schei­dung ist in Lite­ra­tur und Recht­spre­chung die Auf­fas­sung ver­tre­ten wor­den, dass auch bei offe­nen Gerichts­kos­ten die Rest­schuld­be­frei­ung sofort erteilt wer­den kann

Die Kos­ten des Ver­fah­rens sind nach § 4a InsO schließ­lich bis zur Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung zu stunden.

Die­ser Auf­fas­sung hat sich sei­ner­zeit auch das erken­nen­de Gericht ange­schlos­sen, weil es sinn­los ist, jähr­li­che Kos­ten von 119 € für ein sinn­ent­leer­tes Rest­schuld­be­frei­ungs­ver­fah­ren zu verursachen.

Mit Beschl. v. 29.4.2015 hat bereits das AG Göt­tin­gen (71 IK 99/​14) fest­ge­stellt, dass in einem Ver­fah­ren, das nach dem 1.7.2014 bean­tragt wur­de, sofort Rest­schuld­be­frei­ung zu ertei­len ist, wenn kein Gläu­bi­ger eine For­de­rung ange­mel­det hat und die Kos­ten des Ver­fah­rens gestun­det sind. Auch das Insol­venz­ge­richt Aurich hat unter den glei­chen Vor­aus­set­zun­gen Rest­schuld­be­frei­ung sofort erteilt, Beschl. v. 20.11.2015.

Zwar hat der BGH mit Beschl. v. 22.9.2016 (IX ZB 29/16,7) ent­schie­den, dass die Ver­fah­rens­kos­ten gezahlt sein müss­ten, die­se Ent­schei­dung ist aller­dings abzu­leh­nen. Wür­de die­se Ent­schei­dung auf den hier vor­lie­gen­den Fall ange­wen­det, so ver­ur­sach­te man dadurch zusätz­li­che (und unnüt­ze) Kos­ten für die Ver­gü­tung des Treu­hän­ders, zahl­bar aus der Lan­des­kas­se i.H.v. 714 €.

Die­se Ver­gü­tung müss­te nach Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung zusätz­lich zu den bereits ent­stan­de­nen Ver­fah­rens­kos­ten von der Schuld­ne­rin getra­gen wer­den, soweit nicht die Vor­aus­set­zun­gen für eine wei­te­re Stun­dung gem. § 4b Abs. 1 InsO vor­lie­gen. Auch im Hin­blick dar­auf, dass die Lan­des­kas­se durch die gesetz­li­che Neu­re­ge­lung ent­las­tet wer­den soll, erscheint die­ses Ergeb­nis fraglich.

Durch die sofor­ti­ge Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung ent­steht der Lan­des­kas­se auch kein Scha­den, da sich die Nach­haf­tungs­pha­se der Schuld­ne­rin unmit­tel­bar anschließt.

Die­se Begrün­dung trifft auch auf Ver­fah­ren zu, die nach dem 1.7.2014 bean­tragt sind. Gem. § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO ist der Schuld­ne­rin auf ihren Antrag sofort die Rest­schuld­be­frei­ung zu ertei­len, wenn kein Insol­venz­gläu­bi­ger im Schluss­ver­zeich­nis ent­hal­ten ist.”

Stel­lung­nah­me

Bei die­ser Ent­schei­dung han­delt es sich um einen beson­de­ren Fall der sofor­ti­gen Ertei­lung der Restschuldbefreiung. 

Urteil im Insolenzrecht

Kin­des­un­ter­halt im Insolvenzverfahren

Sind Kin­des­un­ter­halts­an­sprü­che bereits titu­liert wor­den, kann der Gläu­bi­ger im Insol­venz­ver­fah­ren die Fest­stel­lung bean­tra­gen, dass die Ansprü­che aus vor­sätz­li­cher uner­laub­ter Hand­lung stam­men. Die­ser Anspruch ver­jährt auf Grund der Titu­lie­rung der Unter­halts­an­sprü­che erst in 30 Jahren.

Die Stadt hat gegen einen Vater Unter­halts­an­sprü­che per Voll­stre­ckungs­be­scheid gel­tend gemacht. Der Vater bean­trag­te das Ver­brau­cher­insol­venz­ver­fah­ren. Die Stadt mel­de­te Ihre Ansprü­che an, aber auch als For­de­rung aus vor­sätz­lich uner­laub­ter Hand­lung. Dies wur­de vom Vater jedoch bestrit­ten. Die Stadt muss­te eine Fest­stel­lungs­kla­ge erhe­ben. Die Sache ging bis zum OLG. 

Beim OLG wur­de ent­schie­den, dass es sich zu Recht um For­de­run­gen aus vor­sätz­lich uner­laub­ter Hand­lung han­delt. Der Vater konn­te der Annah­me aus vor­sätz­lich uner­laub­ter Hand­lung nichts ent­ge­gen­set­zen (§ 823 II BGB iVm § 170 StGB). Eine Leis­tungs­un­fä­hig­keit des Vaters bestand nicht. Hier­zu wur­de nichts kon­kre­tes vor­ge­tra­gen. (OLG Koblenz, Beschluss vom 30.07.2014 – 13 UF 271/​14)

Fazit:

Wer eine sol­che Fest­stel­lungs­kla­ge ver­liert, hat ein Pro­blem. Die Schul­den fal­len nicht in die Rest­schuld­be­frei­ung und am Ender der Insol­venz steht kei­ne voll­stän­di­ge Schul­den­frei­heit. Also muss man sich mit allen recht­li­chen Mög­lich­kei­ten gegen die Fest­stel­lungs­kla­ge weh­ren, wenn man mit die­ser kon­fron­tiert wird.

Urteil im Insolenzrecht

BGH: Auf­he­bung der Stun­dung bei feh­len­den Erwerbsbemühungen

a)Der Auf­he­bungs­grund des § 4c Nr. 4 InsO reicht so weit wie der Ver­sa­gungs­grund des § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Ent­spre­chend § 296 Abs. 1 S. 1 InsO kann die Stun­dung nach § 4c Nr. 4 InsO nur auf­ge­ho­ben wer­den, wenn der Schuld­ner es schuld­haft unter­las­sen hat, sich um eine ange­mes­se­ne Erwerbs­tä­tig­keit zu bemühen.

b)Die unbe­stimm­ten Rechts­be­grif­fe der “ange­mes­se­nen Erwerbs­tä­tig­keit” und der “zumut­ba­ren Tätig­keit” sind nicht in Anleh­nung an das Unter­halts­recht und das Sozi­al­recht auszulegen.


BGH vom 13. Sep­tem­ber 2012 – IX ZB 191/​11

Der arbeits­lo­se Schuld­ner bean­trag­te im Juli 2010, das Insol­venz­ver­fah­ren über sein Ver­mö­gen zu eröff­nen, ihm Rest­schuld­be­frei­ung zu gewäh­ren und ihm die Ver­fah­rens­kos­ten zu stun­den. Das Insol­venz­ge­richt gab dem Stun­dungs­an­trag statt. Es beauf­trag­te einen Sach­ver­stän­di­gen mit der Prü­fung, ob der Schuld­ner zah­lungs­un­fä­hig sei, die Ver­fah­rens­kos­ten gedeckt sei­en und der Schuld­ner sei­ner Erwerbs­ob­lie­gen­heit nach­kom­me. Im Sep­tem­ber 2010 schloss der Schuld­ner mit der Stadt Jena eine Ein­glie­de­rungs­ver­ein­ba­rung, in der er sich ver­pflich­te­te, alle Mög­lich­kei­ten zu nut­zen, um sei­nen Lebens­un­ter­halt aus eige­nen Mit­teln und Kräf­ten zu bestrei­ten, und der Stadt im Monat jeweils vier Bewer­bun­gen nach­zu­wei­sen. Ent­spre­chend die­ser Ver­ein­ba­rung bewarb sich der Schuld­ner in der Zeit vom 17. Sep­tem­ber 2010 bis zum 26. Janu­ar 2011 ins­ge­samt 20mal ohne Erfolg. Der Sach­ver­stän­di­ge kam in sei­nem schrift­li­chen Gut­ach­ten zu dem Ergeb­nis, dass der Schuld­ner zah­lungs­un­fä­hig ist und die Kos­ten des Ver­brau­cher­insol­venz­ver­fah­rens vor­aus­sicht­lich nicht gedeckt sind. Wei­ter führ­te er aus, der Schuld­ner kom­me sei­ner Erwerbs­ob­lie­gen­heit nicht nach.

Das Insol­venz­ge­richt hat die Stun­dung der Ver­fah­rens­kos­ten auf­ge­ho­ben und den Insol­venz­an­trag man­gels Mas­se abge­wie­sen. Die hier­ge­gen gerich­te­te sofor­ti­ge Beschwer­de des Schuld­ners hat das Land­ge­richt zurück­ge­wie­sen. Mit sei­ner Rechts­be­schwer­de will der Schuld­ner die Auf­he­bung der ange­foch­te­nen Beschlüs­se und die Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens erreichen.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6, 34 Abs. 1, § 4d Abs. 1 InsO, Art. 103 f EGIn­sO statt­haf­te und auch sonst zuläs­si­ge Rechts­be­schwer­de (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) führt zur Auf­he­bung der ange­foch­te­nen Ent­schei­dung und der Ent­schei­dung des Insolvenzgerichts.

1.

Das Beschwer­de­ge­richt, des­sen Beschluss in ZIn­sO 2011, 1254 abge­druckt ist, hat aus­ge­führt: Die Vor­aus­set­zun­gen für die Auf­he­bung der Stun­dung der Ver­fah­rens­kos­ten nach § 4c Nr. 4 InsO lägen vor. Der Schuld­ner sei sei­ner Erwerbs­ob­lie­gen­heit nicht nach­ge­kom­men. Bei ihm han­de­le es sich um einen 52 Jah­re alten, voll arbeits­fä­hi­gen und ört­lich unge­bun­de­nen Hand­wer­ker mit auch kauf­män­ni­scher Erfah­rung, der nie­man­dem zu Unter­halt oder Für­sor­ge ver­pflich­tet sei. Des­we­gen sei es ihm zuzu­mu­ten, sich über­re­gio­nal um eine Voll­zeit­ar­beits­stel­le zu bemü­hen. Die nach­ge­wie­se­nen 20 Bewer­bun­gen in gut vier Mona­ten genüg­ten die­sen Anfor­de­run­gen nicht. Das Insol­venz­ge­richt habe im Inter­net hun­der­te für den Schuld­ner geeig­ne­te Stel­len gefun­den, die ihm ein Ein­kom­men ober­halb der Pfän­dungs­frei­gren­zen ermög­licht hät­ten. Der Schuld­ner hät­te von die­sen Ange­bo­ten wenigs­tens 20 monat­lich zum Gegen­stand ernst­haf­ter schrift­li­cher Bewer­bun­gen machen müs­sen. Auch wenn er die Bedin­gun­gen der Inte­gra­ti­ons­ver­ein­ba­rung ein­ge­hal­ten habe, rei­che dies nicht im Sin­ne von § 4c Nr. 4 InsO aus. Das Maß der geschul­de­ten Erwerbs­be­mü­hun­gen rich­te sich nach § 1574 Abs. 2 BGB und der dazu ergan­ge­nen Recht­spre­chung. Ein erwerbs­lo­ser Schuld­ner habe alle nur denk­ba­ren Anstren­gun­gen zur Erlan­gung einer ange­mes­se­nen Erwerbs­tä­tig­keit zu unter­neh­men und dabei die Zeit auf­zu­wen­den, die ein Erwerbs­tä­ti­ger auf­wen­de. Des­we­gen müs­se sich ein Schuld­ner wöchent­lich min­des­tens 35 Stun­den lang mit der ernst­haf­ten und rück­halt­lo­sen Suche nach einem Arbeits­platz beschäf­ti­gen. Daher sei auch die Beschwer­de gegen die Zurück­wei­sung sei­nes Antrags auf Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens man­gels Mas­se unbegründet.

2.

Die­se Aus­füh­run­gen hal­ten einer recht­li­chen Über­prü­fung nicht stand. Wei­ter­le­sen